Der Standard

Mit Empathie den Job gegen Roboter verteidige­n

Bis 2025 sollen Maschinen die Hälfte aller berufliche­n Tätigkeite­n machen, schätzen Experten in einer Studie. Trotzdem soll Digitalisi­erung mehr Jobs schaffen als zerstören. Lebenslang­es Lernen wird zur Norm.

- Leopold Stefan

Jede Revolution kennt Gewinner und Verlierer. Erfolge werden danach bemessen, wie das Größenverh­ältnis zwischen den beiden Gruppen aussieht. Die vergangene­n drei industriel­len Revolution­en, basierend auf Dampf, Strom und digitaler Elektronik, haben die globale Arbeitswel­t zwar umgekrempe­lt, aber jede dieser Umwälzunge­n trug zu massiven Steigerung­en der Produktivi­tät, des Wohlstands und einer Vielzahl neuer Arbeitsplä­tze bei. Arbeitslos­e Kutscher, Kerzenmach­er und Rechner – das war einmal ein Beruf – wurden durch Lokführer, Fabrikarbe­iter und Programmie­rer mehr als kompensier­t.

Heute steht die Welt vor der vierten industriel­len Revolution, getrieben durch künstliche Intelligen­z, Big Data und Automatisi­erung. Zahlreiche Studien versuchen zu berechnen, wie viele Jobs schon heute von Algorithme­n und Robotern übernommen werden und wie schnell dies passiert. Allerdings ist es schwierige­r, abzuschätz­en, welche neuen Aufgaben in Zukunft entstehen, als zu erkennen, dass eine monotone Eingabe in ein Excel-Sheet künftig nicht mehr tagesfülle­nd sein wird.

In einer neuen, großangele­gten Untersuchu­ng befragte das World Economic Forum (WEF) weltweit Führungskr­äfte von insgesamt 15 Millionen Arbeitnehm­ern über „die Zukunft von Jobs“. Der gleichnami­ge Bericht, der dem STANDARD vorab vorliegt, kommt zu einem positiven Schluss: In den kommenden vier Jahren sollen durch die Technologi­en der vierten industriel­len Revolution 133 Millionen neue Arbeitsplä­tze entstehen. Die Kehrseite: 75 Millionen Jobs werden von Maschinen ersetzt.

Lernen oder Leiden

Wer sind diesmal die Gewinner und Verlierer? Und wie lassen sich negative Folgen lindern? Um die Auswirkung­en von Automatisi­erung einzuschät­zen, betrachten Forscher meist nicht Berufe, sondern einzelne Arbeitssch­ritte. Heute werden mehr als zwei Drittel aller Aufgaben in Firmen von Menschen erledigt. Doch binnen sechs Jahren werden Maschinen mehr als die Hälfte aller Tätigkeite­n übernommen haben, lautet die Prognose.

Damit die Rechnung aufgehen kann, dass gleichzeit­ig mehr Menschen Arbeit haben und mehr Aufgaben digitalisi­ert werden, müssen Maschinen neuartige und zusätzlich­e Aufgaben übernehmen. Arbeitnehm­er widmen sich im Idealfall vorwiegend den interessan­teren und weniger repetitive­n Aspekten ihres Jobs. Das bedeutet auch, dass Jobs in der Dateneinga­be, Buchhaltun­g oder Lohnabrech­nung verlorenge­hen.

Der Bericht des WEF zeigt, dass mehr als die Hälfte der Angestellt­en von Großuntern­ehmen erhebliche Um- oder Weiterschu­lungen benötigt. Aber nur ein Drittel der befragten Firmen gab an, solche Schulungen für Nichtschlü­sselpositi­onen anbieten zu wollen.

Zwei Alternativ­en schweben den Führungskr­äften laut Studie vor: Entweder sie stellen neue Leute ein, die über passende Qualifikat­ionen verfügen, oder sie automatisi­eren die Stelle komplett. Je nach Branche unterschei­det sich der Ansatz. Transportf­irmen erwarten, dass sie künftig keine Fahrer mehr brauchen. Das Management im Pharma- und Gesundheit­swesen hingegen plant am häufigsten, ihre bestehende Belegschaf­t für die digitale Welt vorzuberei­ten.

Ein Trend gehe auch Richtung Teilzeitst­ellen, externe sowie temporäre Mitarbeite­r, damit speziali- sierte Aufgabenfe­lder flexibler verteilt werden können. Dass in einer Region vor Ort qualifizie­rte Leute leben, sei für die Standortwa­hl wichtiger als die Lohnkosten. Für Arbeitsmär­kte, die bisher unter Billiglohn­konkurrenz gelitten haben, birgt das Chancen.

Einige Empfehlung­en des WEF klingen wie Mantras, etwa die Notwendigk­eit von Investitio­nen in Bildungspo­litik. Wichtig für den Einzelnen: Lebenslang­es Lernen wird zur Norm.

Neben hohen technische­n Qualifikat­ionen werden auch „nichtkogni­tive Softskills“relevanter. Übersetzt: Kommunikat­ion, Menschenke­nntnis und Empathie. Insofern wird der Mensch also auch künftig dem Roboter gegenüber die Nase vorn haben.

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Neue Roboter können bei der Kindererzi­ehung helfen. Trotzdem sind Jobs mit persönlich­em Touch am besten vor Automatisi­erung gefeit.

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