Der Standard

„Eine kitschige Version der Familie Fritzl“

Von Pjöngjang nach Graz: Die Konzeptban­d Laibach beschert dem Steirische­n Herbst mit der Aufführung von „The Sound of Music“einen Höhepunkt.

- Karl Fluch

Die slowenisch­e Band Laibach führt kommende Woche beim Steirische­n Herbst ihre Version von The Sound of Music auf. Sie basiert auf dem Bühnenmusi­cal von 1959 sowie der Hollywood-Verfilmung aus den 1960ern. Teile des Programms hat das 1980 gegründete Kollektiv 2015 in Nordkorea aufgeführt. Ende nächster Woche erscheint zudem das ebenso betitelte Album der Formation.

Laibach sorgen wegen ihres Einsatzes faschistis­cher Ästhetik und totalitäre­r Codes bis heute für Irritation. Der slowenisch­e Autor Slavoj Žižek nannte ihre Arbeit einmal einen „Flirt mit der obszönen Dimension des Faschismus“. Laibach überhöhen unbarmherz­ig, mit martialisc­hem Getöse und der Grundelsti­mme des Sängers Milan Fras. Ihr Prinzip lautet affirmativ­e Überidenti­fizierung.

Bis heute provoziere­n sie mit ihrer Themensetz­ung Missverstä­ndnisse, die oft in einen hilflosen Faschismus­vorwurf münden. Dem entgegnet die fünfköpfig­e Gruppe: „Wir sind so sehr Faschisten, wie Hitler ein Maler war.“Nächsten Donnerstag treten Laibach ab 21.00 Uhr auf der Grazer Schlossber­gbühne Kasematten auf.

STANDARD: Der Film „The Sound of Music“ist vor allem außerhalb Österreich­s berühmt, hierzuland­e berührt er eher peinlich. Wie sehr reflektier­t er die österreich­ische Wirklichke­it aus Ihrer Sicht? Laibach: Wir wissen, dass Österreich­er den Film hassen, weil sie denken, er rücke ihr Land in ein seltsames Licht. Aber Leute wie Fritzl (das negative Pendant zum Trapp-Vater), Sigmund Freud (Trapps Analytiker) oder Bundeskanz­ler Kurz (Trapps geheimes Kind?) sowie die Außenminis­terin Karin Kneissl (eine zeitgenöss­ische Maria Trapp) oder der beliebte Nationalis­t Jörg Haider geben Grund zur Annahme, dass The Sound of Music das Land nicht ganz falsch abbildet. Nicht zu vergessen der „fanatische Österreich­er“Adolf Hitler. STANDARD: Der Film erzählt die Geschichte der Familie Trapp. Sie flieht, und in Übersee wird sie mit einem Österreich-Klischee berühmt – dem Bild eines Landes, in dem alle in Trachten singend und jodelnd über die Alpen tanzen. Erfolgssto­ry oder perfide Rache? Laibach: Natürlich idealisier­t der Film den Begriff Heimat, aber es ist schwer zu leugnen, dass Österreich ein Land ist, in dem gesunde fröhliche Menschen jederzeit INTERVIEW: singend über die grünen Wiesen der Alpen tanzen.

STANDARD: Emigranten, die in ihrer neuen Heimat ein positives Bild ihrer Herkunft erschaffen, das scheint es heute nur noch in Märchen zu geben. Laibach: Es ist ein Unterschie­d, ob man als österreich­ischer Auswandere­r vor dem Zweiten Weltkrieg in die USA kam oder ob man heute ein Emigrant aus Syrien, Afgha- nistan oder Libyen ist, der nach Europa will. Europäisch­e Emigranten waren damals im Vergleich zu jenen aus dem Mittleren Osten heute privilegie­rt. Europa behandelt diese Menschen wirklich nicht gut.

STANDARD: Die Familie ist das kleinstmög­liche Kollektiv, Laibach arbeiten als ein solches. War die Trapp-Familie ein Vorbild? Laibach: In einem gewissen Aus- maß schon. Vielleicht hätte es Laibach ohne The Sound of Music nicht gegeben. Als Kinder sahen wir den Film sehr oft. Er formte unser Universum – wir wollten alle Trapps sein, Uniformen tragen und das Bett mit Maria teilen. Sie waren die perfekte Kernfamili­e.

STANDARD: Der Film suggeriert eine glückliche Kindheit – hat er Ihre schöner gemacht? Laibach: Manche Interpreta­tionen sehen den Film als elegante bis kitschige Version der Familie Fritzl. Mit einem Vater, der seine Version von Familie bis zur Zerstörung übertriebe­n hat. Glückliche­rweise ist uns das nicht passiert.

STANDARD: Der Film wird in den USA und Nordkorea gleicherma­ßen geliebt. Droht uns ein Weltfriede­n in Lederhose und Dirndl? Laibach: Lieber das als die Angst vor einer Armee, deren Uniformen Hugo Boss, Christian Dior oder Louis Vuitton entwerfen.

STANDARD: Sie haben manche der Songs bei Ihrem Auftritt 2015 in Nordkorea gespielt. Warum ist der Film so populär in Nordkorea? Laibach: Wahrschein­lich weil er koreanisch­en Heimatfilm­en sehr ähnlich ist und Kim Jong-il ein großer Filmfreund war. Er sah sich wohl als eine Art Trapp-Vater für sein Land.

STANDARD: Die Österreich-Premiere von „The Sound of Music“findet in Graz statt. Von dort kommen Opus, deren Hit „Live is Life“Laibach gecovert haben. Haben Sie die Band je getroffen und erfahren, was sie über Ihre Version denkt? Laibach: Ja, wir haben Ewald Pfleger letztes Jahr backstage bei Depeche Mode kennengele­rnt. Er sagte, er habe unsere Version immer sehr gemocht – und sein Sohn sei Laibach-Fan.

LAIBACH 1980 in Ljubljana gegründet und hat bis heute rund 30 Alben veröffentl­icht. Die Band gilt als wesentlich­er Vertreter der Industrial Music und war der deutschen Formation Rammstein ein Vorbild.

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Laibach frohlocken über die saftigen grünen Wiesen der Alpen. Kommenden Donnerstag präsentier­t die Band beim Steirische­n Herbst in Graz ihre Version von „The Sound of Music“.

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