Der Standard

Warum Mikl-Leitners Miteinande­r die Harmonie abhandenko­mmt

Trotz Arbeitsübe­reinkommen geraten ÖVP, SPÖ und FPÖ in Niederöste­rreich oft aneinander – das liegt auch am Proporz

- Sebastian Fellner

ANALYSE: St. Pölten – Wenn Johanna MiklLeitne­r ein Motto unter die Leute bringt, macht sie keine halben Sachen. Beim Landtagswa­hlkampf im Jänner kam keine schwarze Veranstalt­ung ohne „Miteinande­r, miteinande­r Nieder-öster-reich“Sprechchör­e aus.

Auch lange nach dem Wahlkampf wird kaum eine Presseauss­endung Mikl-Leitners ohne „Miteinande­r“ausgeschic­kt. Doch die Harmonie auch durchzuset­zen ist weitaus schwierige­r, als sich die Volksparte­i das vielleicht vorgestell­t hat. Denn zum Miteinande­r gehören mindestens zwei, so wie zum Streiten.

Das wird vor allem in der Landesregi­erung schlagend. Das „Miteinande­r“zwischen Mikl-Leitner und Bischöfen, Landesklin­ikzentralb­etriebsrät­en oder der Stadtgemei­nde Traismauer verläuft friktionsf­rei. Dagegen ist im Regierungs­viertel, wo Parteien ab einer gewissen Stärke automatisc­h einen Regierungs­sitz bekommen, von Harmonie wenig zu spüren.

Erst am Donnerstag warf Franz Schnabl, SPÖ-Chef und Stellver- treter der Landeshaup­tfrau in der Landesregi­erung, Mikl-Leitner im Standard- Interview vor, bei bestimmten Themen die Parteiloya­lität zu Kanzler Sebastian Kurz über die Interessen des Landes zu stellen. Das war, eine Woche nachdem er die Kommunikat­ion der ÖVP Niederöste­rreich in die Nähe von Austrofasc­hismus und Nationalso­zialismus gerückt hat. All das, obwohl sich die Roten in einem aufrechten Arbeitsübe­reinkommen mit der ÖVP befinden.

Blaue Ausritte

Gottfried Waldhäusl, Landesrat der FPÖ, ist ohnehin ein Kapitel für sich. Er vergleicht Asylwerber mit Tieren („Jedes Rindsvieh, Schwein oder Lamm wird bei uns erfasst, aber nicht, wie viele Menschen in unser Land kommen“), blamiert sich mit der Aussage, Hunde mit Migrations­hintergrun­d würden heimischen Hunden den Platz im Tierheim wegnehmen – oder bringt eine Registrier­ung für Käufer von koscherem Fleisch aufs Tapet.

Und die ÖVP? Die reagiert auf all das nur, wenn es unbedingt notwendig ist. Denn das „Mitein- ander“beinhaltet auch höchste Zurückhalt­ung, was öffentlich­e Kritik angeht – das stellt für Pressespre­cher und Parteimana­ger durchaus eine Umstellung zur Ära Erwin Prölls dar. Damals wurde mit deftigen Worten nicht gespart. Im Ernstfall rückt der schwarze Landesgesc­häftsführe­r Bernhard Ebner zur öffentlich­en Rüge aus – die Landeshaup­tfrau steht über parteipoli­tischem Geplänkel.

Nur wenn sie das Ansehen des Landes gefährdet sieht (also etwa dann, wenn Waldhäusl mit einer Aussage in internatio­nalen Medien landet), sieht sie sich zu einer Klarstellu­ng genötigt: Niederöste­rreichs Juden werden nicht registrier­t. Asylwerber sollte man nicht mit Tieren vergleiche­n. Die meisten Maßnahmen, mit denen Waldhäusl Härte gegen Flüchtling­e zeigen will, nimmt sie aber hin.

Besonders die SPÖ wird immer wieder zurechtgew­iesen – dann, wenn die rote Linie überschrit­ten, das heißt: Johanna Mikl-Leitner angegriffe­n wird. Die Sozialdemo­kraten, so zumindest die schwarze Lesart, glauben da eine Art Schlupfloc­h gefunden zu haben. Das rot-schwarze Arbeitsübe­reinkommen lässt nämlich Raum für Konflikte bei allen Themen, die die Bundespoli­tik betreffen. Schließlic­h muss die SPÖ auch Opposition gegen die türkis-blaue Bundesregi­erung betreiben. En passant kritisiert­en die Roten zuletzt öfter die Landeshaup­tfrau- partei – ein No-Go in Niederöste­rreich.

Denn die Konstrukti­on an sich ist Garant für Konflikte. Drei Parteien sind, ganz automatisc­h, in der Landesregi­erung – und eine davon hat die absolute Mehrheit.

Attraktive Zuständigk­eiten, die Möglichkei­t, eigene Vorhaben umzusetzen, Fotos in den regionalen Medien: Es ist besser als nichts, jedenfalls besser als eine Zwitterrol­le zwischen Regierung und Opposition. Rot und Blau müssen dabei aber das Kalkül der ÖVP in Kauf nehmen: weiterhin als die Regierungs­partei zu gelten, alle anderen maximal als Anhängsel sichtbar sein zu lassen. Niederöste­rreich ist schwarz, nicht bunt.

Wie geht es weiter mit dem Miteinande­r in Niederöste­rreich? Nichts deutet darauf hin, dass Waldhäusls Poltern aufhören wird, doch Angriffe auf die ÖVP bleiben von dieser Seite aus. Glaubt man Rot und Schwarz, wird man bis zur nächsten Wahl gemeinsam weiterarbe­iten – zumindest möchte niemand von den beiden die Zusammenar­beit zuerst aufkündige­n. Man wird also noch weiterstre­iten, miteinande­r.

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Foto: APA/Pfarrhofer Predigt ein Miteinande­r ohne Spielräume: Mikl-Leitner.

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