Minimale Größe für Miniwohnungen
Wien schreibt vor, wie groß eine Wohnung mindestens sein muss. In vielen anderen Städten gibt es solche Regeln nicht. Fest steht: Wohnraum wird kleiner. Doch auch auf wenig Platz kann man glücklich werden, wenn das Rundherum stimmt, sagt eine Psychologin.
Leben auf weniger Raum ist der Plan für die Zukunft, das ist auch in der Bauordnung der Stadt Wien so vorgesehen. Wie berichtet, sieht deren geplante Novelle vor, die Mindestgröße von Wohnungen von 30 auf 25 Quadratmeter zu reduzieren. Bauträgersprecher Hans Jörg Ulreich sieht darin „eine längst überfällige Nachjustierung“. Angesichts kleiner werdender Haushaltsgröße und steigender Grundkosten sei Wien hier „lange den anderen Metropolen hinterhergehinkt“.
Doch wie verhält es sich tatsächlich in anderen Metropolen mit den Vorschriften bezüglich Wohnungsgröße? In einer der begehrtesten Städte der Welt, New York City, wurde die Vorschrift zur Mindestgröße im Jahr 2016 gelockert. Bis dahin mussten Wohnungen mindestens 400 Quadratfuß, also 37 Quadratmeter groß sein, seither gibt es Ausnahmen. Etwa das vor zwei Jahren eröffnete Micro-Apartment-Haus Carmel Place an der Adresse East 27th Street. Der Run auf die 55 Kleinstwohnungen zwischen 23 und 25 Quadratmeter um umgerechnet je 850 Euro monatlich war groß – insgesamt 60.000 Bewerbungen gingen dafür ein.
37 – diese Zahl kennt man auch in London. Denn dort gilt die Regel noch. Wohnungen müssen mindestens 37 Quadratmeter groß sein. Eine weitere Zahl kommt aus Südtirol. 28 Quadratmeter muss in Bozen eine Wohnung mindestens haben, bestätigt der dort ansässige Architekt Manuel Benedikter. Im übrigen deutschsprachigen Raum, etwa in Zürich, München, Berlin, Köln, Hamburg oder Graz, gibt es keine Vorgaben zur Mindestgröße einer Wohnung.
Erste Vorgabe aus 1897
Wien steht damit fast allein da. Und das nicht erst in jüngster Zeit. Bereits die anlässlich des 50. Regierungsjubiläums des Kaisers gegründete Kaiser Franz Josef I. Jubiläums-Stiftung für Volkswohnungen und Wohlfahrtseinrichtungen schrieb 1897 einen Architekturwettbewerb aus, um eine Lösung für Musterhäuser mit Arbeiterwohnungen zur künftigen Massenproduktion zu finden, und schrieb dafür vor: „Bezüglich der Minimalausmaße wird bestimmt, dass bei einer Wohnung, welche nur aus Zimmer und Küche besteht, letztere mindestens acht m² und das Zimmer nicht unter 20 m² Fläche erhalten soll“, schreiben Wolfgang Hösl und Gottfried Pirhofer in ihrem Buch Wohnen in Wien 1848–1938.
Sinnvolle Vorgaben
„Vorgegebene Mindestgrößen können auf jeden Fall sinnvoll sein“, sagt die Architekturpsychologin Christina Kelz-Flitsch. Prinzipiell könne man auch auf 15 Quadratmetern, wie etwa in Hongkong üblich, leben – Mindestgrößen gibt es dort freilich nicht. Zum Ausgleich brauche es dann Freiflächen, Gemeinschaftsräume und eine gute Einteilung der Räumlichkeiten. „Man kann leider nicht davon ausgehen, dass diese zusätzlichen Flächen von den Bauträgern ohne Vorschriften umgesetzt werden.“
Ökologisch gesehen sei es jedenfalls sinnvoll, die Quadratmeterzahl pro Person zu reduzieren. „Je nach Lebenslage, Alter und Bedürfnissen kann eine Einzelperson sich auch in einer 25 Quadratmeter großen Wohnung wohlfühlen, wie es sie in Wien zukünftig geben wird“, so Kelz. Problematisch sei lediglich, wenn der Grundriss der Wohnung ungünstig ist, Ausweichmöglichkeiten fehlen, oder wenn viele dieser kleinen Wohnungen dicht an dicht nebeneinanderliegen. „Fehlen Rückzugsmöglichkeiten, steigt das Aggressionspotenzial und man wird öfter krank.“