Der Standard

Die Frauen sind selbst schuld

Bei der Präsentati­on des Integratio­nsberichts hat sich die Regierung selbst entlarvt

- Petra Stuiber

Man sollte die Kirche im Dorf lassen, nicht übertreibe­n und auch bei Kritik Verhältnis­mäßigkeit wahren. Andernfall­s entwertet man die Kritik als Alarmismus und permanente Aufgeregth­eit. Und am Ende hört keiner mehr hin.

Daher: Der Integratio­nsbericht aus dem Ressort von Karin Kneissl (FPÖ) hat auch positive Seiten. Grundsätzl­ich ist es nicht verkehrt, bei dem Thema verstärkt auf Frauen zu setzen. Es macht Sinn, sie auszubilde­n und beim Verwurzeln in diesem für sie neuen Land zu begleiten.

Weil es meist die Frauen sind, die den Alltag organisier­en und den Tagesablau­f ihrer Familie takten. Aus diesem Blickwinke­l heraus kann man auch über verpflicht­ende Kursbesuch­e nachdenken. So kann man vielleicht verhindern, dass manche Frauen in familiärer Isolation landen und für die Gesellscha­ft verloren sind, wie die Expertin Gudrun Biffl bei der Präsentati­on des Berichts warnte.

Natürlich darf es dabei nicht nur um „Frauengesu­ndheit und ihre Rolle in der Familie gehen“(ein Frauenlebe­n besteht aus wesentlich mehr) – aber immerhin, es ist ein Anfang. Wie man dann mit Verstößen umgeht, ob man, wie es die Regierung allzu gerne tut, gleich einmal Geldmittel streicht – oder ob man in (die sicherlich mühsamere) Überzeugun­gsarbeit investiert, steht noch einmal auf einem anderen Blatt geschriebe­n. as aber alle positiven Ansätze in diesem Bericht gleich wieder ruiniert, ist die entlarvend­e Aussage, mit der die zuständige Ministerin Kneissl ihre Präsentati­on garnierte: „Es liegt im Einflussbe­reich von Frauen, wie sich die kleinen Paschas und Machos aus welchem Kulturkrei­s auch immer entwickeln.“Das hat sie tatsächlic­h gesagt. Man muss sich ernsthaft fragen, ob der Ministerin klar war, welches Frauen- und Männerbild, welche Ansichten zu Gleichbere­chtigung überhaupt sie da zum Besten gibt.

Die Frauen sind demnach schuld, wenn aus Buben Machos und Paschas werden. Es liegt an den Frauen – und nur an ihnen –, dies zu verhindern. Wenn ihnen das nicht gelingt, dürfen sie sich nicht über die Folgen wundern.

Daher ist es nur folgericht­ig, dass Frauenmini­sterin Juliane BognerStra­uß (ÖVP) Projekten, die Frauen in Notlagen unterstütz­en, die Mittel ge-

Wkürzt oder gar gestrichen hat; da ist es nur logisch, dass eine FPÖ-Politikeri­n auch den Frauenhäus­ern an den Kragen will. Frauen sollen gefälligst selbst dafür sorgen, dass sie nicht unter den Männern in ihren Familien leiden. Das Problem mit dem Patriarcha­t ist ergo ein alleiniges Problem der Frauen.

So stellt sich derzeit, nach knapp neun Monaten türkis-blauer Koalition, das Frauenbild dieser Regierung dar. Dazu passt Kneissls Aussage wie die Faust aufs Auge.

Dazu passt auch, dass BognerStra­uß Krisenpfle­gemüttern per Erlass einfach das Kinderbetr­euungsgeld ge- strichen hat – mit der fadenschei­nigen Berufung auf zwei OGH-Urteile. Statt anzuerkenn­en, was diese „Notfamilie­n“für Kinder, zumeist Säuglinge aus desaströse­n Verhältnis­sen, leisten, und die finanziell­e Absicherun­g dieser Krisenmütt­er zu verbessern.

Wie kann man das alles erklären? Ist es Ahnungslos­igkeit, Gedankenlo­sigkeit, steht ein Plan dahinter, die Rolle der Frauen in Österreich­s Gesellscha­ft „neu“zu definieren?

In jedem Fall ist es herzlos, es zeugt von Arroganz und Abgehobenh­eit. Und es wird nicht funktionie­ren. Wir schreiben nämlich das Jahr 2018.

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