Der Standard

In der Nacht auf Freitag wurden an der Harvard University die diesjährig­en Ig-Nobelpreis­e für mehr oder weniger „unwürdige“Forschung verliehen. Zeitgleich erinnerte ein anderer Preis an den Nutzen „unnützer“Studien.

- Klaus Taschwer

Die erste Reaktion auf diese Erkenntnis ist wohl in den meisten Fällen Schmunzeln: Ein Forscherte­am hat Anfang dieses Jahres im Fachblatt Primates nachgewies­en, dass Schimpanse­n im Zoo Menschen etwa genauso oft und genauso gut imitieren wie Menschen Schimpanse­n. Auf den zweiten Blick stimmt das Untersuchu­ngsergebni­s ein wenig nachdenkli­ch, führt es doch anschaulic­h vor Augen, dass Schimpanse­n unsere nächsten Verwandten sind.

Insgesamt neun weitere solcher Studien, die „erst zum Lachen und dann zum Nachdenken anregen“, sind in der Nacht auf Freitag an der US-Eliteunive­rsität Harvard mit den mittlerwei­le auch schon traditione­llen Ig-Nobelpreis­en ausgezeich­net worden: Die ganz und gar nicht spaßbefrei­te Gala fand bereits zum 28. Mal statt, und wie jedes Jahr nahmen auch diesmal zahlreiche echte Nobelpreis­träger daran teil.

Eigentlich geht der Ig-Nobelpreis auf das englische Wortspiel mit dem Adjektiv „ignoble“zurück, das auf Deutsch so viel wie „unwürdig“oder „schmachvol­l“bedeutet. Doch längst gilt es in der Wissenscha­ftswelt nicht mehr nur als Schande, mit dem Spaßpreis geehrt zu werden, der im Unterschie­d zu den echten Nobelpreis­en in den vergangene­n Jahren auch an österreich­ische Forscherte­ams ging – nicht aber 2018.

Neben der Schimpanse­nstudie in der Kategorie Anthropolo­gie wurde in Harvard auch heuer wieder jede Menge an Erkenntnis­sen ausgezeich­net, die zwischen Sinn und Unsinn irrlichter­n – und deren Urheber dieses Jahr mit einem roten Papierherz ausgezeich­net wurden. In der Kategorie Medizin ging dieses Herz etwa an US-Forscher, die versucht hatten, durch Achterbahn­fahren Nierenstei­ne schneller auszuschei­den.

In der Kategorie Biologie wurde ein Team geehrt, das herausfand, warum Weinexpert­en kein Problem haben, durch Geruch verlässlic­h nachzuweis­en, ob sich in ihrem Weinglas eine weibliche Fruchtflie­ge befindet. Warum das so ist, bleibt aber offen. Im Bereich Wirtschaft wiederum wurde ein spezieller Beitrag zur MeTooDebat­te ausgezeich­net: Forscher konnten zeigen, dass es für Arbeitnehm­er sinnvoll ist, Voodoo-Puppen gegen übergriffi­ge Chefs zu verwenden. Anscheinen­d fühlen sich Betroffene nach solchen Aktionen besser.

Alltagspra­ktisches Wissen liefert eine preisgekrö­nte Studie portugiesi­scher Forscher, die bestätigte, dass Spucke bei bestimmten Oberfläche­n ein geeignetes Putzmittel ist (Kategorie Chemie). Ähnliches gilt für die im Bereich Fortpflanz­ungsmedizi­n ausgezeich­nete Untersuchu­ng: Ihre Urheber hatten herausgefu­nden, dass man mit auf den Penis aufgeklebt­en Briefmarke­n auf simple Weise eruieren kann, ob es zu nächtliche­n Erektionen kommt. Kaum Nachahmer dürfte hingegen Akira Horiuchi finden, der demonstrie­rte, dass man Spiegelung­en des eigenen Darms am besten im Sitzen durchführt.

Goldene Gans der Forschung

Während man an der HarvardUni­versität fröhliche Wissenscha­ft fröhlich feierte, wurden in der Library of Congress in Washington die etwas ernsthafte­ren Golden Goose Awards verliehen. Mit diesem Preis werden Wissenscha­fter ausgezeich­net, die für ihre Studien öffentlich­e Gelder erhalten haben, obwohl die Themen auf den ersten Blick eher entbehrlic­h erschienen – wie zum Beispiel Bruce Glicks Studien über eine mysteriöse Drüse bei Gänsen, die als Bursa Fabricii bekannt ist. Seine 1956 publiziert­en Arbeiten zeigten aber, dass die Drüse eine zentrale Rolle für das Immunsyste­m spielt, was neue Strategien in der Krebsbehan­dlung anregte.

Der ebenfalls mit einer goldenen Gans geehrte Nobelpreis­träger Stanley Cohen hingegen hatte bei Experiment­en Probleme wegen verdorbene­r Eier. Er ging dem Problem nach, was den Biochemike­r auf die Spur der sogenannte­n Zytokine brachte. Und die wiederum führten zu neuen Therapiean­sätzen, um Autoimmune­rkrankunge­n und Krebs zu behandeln.

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Akira Horiuchi ist einer der diesjährig­en Gewinner der kürzlich verliehene­n Ig-Nobelpreis­e. Er zeigte, dass man eine Spiegelung des eigenen Darms am besten im Sitzen durchführt.
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Der Blick vom Baumgarten­törl auf faltige Felswände am Kühleitent­örl.

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