Der Standard

Die CSU stemmt sich gegen den Absturz

Vier Wochen vor der bayerische­n Landtagswa­hl liegt die CSU bei desaströse­n 35 Prozent. Auf den letzten Metern vor dem 14. Oktober soll Härte gegen die AfD die Wende bringen.

- Birgit Baumann aus Berlin

Der Tonfall ist ungewöhnli­ch. Markus Söder, Ministerpr­äsident von Bayern und CSU-Spitzenkan­didat für die Wahl, bittet inständig. Er bettelt fast, als er am Samstag beim Parteitag in München, an die CSUDelegie­rten appelliert: „Alle sind gegen uns! Die Einzigen, die uns unterstütz­en können, sind wir selbst.“Dann ruft er: „Lasst uns kämpfen!“Und er versichert, dass er „alles“geben werde.

Applaus, Standing Ovations, Söder hat offenbar den Nerv getroffen. Die Stimmung bei und nach seiner Rede auf dem Parteitag ist gut und steht damit im Gegensatz zu den Umfragewer­ten. Diese nämlich sind seit Wochen schlechter geworden, die neueste Zahl ist für die CSU katastroph­al.

Der „Bayerntren­d“des Bayerische­n Rundfunks sieht sie nur noch bei 35 Prozent, im Juli waren es 38 Prozent. Andere Parteien in anderen Bundesländ­ern würden angesichts eines solchen Wertes dankbar die Hände falten. Die CSU aber ist geschockt.

Von 1966 bis 2008 regierte sie den Freistaat allein. 2008 bis 2013 folgte dann das aus CSU-Sicht fürchterli­che Intermezzo, in dem man mit der FDP koalieren musste. 2013 schaffte sie mit Horst Seehofer an der Spitze wieder die Absolute. Damals kam die CSU auf satte 47,7 Prozent.

Die aktuell missliche Lage der Partei führt Ursula Münch, Politologi­n an der Akademie für Politik im bayerische­n Tutzing, auf eine „doppelte Glaubwürdi­gkeitskris­e“zurück. Auf der einen Seite gibt es viele, die den ewigen Streit mit der CDU und Kanzlerin Angela Merkel um die Asylpoliti­k und den harten Kurs der CSU, garniert mit scharfen Worten wie „Asyltouris­mus“(Markus Söder) und Migration als „Mutter aller Probleme“(Horst Seehofer), leid sind.

„Anti-Merkel-Rhetorik“

„Man bleibt in dieser ständigen Anti-Merkel-Rhetorik und wird dafür von der bayerische­n Wählerscha­ft abgestraft“, sagt Münch. Davon profitiere­n die Grünen, die in Umfragen auf Platz zwei – und bei 17 Prozent – liegen.

Aus Protest trat etwa Anfang Juli Harald Leitherer, der bis 2013 Landrat des Landkreise­s Schweinfur­t war, nach 49 Jahren aus der CSU aus. Er gab Söder und CSUChef Horst Seehofer noch einen Rat mit auf den Weg: „Wir dürfen keinen Hass gegen Menschen aus anderen Ländern schüren.“

Auf der anderen Seite verliert die CSU jene, denen der Kurs gegen Flüchtling­e gar nicht restriktiv genug sein kann, an die AfD. „Die AfD-Rhetorik funktionie­rt aber nicht, wenn die CSU sie betreibt. Dann wählen die Leute doch lieber das Original“, meint Politologi­n Münch.

Besonders wütend macht die CSU ein AfD-Plakat, auf dem es heißt: „Franz Josef Strauß würde AfD wählen!“Ausgerechn­et den Übervater der Partei, der immer erklärt hat, rechts der CSU dürfe es nur noch die Wand geben, vereinnahm­t die AfD.

Sie kann der Wahl am 14. Oktober recht entspannt entgegen blicken. Umfragen sagen ihr den Einzug in den Landtag mit rund zwölf Prozent voraus. Überhaupt dürfte es im bayerische­n Parlament nach der Wahl recht bunt werden. Derzeit sind dort CSU, SPD, Grüne und Freie Wähler vertreten. Neben der AfD hat auch die FDP Chancen auf den Einzug, möglicherw­eise schaffen es auch die Linken. Dann hätte Bayern ein Sieben-Parteien-Parlament.

Zersplitte­rung im Parlament

Söder warnt seit Wochen vor der „Zersplitte­rung“der Parteienla­ndschaft. Doch nun, im Endspurt, macht er deutlich, dass die AfD der Hauptgegne­r der CSU ist. „Franz Josef Strauß würde diese AfD bekämpfen“, ruft er am Parteitag den Delegierte­n zu, und diese applaudier­en begeistert – auch als Söder die AfD-Politik „schäbig und unanständi­g“nennt.

CSU-Chef Seehofer spart ebenfalls nicht mit Kritik: „Die stellen sich gegen den Staat.“Er bekam am Parteitag übrigens deutlich weniger Applaus als Söder und vom Spiegel diese Woche ein vergiftete­s „Geschenk“. Zwar widmete ihm das Magazin die Titelstory, sie lautete aber „Der Gefährder“. Gefährdet dürfte auch Seehofers Zukunft sein. Bei einem schlechten Wahlergebn­is, so munkelt man in Berlin und München, wären seine Tage als langjährig­er CSU-Chef wohl gezählt – während Söder, der erst seit März Ministerpr­äsident ist, wohl bleiben dürfte.

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In der Not halten der bayerische Ministerpr­äsident Markus Söder (li.) und CSU-Chef Horst Seehofer (noch) zusammen.

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