Fraternité beim Thema EU- Grenzschutz
Ungarn und FPÖ zweifeln an Gültigkeit – Gesetz deutlich
Im Hof des Élysée-Palasts in Paris demonstrierten Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzler Sebastian Kurz Einigkeit. Bei seiner Blitzvisite am Montag holte sich Kurz – wie schon am Sonntag bei Angela Merkel in Berlin – Bekräftigungen, den EU-Grenzschutz stärken zu wollen. Bis 2020 soll die EU-Grenzschutz-Agentur Frontex auf 10.000 Beamte aufgestockt werden. Salzburg ist ab Mittwochabend die Kulisse für ein Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs. Kurz warnte vor allzu großen Erwartungen: Das Treffen sei informell, es würden keine Beschlüsse gefällt.
Brüssel/Budapest/Wien – Im Streit um die Einleitung eines Rechtsstaatsverfahrens gegen Ungarn sprechen zentrale juristische Leitlinien der EU für die Rechtmäßigkeit des entsprechenden Abstimmungsergebnisses im Europäischen Parlament. Ungarn hatte nach dem Votum vergangene Woche erklärt, dass auch die 48 Enthaltungen als abgegebene Stimmen hätten berücksichtigt werden müssen. Dies würde bedeuten, dass die erforderliche Zweidrittelmehrheit nicht erreicht worden wäre, Ungarn kündigte deshalb die juristische Anfechtung des Beschlusses an. Österreichs Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) hatte „großes Verständnis für die ungarische Argumentation“geäußert.
Sowohl im Vertrag von Lissabon als auch in der Geschäftsordnung des EU-Parlaments ist jedoch im Bezug auf das Verfahren nach Artikel 7 von der Zweidrittelmehrheit „der abgegebenen Stimmen“und der „Mehrheit der Mitglieder“des Europäischen Parlaments die Rede. Konkret bedeutet das: Die 448 abgegebenen Ja-Stimmen gegenüber 197 NeinStimmen würden für eine Zweidrittelmehrheit zur Einleitung eines Rechtsstaatsverfahrens gegen Ungarn reichen. Selbst zur Frage, ob nicht doch auch eine Stimmenthaltung als „abgegebene Stimme“angerechnet werden kann, gibt die parlamentarische Geschäftsordnung eindeutig Auskunft: Für die Annahme oder Ablehnung eines Textes werden laut Artikel 178 „nur die abgegebenen Ja- und Nein-Stimmen“berücksichtigt.
„Sonnenklare Sache“
Strittig könnte hier allenfalls jene Passage bleiben, der zufolge Letzteres nicht in Fällen gilt, für die eine „spezifische Mehrheit“vorgesehen ist. Die genannte „Mehrheit der Mitglieder“des EUParlaments ist jedoch erzielt worden: Insgesamt hat dieses 751 Abgeordnete – 448 Stimmen sind eindeutig über der 50-Prozent-Marke. Heinz-Rudolf Miko, Pressesprecher der Vertretung der Europäischen Kommission in Wien, sprach im Gespräch mit dem STANDARD von einer insgesamt „sonnenklaren Sache“.
Kolumne Paul Lendvai S. 27