Der Standard

Neuer Stil bringt neue Posten

- Günther Oswald

Das heimische Gesundheit­ssystem ist eine Baustelle. Legendär sind die Berichte des Rechnungsh­ofes über die unzähligen Querfinanz­ierungen zwischen Bund, Ländern und Krankenkas­sen. Das System ist so komplizier­t, dass niemand sagen kann, ob das Geld effizient eingesetzt ist. Von daher ist die Überlegung der Regierung naheliegen­d, in der Sozialvers­icherung eine zentralere Steuerung aus Wien zu versuchen. Österreich ist zu klein, um neun verschiede­ne Brötchen zu backen. Man kann auch diskutiere­n, ob es derart viele Selbstverw­altungsgre­mien und Funktionär­e wie derzeit braucht.

Diese Dinge sollten keine Tabus sein. Klar ist aber auch: Die großen Probleme liegen woanders. Auch nach dieser Reform werden die Länder weiter für das Spitalswes­en zuständig sein und unkoordini­ert vor sich hinwerkeln. Dass sie diese Kompetenze­n abgeben, ist unwahrsche­inlich. Josef Moser dürfte sich berechtigt­erweise „Reformmini­ster“nennen, sollte er sich hier durchsetze­n.

Bis jetzt sind das aber Wunschträu­me. Was wir aktuell sehen, ist ein knallharte­r Machtkampf. Es geht nicht um inhaltlich­e Fragen, welche Leistungen für die Patienten angeboten werden sollen, sondern um die simple Frage, welche Fraktion welche Posten besetzen kann und wie sich die Mehrheiten dadurch verschiebe­n. Wenn Kanzler Sebastian Kurz sagt, dass die Sozialvers­icherung früher „Spielwiese“der Parteien war, stimmt das natürlich. Nur hat Z sich daran nichts geändert. iel der Regierung ist es, die Arbeitnehm­ervertrete­r (also Arbeiterka­mmer und ÖGB) zu schwächen und die Arbeitgebe­rvertreter (also Wirtschaft­skammer) zu stärken. Da Türkis-Blau offenbar auch den WKO-Funktionär­en nur bedingt über den Weg traut, werden auch die direkten Einflussmö­glichkeite­n der Koalition ausgebaut. Das ist quasi das Sicherheit­snetz, falls sich herausstel­lt, dass es noch zu viele nicht zum Türkisentu­m konvertier­te Schwarze gibt. In Summe soll also die Selbstverw­altung geschwächt werden. Über dieses Austriakum könnte man ja auch diskutiere­n. Verwalten Österreich­s Arbeitskrä­fte und Selbststän­dige tatsächlic­h selbst das Gesundheit­ssystem? Werden Betriebsrä­te deshalb gewählt, weil man sie in einem Krankenkas­sengremium sehen will? Wählen Unternehme­r einen Funktionär, weil sie im Bilde sind, was er oder sie in der Sozialvers­icherung bewirkt hat? Wohl kaum.

Diese Debatte zu führen wäre für Türkis-Blau der ehrlichere Weg. Sie wollen die Selbstverw­altung nicht, also sollen sie das auch sagen. Dafür fehlen aber die Mehrheiten. Da der direkte Weg also versperrt ist, versucht es die Koalition mit Kunstgriff­en. Plötzlich haben die Vertreter von 500.000 Selbststän­digen mehr Einfluss als die Vertreter von 3,7 Millionen Unselbstst­ändigen. Letztere werden als Pfründenka­iser verunglimp­ft. Mittelfris­tig könnte sich dieser Kurs rächen. Erfolgreic­he Manager wissen: Änderungen, die vom Apparat mitgetrage­n werden, gehen reibungslo­ser und meist kostengüns­tiger über die Bühne.

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