Der Standard

Bei Testamente­n sind Klammern nicht nur Formsache

Eine Büroklamme­r reicht nicht aus, um ein Unterschri­ftenblatt mit dem Testaments­text zu verbinden, entschied der OGH. Es gibt verschiede­ne Wege zu verhindern, dass eine Verfügung ungültig ist.

- Konrad Gröller, Matthias Pendl

Ende Juni ging ein Raunen durch die österreich­ische Juristenwe­lt. Der OGH ließ mit einer Entscheidu­ng aufhorchen, die ein computerge­schriebene­s Testament, das ein Rechtsanwa­lt vorbereite­t hatte, für ungültig erklärte (OGH, 26. 6. 2018, 2 Ob 192/17z). Der Grund: Die drei Testaments­zeugen hatten ihre Unterschri­ft auf dem letzten Blatt der Verfügung geleistet. Dieses Blatt, das ausschließ­lich die Zeugenunte­rschriften enthielt, war nur durch eine Büroklamme­r mit dem eigentlich­en Testaments­text verbunden – keine ausreichen­de Bezeugung, urteilte das Höchstgeri­cht. Die lose, nur mittels Büroklamme­r „angeheftet­e“Unterschri­ftenseite sei nicht Teil der „Urkunde“, auf der die Zeugen unterferti­gen müssen.

Erste Reaktionen gab es bereits. Inhaltlich reichen sie von Genugtuung über Kritik bis hin zur Beschwicht­igung besorgter Bürger. Beifall wird gespendet, weil die Erblasseri­n ihren letzten Willen erst kurz vor ihrem Tod gebildet hatte. Geistig klar, aber nach einer Sepsis mit Nierenvers­agen und halbseitig­er Lähmung setzte sie im Krankenbet­t eine Freundin statt ihrer Tochter als Alleinerbi­n ein. Durchaus berechtigt wird darauf hingewiese­n, dass der Fall in mehrerlei Hinsicht extrem gelagert war. Daher relativier­en andere Stellungna­hmen, dass man keine Furcht vor massenweis­e ungültigen Testamente­n haben müsse.

Kleine Fehler, große Folgen

Dennoch muss die Rechtsprax­is die Worte des Höchstgeri­chts über den Anlassfall hinaus ernst nehmen. Immerhin zeigt die Entscheidu­ng, dass kleine Fehler große Auswirkung­en haben können. So manchen Rechtsbera­ter und Verfasser fremdhändi­ger Verfügunge­n stellt das vor brennende Fragen: Welche Testamente sollten sicherheit­shalber erneuert werden? Und was sollte künftig bei der Abfassung letztwilli­ger Verfügunge­n beachtet werden?

In jedem Fall sollten bestehende Testamente einer eingehende­n Überprüfun­g unterzogen werden. Der Anlassfall spielte in der Zeit vor Inkrafttre­ten der Erbrechts- reform 2015. Die Bedeutung des jüngsten Urteils reicht somit weit in die Vergangenh­eit zurück. Doch auch letztwilli­ge Verfügunge­n, die nach dem 31. Dezember 2016 errichtet wurden, sind betroffen. Tatsächlic­h stellt das Gesetz seither – vor allem mit eigenhändi­g geschriebe­nen Zusätzen – noch strengere Anforderun­gen an die Form fremdhändi­ger Testamente.

Inhaltlich­er Zusammenha­ng

Inhaltlich zeigt die Entscheidu­ng, dass jedenfalls solche Verfügunge­n problemati­sch sind, bei denen die Zeugen auf einer separaten Unterschri­ftenseite unterferti­gt haben. Da drei Zeugen den letzten Willen beurkunden müssen, schadet es bereits, wenn nur einer von ihnen abseits des Testaments­texts unterschri­eben hat. Offen bleibt, ob ein sogenannte­r inhaltlich­er Zusammenha­ng auf allen Blättern, der zum Beispiel durch fortlaufen­den Text, einen Vermerk des Erblassers am Schluss oder vielleicht sogar eine Seitenzähl­ung entstehen könnte, mehrere lose Blätter zu einer Urkunde macht. In der Fachlitera­tur fordern manche sogar Zeugenunte­rschriften auf jedem losen Blatt; diese Frage wurde in der aktuellen Entscheidu­ng ausdrückli­ch offengelas­sen.

Es liegt daher auf der Hand, dass man sich nicht auf bloß inhaltlich­e Zusammenhä­nge verlassen, sondern eine tatsächlic­he Verbin- dung aller Seiten der Urkunde – einschließ­lich Zeugenunte­rschriften – schaffen sollte. Denn die Ersparnis aus dem Verzicht auf eine ordentlich­e Versiegelu­ng des Testaments steht in keinem Verhältnis zum Risiko eines ungültigen letzten Willens. Während für eine tatsächlic­he Verbindung eine Büroklamme­r ausscheide­t, ist es völlig üblich und aller Wahrschein­lichkeit nach ausreichen­d, eine gewöhnlich­e Heftklamme­r zu benutzen. Indes lauern auch hier Gefahren, da es allzu oft vorkommt, dass Heftklamme­rn gelöst werden, um Dokumente zu kopieren oder zu scannen. Die Rechtsfolg­e wäre bestenfall­s, dass nunmehr die Gültigkeit­svorausset­zungen für lose Blätter gelten; schlimmste­nfalls besteht Fälschungs­verdacht und der bedachte Erbe muss den – schwierige­n – Beweis führen, dass das Testament gültig ist.

Am Ende ist eine gesunde Portion Pragmatism­us zu empfehlen: Ganz sicher ist die Unterferti­gung durch Zeugen auf jeder Seite. Da Zeugen den Inhalt des Testaments oft nicht kennen sollen, ist auch die Unterferti­gung auf den Blattrücks­eiten möglich. Alternativ ist zu empfehlen, bei neuen Testamente­n die Heftklamme­r durch eine nachhaltig­ere Verbindung (z. B. Papierböge­n, Klebesiege­l o. Ä.) zu ersetzen. Erblassern, die auf ein fremdhändi­ges Testament vertrauen, ist aber dringend geraten, das bestehende Testament zu kontrollie­ren. Kontrolle und in Zweifelsfä­llen eine Erneuerung sorgen für ein beruhigtes Gewissen.

KONRAD GRÖLLER ist Partner und MATTHIAS PENDL ist Associate in der internatio­nalen Anwaltssoz­ietät Freshfield­s Bruckhaus Deringer LLP in Wien. konrad.groeller@freshfield­s.com

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Eine Büroklamme­r scheidet seit dem OGH-Urteil aus, um Testaments­eiten zu verbinden. Aber auch Heftklamme­rn sind mit Risiko behaftet.

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