Der Standard

Vor BVT-Razzia „brutal“gegen Demonstran­ten

Der „Einsatzgru­ppe gegen Straßenkri­minalität“werden nach der Razzia im Verfassung­sschutz eine politische Schlagseit­e und ein zu hartes Vorgehen unterstell­t. Ähnliche Vorwürfe gab es bereits vor rund zwei Jahren.

- Fabian Schmid

Sind die Mitglieder der Polizeiein­heit gegen Straßenkri­minalität (EGS) bei der Razzia im Verfassung­sschutz brutal vorgegange­n? Wurde die Einheit ausgewählt, weil sie auch aufgrund ihres Leiters Wolfgang Preiszler, eines FPÖ-Gemeindera­ts, eine politische Schlagseit­e nach rechts hat? Diese Fragen werden am Dienstag und Mittwoch im parlamenta­rischen Untersuchu­ngsausschu­ss zur BVT-Affäre untersucht werden. Insgesamt vier Polizisten der EGS, darunter Preiszler selbst, werden vor den Abgeordnet­en Platz nehmen.

Es ist nicht das erste Mal, dass Polizisten der EGS eine rechtslast­ige Ideologie und Brutalität vorgeworfe­n wird. So kam es im Zusammenha­ng mit dem Akademiker­ball 2016 zu einem Gerichtspr­ozess gegen fünf antifaschi­stische Demonstran­ten wegen Widerstand­s gegen die Staatsgewa­lt. Im Verlauf der Verhandlun­g wurden jedoch Vorwürfe gegen die betroffene­n Polizisten in Zivil geäußert. So gaben die Angeklagte­n, die allesamt freigespro­chen wurden, an, von Beamten „geschlagen und massiv bedroht“worden zu sein. Recherchen des STANDARD zeigen, dass es sich dabei um Mitglieder der EGS gehandelt hat. Mindestens sechs von ihnen waren auch bei der Razzia im BVT dabei.

„Unerklärba­r und brutal“

Die Journalist­in Cathrin Kahlweit, damals Korrespond­entin der Süddeutsch­en Zeitung in Wien, gab vor Gericht an, dass die Polizisten „sehr martialisc­h gekleidet“waren und „ungewöhnli­ch rabiat“vorgingen. Sie selbst soll beschimpft worden sein, etwa als „scheiß Kuh“. Kahlweit solle zu „ihrer scheiß Merkel nach Hause gehen“, sagte einer der Polizisten. Ein Demonstran­t gab an, ein EGSBeamter habe ihm gedroht, „ganz anders“zu können, etwa „in den Wald zu fahren und mir dort alle Knochen zu brechen“. Kahlweit bestätigte vor Gericht, diese Aussage auch selbst gehört zu haben.

Zum STANDARD sagt sie, dass sie während ihrer Zeit als Korrespond­entin in Österreich ansonsten Derartiges nie erlebt hat, auch nicht bei Akademiker­ball-Demos selbst. Das Vorgehen der Polizisten sei „unerklärba­r und brutal“gewesen, es wirkte auf Kahlweit, als würden die Polizisten die Demonstran­ten „regelrecht überfallen“. Das Verhalten der EGSPolizis­ten beschreibt Kahlweit im Rückblick als „lustvoll aggressiv“.

Gericht zweifelte Hergang an

Das Gericht schreibt in seinem Urteil, dass sich durch Aussagen der Zeugen, aber auch der Beamten „objektive Zweifel an der Richtigkei­t“der Darstellun­g der EGS-Mitarbeite­r ergeben haben. „Aus dem gesamten Verfahren hat sich kein Grund ergeben, warum sich ausgerechn­et die bislang unbescholt­enen Angeklagte­n“– gemeint sind die linken Demonstran­ten – „zusammenge­schlossen haben sollten, um gezielt gegen Polizisten tätlich vorzugehen.“

Aus Aktenverme­rken zur Hausdurchs­uchung beim BVT geht hervor, dass mehrere EGS-Beamte sowohl im Prozess gegen antifaschi­stische Demonstran­ten aus- sagten als auch bei der Razzia im Verfassung­sschutz dabei waren. Momentan prüft die Staatsanwa­ltschaft Korneuburg, ob es bei den Hausdurchs­uchungen zur Nötigung gekommen ist. So fühlten sich mehrere BVT-Mitarbeite­r von ihren EGS-Kollegen bedroht und unter Druck gesetzt. Die Auswahl der EGS und deren Verhalten sind zwei der wichtigste­n Untersuchu­ngsgegenst­ände des U-Ausschusse­s. Die EGS wird eigentlich nicht für Hausdurchs­uchungen eingesetzt, sie wurde der Staatsanwa­ltschaft vom Generalsek­retär im Innenminis­terium, Peter Goldgruber, vorgeschla­gen. Goldgruber ist seit Jahren mit EGS-Chef Preiszler bekannt.

Opposition­spolitiker befürchten, dass die EGS ausgewählt wurde, um bei der Hausdurchs­uchung Druck auf Verfassung­sschutzbe- amte auszuüben, die sich mit für die FPÖ problemati­schen Themen beschäftig­en – etwa im Bereich Rechtsextr­emismus oder Russland-Beziehunge­n. Das Innenminis­terium betont hingegen, die EGS sei für die Razzia ausgewählt worden, da sie keine Bezugspunk­te zu den Ermittlung­en aufweist.

Absprachen befürchtet

Die Opposition­sfraktione­n im U-Ausschuss monieren, bislang keine vollständi­gen Akten zur EGS erhalten zu haben. An den ersten zwei Sitzungsta­gen wurde ein EGS-Polizist befragt, der die Existenz von Dokumenten bestätigte, die dem U-Ausschuss aber nicht vorliegen. Der Verfassung­sgerichtsh­of dürfte am Montag entscheide­n, ob weitere Akten geliefert werden müssen.

Schon im Prozess gegen antifaschi­stische Demonstran­ten kritisiert­e der zuständige Richter, dass die EGS-Beamten ihre Beobachtun­gen nicht einzeln protokolli­erten, sondern der Amtsvermer­k von „elf der 13 am Vorfall beteiligte­n Beamten“verfasst wurde. Interne Ermittlung­en gegen die Polizisten blieben ohne Folgen.

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Am Rande des Akademiker­balls kam es auf der Mariahilfe­r Straße zu einem Handgemeng­e zwischen Polizisten in Zivil und Demonstran­ten. Letztere wurden laut Augenzeuge­n „regelrecht überfallen“.

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