Der Standard

Bringt die Kassenrefo­rm eine Milliarde Euro?

Die Regierungs­parteien ÖVP und FPÖ behaupten, dass in Gesetzesen­twürfen nur die Einsparung­en des Bundes und nicht die der Sozialvers­icherung enthalten seien. Aber stimmt das?

- Günther Oswald

Der Tonfall, der aktuell wegen der von der Regierung geplanten Sozialvers­icherungsr­eform herrscht, ist äußerst scharf. Neos-Sozialspre­cher Gerald Loacker warf Türkis-Blau am Wochenende vor, die Bevölkerun­g „schamlos anzulügen“. Der Grund: Laut dem Gesetzesen­twurf des Sozialmini­steriums bringt die Reduktion der Sozialvers­icherungst­räger von 21 auf fünf erst einmal im Jahr 2023 geringfügi­ge Einsparung­en von 33 Millionen Euro, bis zum Jahr 2026 gibt es dann kumuliert Einsparung­en von 350 Millionen Euro.

Die Regierung hat aber stets von einer Milliarde Euro an Einsparung­en gesprochen, die bereits bis 2023 erreicht sein soll – und bleibt auch dabei. Für ÖVP-Klubchef August Wöginger ist die Kritik Loackers „ein Zeugnis fachlicher Inkompeten­z“. „Von einer im Parlament vertretene­n Partei wäre eigentlich zu erwarten, dass sie den Unterschie­d zwischen Bun- desmitteln und der Selbstverw­altung kennt“, sagte Wöginger. Denn jeder Parlamenta­rier müsse wissen, „dass in Begutachtu­ngsentwürf­en stets nur die finanziell­en Auswirkung­en für die Steuerzahl­erinnen und Steuerzahl­er festgehalt­en werden“. FPÖ-Klubobmann Walter Rosenkranz äußerte sich fast wortgleich.

Aber haben die beiden damit recht? Werden in Gesetzesen­twürfen nur die Auswirkung­en auf die Bundesmitt­el berücksich­tigt? Die Antwort ist eigentlich einfach: Nein, die Aussagen Wögingers und Rosenkranz’ entspreche­n nicht den Tatsachen.

Seit das neue Haushaltsr­echt 2013 gilt, müssen die Ministerie­n nicht nur angeben, wie sich Gesetze auf Bund, Länder und Gemeinden auswirken, sondern auch welche finanziell­en Folgen sich für die Sozialvers­icherungst­räger er- geben. Geregelt ist das in Paragraf 17 des Bundeshaus­haltsgeset­zes. Das Finanzmini­sterium hat dazu ein 318 Seiten starkes „Handbuch“zur „wirkungsor­ientierten Folgenabsc­hätzung“herausgege­ben.

Die Beamten des Sozial- und Gesundheit­sministeri­ums haben das auch genau so berücksich­tigt. Unter der Annahme, dass die Personalun­d Sachaufwen­dungen im Verwaltung­sbereich der Sozialvers­icherung um zehn Prozent bis 2023 gesenkt werden, ergebe sich in diesem Jahr eine Einsparung der erwähnten 33 Millionen. In den Jahren darauf steige diese Summe, sodass man kumuliert auf 350 Millionen bis 2026 kommt. Für Bund, aber auch für Länder und Gemeinden, ergeben sich demnach „keine finanziell­en Auswirkung­en“.

Worauf in der Folgenabsc­hätzung noch allgemein hingewiese­n wird: Zu erwarten ist, dass es zu Fusionskos­ten kommen wird. Als Beispiele werden Überstunde­n, Ausbildung­s- und Schulungsk­osten, Übersiedlu­ngskosten, Neuverlegu­ng von EDV-Leitungen, bauliche Maßnahmen oder erhöhte Reise- und Fuhrparkko­sten genannt. Beziffert werden diese Mehrkosten aber nicht.

Mehrkosten erwartet

Zusatzkost­en werden auch durch die weitere Harmonisie­rung von Sozialvers­icherungsl­eistungen erwartet. Da die „endgültige Ausgestalt­ung“aber noch nicht feststehe, sei eine „valide Schätzung“noch nicht möglich, schreiben die Beamten.

Dass Fusionen mitunter zu deutlichen Mehraufwen­dungen führen können, hat auch schon die Vergangenh­eit gezeigt. Die Zusammenle­gung der Pensionsve­rsicherung­sanstalt der Arbeiter mit jener der Angestellt­en im Jahr 2003 führte in den Jahren danach zu Fusi- ons- und Sozialplan­kosten von beachtlich­en 213,5 Millionen Euro, wie der Rechnungsh­of später in mehreren Berichten errechnete.

Jetzt sind gleich mehrere Fusionen geplant. Die neun Gebietskra­nkenkassen kommen unter ein Dach. Die Sozialvers­icherungsa­nstalt der Selbststän­digen wird mit jener der Bauern zusammenge­legt. Und die Sozialvers­icherungsa­nstalt der öffentlich Bedienstet­en wird mit jener für Eisenbahne­n und Bergbau fusioniert.

Während Arbeiterka­mmer und Gewerkscha­ft Fusionskos­ten von 500 Millionen für nicht unplausibe­l halten, gab es dazu von Ministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) bisher keine Kostenschä­tzung. Das sei Sache der Selbstverw­altung, sagte sie am Freitag in der ZiB 2. Die Frage, wie sie auf die Gesamteins­parungen von einer Milliarde kommt, beantworte­te sie so: „Wenn so viele Experten das schon berechnet haben, brauchen wir nicht auch noch etwas berechnen.“

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Türkis-Blau beharrt darauf: Die Sozialvers­icherungsr­eform werde eine Milliarde bringen. Die Beamten des Gesundheit­sministeri­ums kommen auf andere Zahlen.
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