3. Die Angst vor der Verschulung
Für die Schar der Drei- bis Sechsjährigen im privaten Xinshahui-Kindergarten in Südchinas Shenzhen war es ein Riesenspaß. Am 3. September feierten sie mit Tanz und Gesang nach den Ferien den Start ihrer Kindergartensaison. Ihre Eltern, die zusahen, regten sich dagegen über eine „unmoralische“Darbietung tierisch auf. Direktorin Lai Rong hatte einen Poledance aufführen lassen. Halb entblößt und aufreizend wie eine Nachtklubperformerin tanzte eine junge Frau an der Stange. Kindergärtnerin Lai, die nichts Böses gedacht hatte und sich weinend entschuldigte, wurde anderntags gefeuert. Die Empörung war groß.
So grotesk der Einzelfall ist: Viel schlimmer als diese Entgleisung ist die zunehmende Verschulung von Chinas Kindergärten. Viele Pädagogen beklagen das. Sowohl die öffentlichen als auch die privaten Horte drillen ihre Schützlinge auf Wunsch ehrgeiziger Eltern, damit die Kinder als Fitteste in der Grundschule durchstarten können. Im Juli verbot das Erziehungsministerium, aus Kindergärten verkappte Vorschulen zu machen, wo den Kleinen das Umschriftsystem Hanyu Pinyin, Lesen, Rechnen und Englisch eingetrichtert werden. Stattdessen müssten sie mehr spielen dürfen und oft in der Sonne und im Freien sein.
Keine Kinderkrippen
2016 besuchten 44 Millionen Drei- bis Sechsjährige (75 von 100 Kindern), betreut von 2,9 Millionen Erzieherinnen, Chinas 239.000 Kindergärten. Zwei Drittel werden privat betrieben. Staatlich geleitete Horte sind viel billiger, aber so belegt, dass Schwangere noch vor der Geburt ihr Kind anmelden müssen. Dank der Erlaubnis zum Zweit- und wohl bald auch zum Drittkind rechnen Experten, wie Xinhua meldete, nach 2019 mit einem Riesenbedarf an Kitas und Kindergartenpädagoginnen. China hat kein Krippensystem, das Babys bis drei Jahre aufnimmt. Um sie müssen sich die Eltern kümmern, in den meisten Fällen sind es jedoch die Großeltern.