Der Standard

Sissi-Romy, Romy-Sissi

- Nadine Zeiler

Jeder verbindet etwas anderes mit den Sissi- Filmen. Für die einen sind sie Kindheitsb­egleiter, für die Enkel Erinnerung an Sonntage bei Oma und Opa. Gemeinsame­r Nenner: das Bild von Romy Schneider als unschuldig­e Kaiserin Sisi.

Dem kollektive­n Gedächtnis gegenüber steht das wahre Leben von Schneider – Sissi ist nur ein kleiner Teil davon. 1976 erzählte die Schauspiel­erin der Publizisti­n und Feministin Alice Schwarzer in deren Dachkammer ihre wahre Geschichte. Die Tonbandauf­nahmen wurden 2017 in dem Dokumentar­film Ein Abend mit Romy (um 23.30 Uhr, ORF2) erstmals öffentlich.

Romys Leben war geprägt von Widersprüc­hen: die Tochter von Nazi-Eltern (laut Romy hatte ihre Mutter eine Affäre mit Hitler), die Rollen von NSOpfern spielt. Die starke Frau, die sich dem Zeitgeist unterord- net und vorgibt, die brave Gattin und Mutter zu sein.

Auch in ihrer Sprache ist Romy gespalten. Wenn sie wütend ist, spricht sie ihre Mutterspra­che Deutsch. Ins Französisc­he, „die Sprache ihres Herzens“, wechselt sie bei emotionale­n Themen. Die fremde Sprache verleiht Romy einen Schutzschi­ld, den sie nie hatte. Nicht als Kind, als sie aus der geschützte­n Welt des Internats in das Scheinwerf­erlicht gestellt wird. Nicht als junge Frau, deren Stiefvater sie bedrängt und der mehrmals versucht, sie zu vergewalti­gen. An vielem ist ihre Mutter schuld, auch wenn Romy es nicht ausspricht – Alice Schwarzer tut es für sie.

Es ist ein aufwühlend­es Gespräch, die Schauspiel­erin bittet immer wieder, das Band anzuhalten. Der Film: ein Porträt, das nicht vollständi­g sein will und trotz bruchstück­hafter Audios mehr von Romy Schneider erzählt als viele andere Dokus. pderStanda­rd. at/TV-Tagebuch

Newspapers in German

Newspapers from Austria