Der Standard

Florence bringt „Wände aus Wasser“

Der Hurrikan Florence sorgt in den USA für Überflutun­gen unbekannte­n Ausmaßes. Zehntausen­de Menschen mussten in Notunterkü­nfte fliehen.

- Frank Hermann aus Raleigh, North Carolina

Es hört einfach nicht auf. Das Schlimmste ist der Dauerregen. Während sich der Hurrikan Florence, mittlerwei­le zu einem Tropentief herabgestu­ft, im Schneckent­empo von der Atlantikkü­ste weg aufs Appalachen­gebirge zubewegt, sind im Südosten der USA ganze Landstrich­e überflutet. Nicht nur am Ufer des Ozeans, sondern auch tief im Hinterland. Es sind Bilder, die an den Wirbelstur­m Harvey denken lassen, der im August vor einem Jahr die texanische Millionens­tadt Houston unter Wasser setzte. Nur dass es diesmal keine Metropole trifft, sondern die Südstaaten­provinz mit ihrem dichten Netz an Flüssen und Bächen.

Im Küstenort Swansboro nordöstlic­h von Wilmington fielen seit Freitag fast 80 Zentimeter Regen, etwa die Hälfte dessen, was dort in einem Durchschni­ttsjahr gemessen wird. Auch weit im Landesinne­ren drohen verheerend­e Überschwem­mungen.

„Wir haben es buchstäbli­ch mit Wänden aus Wasser zu tun“, skiz- ziert Roy Cooper, der Gouverneur des US-Bundesstaa­ts North Carolina, die Lage. Florence lade „epische“Regenfälle ab, sodass selbst Gegenden, in denen man normalerwe­ise kein Überflutun­gsrisiko kenne, plötzlich gefährdet seien.

Niederschl­äge bis Montag

Als der Sturm die Küste North Carolinas erreichte, fielen die Windschäde­n zunächst geringer aus, als manche befürchtet hatten. Aber da sich das Tief mit der Geschwindi­gkeit eines Fußgängers bewegt, verwandelt es weite Gebiete mit rekordverd­ächtigen Niederschl­ägen in Seenlandsc­haften. Experten rechnen damit, dass der Niederschl­ag erst am Montag nachlässt.

Katastroph­enschützer mussten ausrücken, um Menschen aus überflutet­en Häusern zu retten. Allein in New Bern am Zusammenfl­uss von Trent River und Neuse River wurden rund 400 Eingeschlo­ssene auf Booten in Sicherheit gebracht. Da vielerorts Stromleitu­ngen herabgeris­sen wurden, mussten mit Stand vom Sonntag nahezu achthunder­ttausend Haushalte ohne Elektrizit­ät auskommen. Was bedeutet, dass im Kühlschran­k die Lebensmitt­el vergammeln und in extrem schwüler Hitze die Klimaanlag­e nicht funktionie­rt. Laut Behörden harren allein in North Carolina mindestens zwanzigtau­send Menschen in Notunterkü­nften aus.

In Wilmington kamen eine Mutter und ihr Kleinkind ums Leben, als ein entwurzelt­er Baum auf das Haus fiel, in dem die Familie den Naturgewal­ten trotzen wollte. Der Vater des Kindes überlebte. In einem Landkreis in South Carolina wurde eine 61-jährige Frau getötet: Auf einer Landstraße unterwegs fuhr sie im Dunkeln gegen den Stamm einer umgestürzt­en Eiche. Ein Ehepaar starb, nachdem Funken, die aus lose in der Luft baumelnden Stromleitu­ngen sprühten, einen Brand ausgelöst hatte. Ein Mann erlitt einen Stromschla­g, während er versuchte, ein Notstromag­gregat in Gang zu setzen. In einem Dorf namens Hampstead waren Rettungssa­nitäter alarmiert worden, nachdem eine Frau einen Herzinfark­t erlitten hatte. Jedoch versperrte­n umgestürzt­e Bäume den Zugang zu dem Haus, sodass die Helfer zu spät kamen, um noch Hilfe zu leisten. Insgesamt ist die Zahl der Toten auf mindestens 14 gestiegen.

Taifun wütet in Südostasie­n

Auf den Philippine­n starben mindestens 100 Menschen vor allem im Norden des Landes, als der Taifun Mangkhut – bisher schlimmste­r Wirbelstur­m des Jahres – über den Inselstaat zog. In der Stadt Itogon begrub ein Erdrutsch eine von mindestens 40 Bergwerksa­rbeitern und Angehörige­n bewohnte Baracke. In China waren große Teile der Südküste sowie die Millionenm­etropole Hongkong betroffen. Wassermass­en überflutet­en Straßen, Wind riss Bäume, Masten und Baugerüste um. Hunderte Flüge wurden gestrichen, zehntausen­de Menschen in Sicherheit gebracht. Vielerorts fiel der Strom aus.

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Ob Mangkhut im Norden der Philippine­n (li.) oder Florence an der Südostküst­e der USA: Stürme und Regen verwüsten Landstrich­e.
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