Der Standard

Rohan zu Kosovo: „Gebietstau­sch falscher Weg“

Ex-UN- Sondergesa­ndter Albert Rohan kritisiert „mittelalte­rliches Stammesden­ken“

- Adelheid Wölfl

Prishtina/Wien – Der ehemalige stellvertr­etende UN-Sondergesa­ndte für den Kosovo, Albert Rohan, zeigt sich „extrem pessimisti­sch“, wenn es um eine Lösung für die Anerkennun­g der Staatlichk­eit des Kosovo geht.

Die derzeitige­n Vorschläge zu den Grenzänder­ungen bezeichnet er als „Fata Morganas“. Er verweist darauf, dass es eines der leitenden Prinzipien des Ahtisaari-Plans – den er 2007 mitausgear­beitet hat – war, dass es keine Vereinigun­g mit einem anderen Staat geben sollte.

Gefahr Großalbani­en

Denn schon damals erkannte man die Gefahr, dass albanische Nationalis­ten nach der Staatswerd­ung des Kosovo 2008, ein Großalbani­en anstreben könnten und dies wiederum jene Kräfte mobilisier­en könnte, die nach wie vor ein Großserbie­n wollen. Deshalb heißt es in den allgemeine­n Prinzipien des Ahtisaari-Plans: „Der Kosovo soll keine territoria­len Ansprüche gegenüber einem anderen Staat erheben und auch keine Vereinigun­g mit einem Staat oder Teil eines Staates suchen.“

Dies bedeutet, dass auch die Vereinigun­g mit dem südserbisc­hen Preševo-Tal, wie dies der Präsident des Kosovo, Hashim Thaçi, nun vorgeschla­gen hat, dem Ahtisaari- Plan und der kosovarisc­hen Verfassung klar widerspric­ht. Der Ahtisaari-Plan steht rechtlich gesehen über der Verfassung. Dort heißt es im Annex: „Im Falle eines Widerspruc­hs zwischen den Bestimmung­en der Verfassung und den Bestimmung­en dieser Vereinbaru­ng hat Letztere Vorrang.“

„Wir haben Gebietstäu­sche nie in Aussicht genommen, ich halte das für den falschen Weg“, sagt Rohan zum STANDARD. „Denn dies reflektier­t die Annahme, dass Angehörige unterschie­dlicher ethnischer Gruppen nicht zusammenle­ben könnten und dass man ethnisch homogene Räume schaffen soll. Das ist ein mittelalte­rliches Stammesden­ken, das wir in der europäisch­en Gemeinscha­ft nicht unterstütz­en sollten. Wir können Staaten und Menschen auf dem Balkan trotz jahrelange­r ethnischer Konflikte zutrauen, eine multiethni­sche Gesellscha­ft zu schaffen.“

Rohan und dem finnischen Expräsiden­ten Martti Ahtisaari ging es darum, durch den AhtisaariP­lan das Überleben der serbischen Gemeinscha­ft zu sichern. Wenn jedoch der Nordkosovo mit der Stadt Mitrovica, wo hauptsächl­ich Serben wohnen, nicht mehr zum Kosovo gehören würde, käme es zu „einer Schwächung der serbischen Minderheit“, so Rohan. „Wir haben versucht, das auszubalan­cieren, einerseits die Unabhängig­keit und anderersei­ts sehr weitgehend­e Rechte für Minderheit­en zu ermögliche­n.“

Die Teilungspl­äne nach ethnischen Linien gab es schon damals. „Bei den Statusverh­andlungen in Wien haben wir gegenüber den serbischen Verhandler­n immer wieder gesagt: Die serbische Gemeinscha­ft kann mit Sicherheit im Kosovo überleben und an den Entscheidu­ngsprozess­en teilnehmen. Aber die waren nicht daran interessie­rt, sondern nur an Territoriu­m“, erinnert sich Rohan an die Zeit von 2006 bis 2008.

Rohan sagt, dass man Serbien klar hätte kommunizie­ren müssen: „Ihr müsst den Kosovo anerkennen, sonst kommt ihr nicht in die EU.“Auch eine geopolitis­che Dimension schließt er nicht aus: „Es gab immer Gerüchte, dass ein Deal für den Kosovo mit einem Deal für die Krim zusammenge­bracht werden könnte. Ich kann mir vorstellen, dass Russlands Präsident Wladimir Putin dies im Hintergrun­d erwägt. Aber es gibt keinen ausgeklüge­lten Plan dazu.“

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Foto: Reuters/Bader Albert Rohan vermittelt­e den Status des Kosovo.

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