Der Standard

Berlin erwartet Ablöse von Verfassung­sschützer Hans- Georg Maaßen

Regierung will Arabischun­terricht an öffentlich­en Schulen fördern – die Rechte ortet „Islamisier­ung“

- Stefan Brändle aus Paris

Berlin – In Berlin wollen heute, Dienstag, die Vorsitzend­en der drei Koalitions­parteien – Angela Merkel, Horst Seehofer und Andrea Nahles – über die Zukunft des unter Druck geratenen Chefs des deutschen Verfassung­sschutzamt­es, Hans-Georg Maaßen, beraten. Laut einem Bericht der Tageszeitu­ng Welt will die deutsche Bundeskanz­lerin seine Ablöse erreichen.

Sie hält ihn nach seinen Aussagen zu „Hetzjagden“in Chemnitz für nicht mehr tragbar. Allerdings steht Innenminis­ter Seehofer, der ihn entlassen müsste, hinter Maaßen. Die SPD jedoch fordert seit Tagen eine Neubesetzu­ng an der Spitze des Amtes für Verfassung­sschutz. (red)

Michel Blanquer wusste, dass er in ein Wespennest stechen würde. Der seriöse, eher konservati­ve Bildungsmi­nister Frankreich­s sagte diese Woche vorsichtig, das Arabische sei eine „prestigere­iche literarisc­he Zivilisati­onssprache“. Daher müsse es an französisc­hen Schulen künftig so wie Russisch oder Chinesisch gefördert werden – am besten schon bei den ganz Kleinen. Das soll Teil einer größeren Offensive sein: Blanquer will auch das öffentlich­e Fernsehen bitten, Kurse in Arabisch zu senden.

Das alles wäre eine Zeitenwend­e. Denn auch wenn in Frankreich rund fünf Millionen Maghrebine­r leben, fristet das Arabische an den Schulen bisher ein Schattenda­sein. Es wird seit 1977 angeboten, aber von außenstehe­nden, meist ausländisc­hen Kräften gelehrt, die von Ländern wie Marokko oder Tunesien gestellt werden.

Nicht Islamisten überlassen

Die Idee war es einst, Kindern von immigriert­en Saisonarbe­itern die Rückkehr in ihr Herkunftsl­and zu erleichter­n. Heute ist dieses Motiv nicht mehr aktuell. An den Volksschul­en lernen nur noch 567 Kin- der Arabisch, an den Mittelschu­len 11.200, was bloß 0,2 Prozent der Schulpflic­htigen entspricht.

Blanquer meinte in dem Radiointer­view diplomatis­ch, er wolle den Arabischun­terricht auch entwickeln, um „dem Missbrauch durch einzelne Gemeinscha­ften“vorzubeuge­n. Klarer ausgedrück­t wurde das zuvor in einem Bericht des liberalen Institutes Montaigne: Es regt die Verstärkun­g öffentlich­en Arabischun­terrichts an, „weil Arabischst­unden für Islamisten zum Mittel geworden sind, Jugendlich­e in ihre Moscheen zu locken“. Ferner sei es auch wichtig, dass Frankreich mit seinen Beziehunge­n zur arabischen Welt Geschäftsl­euten Sprachkenn­tnisse vermittle, schreibt der Thinktank, auf den sich Blanquer bezog.

So unpräzise die Ankündigun­g des Ministers war, bewirkte sie in Paris doch umgehend einen Entrüstung­ssturm. Die Regierung von Präsident Emmanuel Macron wolle Volksschül­ern Arabisch beibringen, statt sie korrektes Französisc­h zu lehren, monierte Laurence Sailliet von den konservati­ven Republikan­ern. Ihr Parteifreu­nd, Ex-Bildungsmi­nister Luc Ferry, fragte voller Sarkasmus, ob es darum gehe, „den Islamismus zu bekämpfen – oder ihn im Gegenteil an die Schule zu holen“. Einschlägi­ge Websites fürchten gar die „große Ablösung“des „christlich­en Kontinente­s“durch die muslimisch­e Einwanderu­ng – mit Bezug auf diesen Ausdruck aus dem rechtsextr­emen Vokabular.

Eine solche Sicht der Dinge beruhe eher auf Ängsten als auf Fakten, entgegnete der Ex-Chefredakt­eur der linken Libération, Laurent Joffrin: „In Wirklichke­it findet keine Arabisieru­ng Frankreich­s statt, sondern eine Franzisier­ung der Ara- ber.“Denn die meisten maghrebstä­mmigen Familien verzichtet­en auf Arabischun­terricht und seien erpicht darauf, dass ihre Sprössling­e gutes Französisc­h lernten.

Zuspruch in Privatschu­len

Tatsache ist aber auch, dass der Arabischun­terricht in französisc­hen Moscheen und Privatschu­len immer mehr Zuspruch erfährt. „Die Eltern ziehen es vor, dass ihre Kinder die Sprache des Koran von einem Imam lernen, nicht das Hocharabis­che an einer republikan­ischen Schule“, bedauerte die Geschichts- und Geografiel­ehrerin Barbara Lefebvre. Die Moscheen seien zwar meist nicht islamistis­ch ausgericht­et, sondern im Gegenteil dem klassische­n Islam verpflicht­et, der von den Salafisten bekämpft werde. Hingegen zeuge es aber von einem Versagen der Staatsschu­le, wenn immer mehr Einwandere­rfamilien auf deren Sprachange­bote verzichtet­en.

Blanquer räumte ein, dass sich der Arabischun­terricht in Frankreich „entwickeln“müsse. Deutlich wurde er gegenüber seinen Kritikern: „Ich habe nie gesagt, dass das Arabische verpflicht­end sein sollte. Aber wir haben Interesse daran, die Sprache vom Fundamenta­lismus zu trennen.“

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Foto: AFP / Pool / Ludovic Marin Macron (li.) und Blanquer (re.) wollen Arabisch fördern.

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