Kurz holt sich von Macron Rückhalt beim Grenzschutz
Am Montag besuchte Sebastian Kurz in Paris Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Dort betonten beide, den EU-Außengrenzschutz stärken zu wollen. Noch ein Thema drängte sich auf: der Brexit.
Zwei Tage vor dem Mittwochabend in Salzburg beginnenden EU-Gipfel zeichnen sich zwischen den EU-Partnern in Sachen gemeinsamer Migrationsund Asylpolitik sowie im Kampf gegen das Schlepperwesen nur kleinere Fortschritte ab. Zwar gibt es – mit Ausnahme einzelner Staaten wie Ungarn, Spanien oder Griechenland – einen allgemeinen Konsens darüber, dass die im Grundsatz vereinbarte Stärkung des EU-Außengrenzschutzes durch die EU-Behörde Frontex so rasch wie möglich kommen soll.
Kern dessen ist der von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in seiner Rede vor dem EU-Parlament zuletzt bekräftigte Vorschlag, Frontex bis 2020 auf 10.000 EU-Grenzbeamte aufzustocken und in der kommenden Budgetperiode ab 2021 rund 2,2 Milliarden Euro bereitzustellen, etwa für Schiffe und Flugzeuge. Auch sollen bis Dezember nach jahrelangen Versäumnissen endlich Rückübernahmeabkommen mit Transitländern in Nord- und Zentralafrika auf den Weg gebracht werden, damit abgelehnte Asylwerber rascher in ihre Heimatländer abgeschoben werden können.
Aber: Was die Verteilung von Asylwerbern auf die EU-Staaten oder die Verfahrensharmonisierung betrifft, scheinen Lösungen kaum möglich. Gleiches gilt für die im Juni beschlossenen Pläne, inner- und außerhalb des EU-Gebiets „Ausschiffungsplattformen“zu schaffen, in die Bootsflüchtlinge gebracht werden sollen, um versorgt und auf Asylberechtigung erstgeprüft zu werden. Kein Land ist bereit für solche Lager.
Blitzvisite in Berlin und Paris
Dieses gemischte politische Bild ergab sich am Montag nach einer Blitzvisite von Bundeskanzler Sebastian Kurz in seiner Eigenschaft als derzeitiger EU-Ratsvorsitzender nach Berlin und Paris bei den einflussreichsten EU-Regierungen. In Gesprächen mit Kanzlerin Angela Merkel und Staatspräsident Emmanuel Macron versuchte er auszuloten, welche Handlungsperspektiven sich bis Ende Dezember auftun könnten. Merkel und Macron sicherten volle Unterstützung für die Frontex-Pläne von Juncker zu.
Merkel sprach sich für möglichst konkrete Schritte aus, es sei seit Jahren zu viel geredet worden. Macron betont in einem gemeinsamen Auftritt mit Kurz im Hof des Élysée, dass die Bürger sich erwarteten, dass die Außengrenzen geschützt werden und Rückführungen konsequenter umgesetzt werden.
Kurz wies darauf hin, dass sich die Themenschwerpunkte in drei Jahren bei den Regierungschefs verlagert hätten: Niemand stelle mehr infrage, dass die EU ihre Außengrenzen besser schützen müsse. Gleichzeitig rücke in den Vordergrund, dass die Europäer ihre Hilfen für Afrika verstärken müssen und die Wirtschaftsbeziehungen zu diesen Ländern ausbauen müssten. Im Dezember wird es in Wien dazu einen EU-Afrika-Gipfel geben.
Brexit-Sondergipfel
Zweites großes Thema in Salzburg wird der Stand der BrexitVerhandlungen sein. Kurz will „alles tun, um einen harten Brexit ohne Verhandlungsergebnis zu vermeiden“, ein solcher wäre sowohl für die Briten als auch für die EU-27 mit großen Nachteilen verbunden. Vollzogen würde der EUAustritt Ende März 2019. Die Aussichten auf eine gütliche Einigung haben sich zuletzt deutlich verschlechtert. Zum einen versuchen die Hardliner in Mays Tory-Partei, die Premierministerin aus dem Amt zu hebeln. Ex-Außenminister Boris Johnson lehnt den von May präsentierten Plan über eine künftige teilweise Teilnahme am EUBinnenmarkt total ab. May hingegen warnte davor, einen „harten Brexit“zu riskieren. Es werde „meinen Deal oder keinen Deal geben“, sagte sie der BBC.
Bei den Regierungschefs gilt es als ausgemacht, dass der Termin Ende Oktober für den Abschluss der Verhandlungen nicht zu halten sein wird. EU-Chefverhandler Michel Barnier hat gemeint, es wäre denkbar, dass die Regierungschefs einstimmig eine Verlängerung der EU-Mitgliedschaft über März 2019 hinaus beschließen. Laut EU-Vertrag ist das möglich, wenn alle zustimmen. Nicht undenkbar, dass beim SalzburgGipfel ein Brexit-Sondergipfel im November angekündigt wird.