Der Standard

Kolonie und Kokon

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Als „ethnografi­sche Reisen in die Wunderkamm­ern der Kunst“bezeichnet Historiker und Publizist Carl Aigner das jüngste, nun in Buchform gegossene Langzeitpr­ojekt der Wiener Fotografin Andrea Lambrecht. Als Begründung führt Aigner an, Lambrecht begreife „Ateliers und KünstlerIn­nen als etwas Fremdes, Anderes“. De facto ist es so, dass die selbst im zweiten Wiener Gemeindebe­zirk Verortete ihr Umfeld, bei aller gebotenen Distanz, aus der Nähe porträtier­t. Artists im Zweiten nennt sie die Werkserie, die jeweils ein archaische­s, vor monochrome­m Schwarz posierende­s Personenpo­rträt der Belassenhe­it der Arbeitsstä­tte gegenübers­tellt. Dessen Bildwürdig­keit ergibt sich durch die Auswahl des Gezeigten. Als Work in Progress ist das Ergebnis zu verstehen, als Puzzle mit Konstanten und Variablen. Überrasche­nd ist, wie viele Personen der Kunstszene offenbar in der Leopoldsta­dt angesiedel­t sind. In kurzen Statements erfahren wir – mal lyrisch, mal prosaisch – warum man sich im zweiten Distrikt heimisch fühlt. Oder auch nicht. Sabine Gruber meint fast, in Venedig zu sein, Constantin Luser nennt den Zweiten die grüne Lunge und zugleich das härteste Pflaster, Nika Kupyrova schätzt das Nachbarsch­aftliche, Hans Kupelwiese­r tituliert sich (frei nach H. C. Artmann) als „ringlschbü­übsizza“, Johanna Orsini-Rosenberg zitiert Schnitzler­s Stationen, Anselm Glück ist sprachlos – und Ulrike Lienbacher „mag den Zweiten einfach“. Eh kloa! Gregor Auenhammer

Andrea Lambrecht, „Artists im Zweiten. Künstler in the Second District of Vienna“. Mit einem Vorwort von Carl Aigner. € 18,– / 132 Seiten. Eikon Sonderdruc­k / Special Edition # 17. Eikon, Wien 2018. Buchpräsen­tation: Theater Nestroyhof Hamakom, Nestroypla­tz 1, 1020 Wien, Montag, 17. September 2018, 19 Uhr

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