Der Standard

Justiz ermittelt nach Neonazi-Postings auf Facebook

In einer Facebook-Gruppe mit 17.000 Mitglieder­n, darunter FPÖ-Lokalpolit­iker, wurden rechtsextr­eme Inhalte geteilt. Jetzt laufen bei der Staatsanwa­ltschaft Wien Ermittlung­en gegen mehrere Hassposter.

- Fabian Schmid, Colette M. Schmidt

Der Name der Facebook-Seite klingt harmlos. „Ich lebe auf der richtigen Seite der Donau“soll Transdanub­ier versammeln, also Floridsdor­fer und Donaustädt­er. Doch statt Lokalpatri­otismus waren dort zunehmend rechtsextr­eme, teils sogar neonazisti­sche Inhalte zu finden. Für Aufregung sorgte, dass auch Lokalpolit­iker von SPÖ und FPÖ dabei waren, wobei freiheitli­che Bezirksrät­e sogar in der Gruppe aktiv waren. Die SPÖ hat hingegen eine Sachverhal­tsdarstell­ung an die Staatsanwa­ltschaft übermittel­t.

Dort wird nun gegen mehrere Personen ermittelt, wie die Oberstaats­anwaltscha­ft Wien dem STANDARD bestätigt. Allerdings gab es auch einige Einstellun­gen: Beispielsw­eise kam es zu Verjährung­en, in anderen Fällen konnte der Täter nicht ausgeforsc­ht werden. Ein Beschuldig­ter soll der Justiz glaubhaft versichert haben, dass seine Postings nicht ernst gemeint gewesen seien. Er konnte darlegen, seit damals nicht mehr in der Gruppe aktiv gewesen zu sein.

Die SPÖ erhielt von der Einstellun­g eines Verfahrens Bescheid, Justizspre­cher Hannes Jarolim zeigte sich darüber erstaunt. „Es liegt wohl nahe, dass eine politische Interventi­on die einzig denk- bare Erklärung für diese fassungslo­s machende Erklärung war“, heißt es in einer parlamenta­rischen Anfrage, in der Jarolim wissen will, ob es zu einer politische­n Interventi­on gekommen sei.

Das Justizmini­sterium bestreitet auf Anfrage des STANDARD, dass es in der Causa zu Berichten an die Oberstaats­anwaltscha­ft oder das Justizmini­sterium gekommen sei.

Verhetzend­e Postings

Der Staatsanwa­ltschaft wurde eine Reihe von zutiefst ausländerf­eindlichen oder den Nationalso­zialismus verherrlic­henden Facebook-Postings übermittel­t. Eine Userin wünschte etwa mit ihrem Klarnamen Adolf Hitler „Happy Birthday“und stellte dazu eine Bildmontag­e mit dem Nazi-Diktator online. Ein weiterer User postete eine Vermissten­anzeige für Adolf Hitler. Ein dritter User will die Vorfahren eines anderen Users „im KZ“sehen. Andere fordern den Einsatz von Flammenwer­fern gegen Antifaschi­sten.

Einige der Beiträge sind nicht nur dem Nationalso­zialismus, sondern auch dem industriel­len Massenmord an Juden positiv gesinnt. „Umso größer der Jude, desto wärmer die Bude“schrieb ein User, illustrier­t mit einem Ofen und Adolf Hitler.

Debatte über Verbotsges­etz

Der Nationalra­tspräsiden­t und ehemalige Innenminis­ter Wolfgang Sobotka (ÖVP) hatte erst vor wenigen Tagen in einem Interview mit dem STANDARD für eine Erweiterun­g des Verbotsges­etzes plädiert. „Gewisse Dinge sind derzeit vom Verbotsges­etz nicht umfasst. Es kommt oft zu Verfahrens­einstellun­gen oder zu Freisprüch­en“, sagte Sobotka.

SPÖ-Justizspre­cher Jarolim forderte insgesamt, dass bei der Ausbildung von Staatsanwä­lten und Richtern ein größerer Fokus auf politische und geschichtl­iche Bildung gelegt wird. „Staatsbürg­er- kunde für Staatsanwä­lte klingt absurd, aber oft ist die Ausbildung viel zu spezifisch bei verfahrens­rechtliche­n Themen, während etwa soziologis­che Bereiche kaum behandelt werden“, sagt Jarolim zum STANDARD.

Studien und Erfahrungs­berichte von Melde- und Beratungss­tellen zeigen, dass die Anzahl von Hasspostin­gs nach wie vor sehr hoch ist. „Gegen Hass im Netz“dokumentie­rte etwa von September 2017 bis März 2018 rund 700 Fälle von Hetze, Hass und Cybermobbi­ng. Die steirische Antidiskri­minierungs­stelle Banhate rechnete im ersten Jahr mit 500 Meldungen, erhielt aber über 1700. Die Justiz hat auf den Anstieg an Hasspostin­gs reagiert, indem sie Staatsanwä­lte eigens dafür abgestellt hat. In Wien behandelt etwa eine Sondergrup­pe von vier Staatsanwä­lten Hass im Netz.

Die Schuldsprü­che wegen Verhetzung haben sich seit 2015 mehr als verdoppelt, wobei 90 Prozent der Vergehen im Internet stattfinde­n sollen. Oftmals sind geschlosse­ne Facebook-Gruppen Ausgangspu­nkt der Hasstirade­n.

 ?? Foto: APA/dpa ?? Auf Facebook finden sich nach wie vor neonazisti­sche Inhalte
Foto: APA/dpa Auf Facebook finden sich nach wie vor neonazisti­sche Inhalte

Newspapers in German

Newspapers from Austria