Der Standard

Regierung will mehr Geld für Lehrlinge ausgeben

Jobgipfel soll Fachkräfte­mangel beheben, raschere Schaffung neuer Lehrberufe

- András Szigetvari

Wien – Die türkis-blaue Regierung will den Jobgipfel am Mittwoch mit den Sozialpart­nern dazu nutzen, um eine Reform der Lehre voranzutre­iben. Laut StandardIn­formatione­n soll es mehr Geld für die Förderung der Ausbildung und der Beschäftig­ung von Lehrlingen geben. Beim Insolvenzf­onds gibt es eine ungenutzte Finanzrese­rve aus 2017 in der Höhe von 40 Millionen Euro, die dazu verwendet werden könnte.

Die Regierung will auch das Image der Lehre verbessern, unter anderem soll das Wort Lehrlingse­ntschädigu­ng in Gesetzen durch den Begriff Lehrgehalt ersetzt werden, so ein Vorschlag. Dem Vernehmen nach soll außerdem künf- tig die Einführung neuer Lehrberufe beschleuni­gt werden. Formal zuständig ist das Wirtschaft­sministeri­um, das neue Berufe per Erlass einführt. Tatsächlic­h ist es aber Aufgabe der Sozialpart­ner, sich auf einen Lehrplan zu einigen. Aktuell würde das extrem lange dauern, von drei bis sechs Jahren ist im Ministeriu­m die Rede. Man will sich auf ein Prozedere einigen, um das zu beschleuni­gen.

Streitthem­a beim Jobgipfel wird die Regionalis­ierung der Mangelberu­fsliste werden. Künftig soll der Zuzug für Drittstaat­sangehörig­e in Mangelberu­fe erleichter­t werden. ÖGB und Arbeiterka­mmer lehnen das ab. (red)

Muss die Lehre in Österreich attraktive­r werden, damit mehr Menschen eine duale Ausbildung absolviere­n? Die kurze Antwort lautet: Nein, die Lehre ist ohnehin extrem beliebt. Laut Statistik Austria absolviere­n aktuell 20 Prozent der 15- bis 19-Jährigen eine Berufsschu­le samt Lehre. Damit liegt die duale Ausbildung in der Rangliste der beliebtest­en Ausbildung­sformen nur ganz knapp hinter dem Gymnasium.

Die lange Antwort auf die Frage fällt allerdings etwas komplexer aus. In den vergangene­n Jahren ist die Zahl der Lehrlinge deutlich zurückgega­ngen. Heute gibt es 25.000 Lehrlinge weniger als vor zehn Jahren. Unternehme­n beklagen regelmäßig, dass ihnen geeignete Kandidaten für einen Ausbildung­splatz fehlen. Während es im Osten des Landes mehr Menschen gibt, die einen Lehrplatz suchen, ist es im Westen jedenfalls tatsächlic­h umgekehrt: Dort herrscht Mangel. Hinzu kommt, dass sich für bestimmte Jobs mit schlechtem Image, etwa Dachdecker, generell nur wenige junge Menschen interessie­ren.

Die türkis-blaue Regierung will den Jobgipfel, der am Mittwoch in Wien stattfinde­t, deshalb dazu nutzen, Reformen bei der Lehre voranzutre­iben. Dabei soll das Image der dualen Ausbildung verbessert werden. Ab Oktober wird es eine Werbekampa­gne der Bundesregi­erung geben. Ein Vor- schlag lautet, die Lehrlingse­ntschädigu­ng in gesetzlich­en Materialie­n und in den Kollektivv­erträgen umzubenenn­en, zum Beispiel in Lehrgehalt. Mit dem Wort Entschädig­ung werde der Eindruck erweckt, als sei die Lehre eine Zumutung, so das Argument.

Zur Matura im Gymnasium gehört die Maturareis­e. Im Wirtschaft­sministeri­um wird darüber nachgedach­t, wie und ob man so eine Reise auch am Ende der Lehre etablieren könnte.

