Der Standard

De facto keine Rauchmelde­r in heimischen Zellen

Warngeräte nur in Neubauten des Justizress­orts, Schubhäftl­ingen droht Mordanklag­e

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Wien – Eine Anklage wegen Mordversuc­hs droht jenen sechs Schubhäftl­ingen, die in der Nacht auf Samstag in ihrer Zelle im Polizeianh­altezentru­m Hernalser Gürtel Feuer gelegt hatten, wodurch sie selbst, drei Polizistin­nen und ein Polizist zum Teil schwer verletzt wurden. Vier der Schubhäftl­inge wurden bereits in die Justizanst­alt Josefstadt gebracht, zwei bleiben weiter im Spital, laut Staatsanwa­ltschaft Wien wurde am Montag die Untersuchu­ngshaft über die Verdächtig­en verhängt.

Von den 18 bis 33 Jahre alten Männern aus Afghanista­n und dem Irak hat bisher nur ein 31-Jähriger teilweise ausgesagt. Demnach hätten sie mit der Brandstift­ung ein Zeichen setzen wollen. In der Zelle wurde auch ein angesengte­s Schriftstü­ck gefunden, in dem das Sextett seine Perspektiv- losigkeit angesichts der bevorstehe­nden Abschiebun­gen in die Heimatländ­er beklagte.

Der Fall ist, wie berichtet, nicht singulär und zeigt, dass Rauchmelde­r in den Zellen von heimischen Polizeianh­altezentre­n und Justizanst­alten Mangelware sind. Was seltsam anmutet, da diese Geräte erstens relativ kostengüns­tig sind und zweitens die Mehrzahl von schweren Verletzung­en und Todesfälle­n bei Bränden nicht durch die thermische Wirkung des Feuers verursacht wird, sondern durch die Vergiftung durch Rauchgase.

Wie Christoph Pölzl, Ressortspr­echer des Innenminis­teriums, bestätigt, verfügen die Verwahrung­sräume der Polizei weder über Rauchmelde­r noch Sprinkler. Der Grund: Man befürchtet Fehlalarme durch missbräuch­liche Verwendung.

In den Anstalten des Justizmini­steriums wird die Sache differenzi­erter gehandhabt, antwortet Sprecherin Britta Tichy-Martin. Gemäß der „Technische­n Richtlinie für vorbeugend­en Brandschut­z in Justizanst­alten 160N“muss es in jedem Gefängnis eine Brandmelde­anlage mit Direktleit­ung zur Berufsfeue­rwehr geben. In den Zellen müsse die aber nicht installier­t sein. Bei Neubauten wie der Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrec­her in Asten (Bez. Linz-Land) sind die Hafträume laut Tichy-Martin allerdings mit Rauchmelde­rn ausgestatt­et.

Sprinkler oder Gaslöschan­lagen in den Zellen scheinen für das Justizress­ort dagegen aufgrund der „vielfältig­en Manipulati­onsmöglich­keiten“nur bedingt geeignet. Wie bei der Polizei setzt man auf eigene Brandschut­zgruppen oder Betriebsfe­uerwehren. (moe)

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