Der alte Stan und das Meer
„Dick und Doof“hießen Stan Laurel und Oliver Hardy in der deutschen Übersetzung. Jetzt hat der erfolgreiche irische Krimiautor John Connolly eine kluge un nd schmerzhaft empathische Biografie über Stan Laurel geschrieben.
Im Ocean Apartment Hotel in Santa Monica sinniert ein alter Mann über das, was war, was sein Leben ausgemacht hat, was sein Leben hier im Hotel enden ließ, dabei ist er nicht einmal wirklich alt, etwas über 70, er ist nur erschöpft, ausgelaugt, sein Leben kommt ihm spürbar abhanden, sein Ich beginnt sich aufzulösen, er verschwindet, nichts bleibt, „Erinnerungen sind Schneeflocken, die tanzend seinen Weg kreuzen. Im Augenblick des Kontakts zerschmelzen sie in seiner Hand, und ihm bleibt nur das Frösteln des Verlusts.“Der Mann, der da wie eine Hülle seines fröstelnden Selbst aus dem Fenster aufs Meer starrt, ist Arthur Stanley Jefferson, besser bekannt unter seinem späteren Namen Stan Laurel, er spürt, wie er, „wie alle alten Männer, Nebendarsteller im Leben anderer werden muss“.
Der erfolgreiche irische Krimiautor John Connolly, hat über Laurel eine Biografie geschrieben, wie es sie, auch von der Form her, wohl kein zweites Mal gibt, sie ist klug, schmerzhaft empathisch, sie macht sprachlos, sie ist komisch, man ist zu Tränen gerührt, weil Connolly nicht nur auf das vorsätzlich denkfaule und hilflose Attribut „Doof“verzichtet, das man Stan Laurel im deutschsprachigen Raum für seine Filme mit Oliver Hardy („Dick“) angeheftet hat, sondern beim filmische OEuvre kaum nennenswert ins Detail gegangen ist, weil die zahllosen Filme schon woanders ausreichend und gut dokumentiert sind, und das macht das Lesevergnügen auch für jene attraktiv, die mit den Filmen der beiden nicht viel anfangen können. Man kennt die beiden scheinbar ungleichen, wiewohl symbiotischen Komiker mit den zu engen Anzügen und zu kleinen Melonen, hat sofort ein Bild von ihnen vor sich, wem welche Rolle auf den beredten Leib geschrieben ist, in der Regel von Stan selbst. Das alles muss man nicht noch einmal gesagt bekommen, das Haushaltsgegenständliche an ihnen kann vorausgesetzt werden.
Marginal die Erfolge
Connolly interessiert, wie sie wurden, was sie waren, marginal nur der Ruhm, die Erfolge, die Konkurrenz, die Veränderungen durch den Tonfilm, die Schwierigkeiten der auf Kurzfilme konditionierten Komiker mit dem Langfilm, sondern eher, was die beiden, insbesondere Stan Laurel, antrieb, aber auch, was ihn sukzessive zerrieb. „Es liegt in der Natur aller Ereignisse, dass Einfaches unausweichlich kompliziert wird, sobald er darin verwickelt ist. Er hat, wie Babe (so Oliver Hardys Spitzname), das Gefühl, dass die Rolle, die er spielt, ihn infiziert hat.“Aber gerade hier liegt auch
die Crux des Unausweichlichen vor einem, dass das EinÜberschaubare mehrfach ierbar ist und konnotiert kann, wenn an diesem n zu viele Personen beteidie Umstände plötzlich ichtlich werden, sodass agonisten am Ende hilflos n ihrer Ratlosigkeit alleinwerden. Wenn zu viel an ezerrt wird, was bleibt ch übrig? Der Wunsch, bei nur aus dem Fenster zu und das Meer zu sehen ht allein zu sein, es könnfach sein. esem Weg zum Allereinging so viel kaputt, wurhässlich, und alles wurde chaubar, wenn Stan noch nmal dahinterkommt, ob rnd die falschen Frauen oder sie dauernd den falann. Und seine, aber auch Ehen sind eine Kette von phen, allein Laurel ist achtheiratet, und es endet imerart hässlichen Betrügereitereien und Forderunin Verträgen für neue Filalb auch immer eine Moel vorkam, dass er sich u verlieben, nicht fremdder sich scheiden lassen eil das den Finanzplan gekönnte. l macht sich Stan Gedanden Worten des Autors, ne treueste Beziehung, der , „seiner Ansicht nach könnte es Mark Twain gewesen sein, der sagte, dass sich Geschichte nicht wiederhole, aber reime. So ist das auch mit ihm und Babe. Sie reimen sich. Sie bilden Verspaare aus ihren Erfahrungen. Sie formen dissonante Strophen aus den Frauen in ihrem Leben.“
Man bekommt den Eindruck, dass sie, gerade weil sie sich haben und so aneinander gebunden sind, paradoxerweise allein sind, ohne allein zu sein, sie sich aufeinander verlassen können, einander vertrauen müssen, sozusagen demütig selbstbewusst bleiben, weil sie ohne den anderen unsichtbar sind. Das ist auch der Grund, weshalb sie sich etwa im Laufe ihrer Karriere niemals gestritten haben, ahnend, dass das eine Art Gefährdung ihrer fragilen Symbiose wäre, und Laurel einmal ganz entsetzt war, als ihm sein jüngerer Bewunderer Jerry Lewis, dessen Filme er banal fand, davon berichtet, dass sich Dean Martin und er zeitweise richtig verachtet und gehasst haben.
Bei Laurel und Hardy kam das nicht vor, die einzig dezente Dissonanz war, als Hardy sich über seinen verschwitzten Pony beschwerte, den er sich in die Stirn zu kämmen hatte, und Laurel anmerkte, das könne man nicht verändern, so etwas sei eben sein Markenzeichen. Babes Wunsch: „Wären wir äußerlich nicht so verschieden, könnte jeder von uns ins Leben des anderen treten, und wir könnten uns gegenseitig eine Pause verschaffen“, ist natürlich doppelt illusorisch, weil auf der anderen Seite, nahezu gespiegelt, die gleichen pausenlosen Kümmernisse, Ängste, Sorgen, Fluchtversuche lauern. Denn auch in dem Punkt reimen sie sich und verdrängen letztlich den einen Punkt, an dem das Unausweichliche eintreten wird, wenn nämlich der eine vor dem anderen abtritt. Nach dem Tod Oliver Hardys wird Stan Laurel nie mehr einen Film drehen, sondern bis zu seinem eigenen Tod, acht Jahre später, Dialoge für Babe und sich schreiben.
„Träum nicht, dass du wach wärst, um dann beim Aufwachen festzustellen, dass du schläfst“, sagt Stan zu Babe ganz am Ende, als die Stille bereits zu laut geworden ist. Stan bleibt dann nur noch der Blick aus dem Fenster des Ocean Apartment Hotel in Santa Monica, aufs ewige Meer und die brüchigen Erinnerungsschmetterlinge. „Wenn die letzte Erinnerung von hinnen geht, wird auch er es tun. Tote können sich nicht mehr erinnern.“Dieses Buch kann es.