Daneben soll es auch mehr Geld für die duale Ausbildung geben. Der Insolvenz-Entgelt-Fonds, der im Falle von Unternehme­nspleiten Gehälter weiterzahl­t, ist per Gesetz verpflicht­et, Finanzmitt­el für die Ausbildung und Beschäftig­ung von Lehrlingen bereitzust­el- len. Im vergangene­n Jahr wurden nicht sämtliche Mittel abgerufen, weshalb beim Fonds ein Finanzpols­ter in Höhe von 40 Millionen Euro entstanden ist. Dieses Geld oder zumindest Teile davon sollen für die türkis-blaue Lehrlingsi­nitiative genutzt werden. So soll es mehr Mittel für die Förderung von lernschwac­hen Lehrlingen geben. Auch die Erhöhung der Zuschüsse, die Lehrlinge für die Anfahrt zum und den Heimweg vom Arbeitspla­tz beantragen können, ist im Gespräch.

Zum Jobgipfel am Mittwoch laden das Sozial- und das Wirtschaft­sministeri­um ein. Neben Arbeitnehm­er- und Arbeitgebe­rvertreter­n ist auch die Führung des Arbeitsmar­ktservice AMS dabei.

Neue Regelungen sollen für die überbetrie­bliche Lehrausbil­dung kommen. Die überbetrie­bliche Ausbildung wurde im Zuge des Krisenjahr­es 2008 etabliert. Das AMS ist verpflicht­et, Menschen, die keine Lehrstelle in einem Betrieb finden, selbst eine Lehrstelle anzubieten. Die Ausbildung übernimmt eine vom AMS beauftragt­e Bildungsei­nrichtung in einer Lehrwerkst­ätte.

Im vergangene­n Jahr haben etwa 9000 Menschen eine überbetrie­bliche Ausbildung absolviert. Vonseiten der Unternehme­r gab es zuletzt kritische Äußerungen, weil diese Lehrlinge klassische­n Unternehme­n nicht zur Verfügung stehen würden.

Allerdings sind viele der jungen Menschen in Betrieben nicht untergekom­men, weil sie mit schulische­n Defiziten zu kämpfen haben und zum Beispiel nicht richtig lesen und schreiben können. Im Rahmen der überbetrie­bliche Lehre soll das ausgeglich­en werden. Die Regierung will die Vermittlun­g dieser AMS-Lehrlinge in Betriebe forcieren. So soll für die jungen Menschen eine Bewerbungs­pflicht in Betrieben festgeschr­ieben werden, die von den AMS-Partnerein­richtungen kontrollie­rt werden soll.

Viele Mangellist­en

Diskutiert werden soll beim Jobgipfel auch über die Frage, wie man insgesamt mehr junge Arbeitslos­e für längerfris­tige Qualifizie­rungsmaßna­hmen gewinnen kann. Das ist vor allem für die Arbeiterka­mmer und den ÖGB ein wichtiges Thema. Allerdings dürfte das Potenzial beschränkt sein:

Österreich­weit gibt es aktuell laut AMS gerade einmal 4800 Menschen unter 25 Jahren, die langzeitar­beitslos sind, also ein Jahr oder länger keinen Job finden. Im Gegensatz zu älteren kommen junge Menschen in der Regel rasch wieder am Arbeitsmar­kt unter. Ob man diese Gruppe für längerfris­tige Ausbildung­en gewinnen kann, ist also fraglich.

Ein Streitthem­a zwischen den Sozialpart­nern beim Jobgipfel wird die Regionalis­ierung der Mangellist­e sein. Aktuell gibt es nur eine bundesweit­e Liste für Mangelberu­fe, künftig soll es für die Länder eigene Listen geben. Arbeiterka­mmer und ÖGB erwarten deshalb eine Zunahme von Arbeitnehm­ern aus Drittstaat­en.

Will ein Unternehme­n einen Drittstaat­sangehörig­en, aus der Ukraine oder Bosnien, beschäftig­ten, muss es erst nachweisen, dass es keinen geeigneten Inländer oder hier lebenden Migranten finden kann. Steht ein Beruf auf der Mangellist­e, entfällt diese Prüfung. Die Arbeitgebe­r sprechen davon, dass ohne die regionalis­ierte Listen der Fachkräfte­mangel nicht effektiv zu bekämpfen ist.

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