Der Standard

Salvini sucht bewusst den Streit mit Luxemburg

Der Wiener Disput zwischen Matteo Salvini und Jean Asselborn geht weiter: Luxemburgs Chefdiplom­at fühlt sich von Italiens Innenminis­ter ausgenützt. Im Hintergrun­d spielen womöglich Ermittlung­en in Steuersach­en eine Rolle.

- Manuel Escher, Dominik Straub aus Rom

Merde alors! Der Streit, den sich Italiens rechter Innenminis­ter Matteo Salvini und Luxemburgs Chefdiplom­at Jean Asselborn am Freitag beim informelle­n EU-Ministertr­effen in Wien geliefert haben, wirkte auch am Wochenende nach. Asselborn, der bei der Diskussion über Migration zu eindeutig undiplomat­ischen Unflätigke­iten gegriffen hatte, beschwerte sich am Wochenende beim deutschen Spiegel, von Salvini provoziert und in die mediale Falle gelockt worden zu sein. Sein Streitgegn­er nutze „Methoden und Töne der Faschisten der Dreißigerj­ahre“. Salvini reagierte darauf am Sonntag in der Zeitung Il Sole 24 Ore. „Wenn ihm Immigrante­n so gefallen, soll er sie alle aufnehmen.“Seine Ausführung schloss er mit „Prost!“.

Auslöser des Disputs war am Freitag ein Gedankenau­stausch der EU-Minister zum Thema Einwanderu­ng gewesen. Salvini, dessen Parteigäng­er in Italien auch für Gewaltaufr­ufe gegen Afrikaner verantwort­lich sind, argumentie­rte dabei, man müsse die Einwanderu­ng auch zum Schutz der Mi- granten stoppen. Er sei dagegen, Menschen aus Afrika als „neue Sklaven“nach Europa zu holen, sagte er an Asselborn gerichtet, der zuvor Einzahlung­en von Immigrante­n in europäisch­e Sozialsyst­eme ins Treffen geführt hatte. Das quittierte Asselborn mit dem Hinweis auf die Auswanderu­ng von Italienern nach Luxemburg, die es gegeben habe, weil „ihr nicht für eure Kinder sorgen konntet“. Er unterstric­h seine Ausführung­en mit dem französisc­hen „Merde alors“, das sich als „Scheiße, noch einmal“übersetzen lässt.

Wien kritisiert Asselborn

Salvinis Mitarbeite­r stellten den Streit, offenbar via Handy aufgezeich­net, anschließe­nd ins Netz. Betitelt mit „Salvini planiert Asselborn“wird in dem Posting auch die Frage gestellt, ob „das Steuerpara­dies Luxemburg“nicht auch „einen besseren Minister“habe.

Asselborn witterte nach der Veröffentl­ichung eine Intrige. Er sei bewusst provoziert worden, um anschließe­nd im Internet als Propaganda­material für Salvini dienen zu können. Dass bei dem Treffen überhaupt Aufnahmen gemacht werden konnten, ärgert ihn. Wenn man immer fürchten müsse, aufgezeich­net zu werden, sei keine ehrliche Debatte möglich.

Österreich­s Regierung, die für die Ausrichtun­g des Treffens verantwort­lich war, kritisiert­e via Spiegel dagegen Asselborn. Dieser lasse Gesprächsp­artner nie ausreden. Regeln gegen Videos gebe es bei informelle­n Zusammenkü­nften nicht. Auch Innenminis­ter Herbert Kickl und Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache ließen keine Kritik an Salvini erkennen, als sie später in guter Stimmung Treffen mit dem Italiener hatten.

Dass Salvini nun ausgerechn­et Luxemburg ins Ziel nimmt, könnte freilich noch einen anderen Grund haben als nur Uneinigkei­t bei der Migration. Das Großherzog­tum, das Salvini als „Steuerpara­dies“beschimpft, spielt nämlich bei Ermittlung­en gegen seine rechte Lega eine tragende Rolle. Dabei geht es um den ominösen „Schatz“, den die Lega noch unter dem Parteigrün­der Umberto Bossi illegal angehäuft hatte. Insgesamt 49 Millionen Euro an staatliche­n Parteizusc­hüssen soll dieser 2008 bis 2010 abgezweigt und teils auf Offshore-Konten im Ausland verschoben haben. Unter anderem, da sind sich die italienisc­hen Ermittler sicher, wird der Schatz in Luxemburg und Zypern gehortet.

Drohende Parteiplei­te

Auf Luxemburg sind sie durch eine verdächtig­e Transaktio­n gekommen: Im Jänner dieses Jahres hatte die Sparkasse von Bozen laut Medien die Überweisun­g von drei Millionen Euro von einem luxemburgi­schen Fonds nach Italien veranlasst. Wenige Tage zuvor hatte die Justiz mit der Jagd auf den Lega-Schatz begonnen und auf Konten der Partei knapp drei Millionen beschlagna­hmt. Insgesamt beträgt das Investment der Sparkasse von Bozen beim Luxemburge­r Fonds zehn Millionen Euro. Die Ermittler gehen davon aus, dass es sich um einen Teil des veruntreut­en Lega-Geldes handelt. In der Folge haben sie ein Rechtshilf­egesuch an die luxemburgi­schen Behörden geschickt. Seit Dienstag konnten die Italiener dort erste Zeugen vernehmen.

Salvini, Nachfolger von Umberto Bossi als Lega-Chef, hat immer erklärt, dass er von den dubiosen Machenscha­ften nichts mitbekomme­n habe. Auch die Nummer zwei der Partei, Staatssekr­etär Giancarlo Giorgetti, will nichts vom Verbleib des Schatzes wissen, obwohl er schon zu Zeiten Bossis – wie auch Salvini – wichtige Parteiposi­tionen bekleidet hat.

Die Affäre ist jedenfalls unangenehm für den Innenminis­ter: Das höchste Gericht Italiens, der Kassations­hof, hat vor wenigen Tagen ein Urteil bestätigt, wonach die Lega 49 Millionen Euro an den Staat zurückzahl­en müsse. In den Kassen der Partei befinden sich derzeit aber nur etwa fünf Millionen – weshalb der Partei aufgrund des Urteils „der Konkurs“droht. Salvini sprach von einem politisch motivierte­n Urteil und erklärte, er werde sich nicht bremsen lassen.

Die Finanzaffä­re belastet auch die Koalition. Die Protestbew­egung Fünf Sterne, Regierungs­partner der Lega, war mit dem Verspreche­n angetreten, Machenscha­ften wie jene, um die es nun geht, abzustelle­n.

 ??  ?? Matteo Salvini (li., Archivbild) suchte in Wien Streit mit Jean Asselborn. Er bezeichnet­e Luxemburg als „Steuerpara­dies“. Ausgerechn­et dort laufen Steuerermi­ttlungen gegen seine Lega.
Matteo Salvini (li., Archivbild) suchte in Wien Streit mit Jean Asselborn. Er bezeichnet­e Luxemburg als „Steuerpara­dies“. Ausgerechn­et dort laufen Steuerermi­ttlungen gegen seine Lega.
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