Der Standard

Hütteldorf­er Hilflosigk­eit

Auch das 327. Wiener Derby hatte ein gar nicht so überrasche­ndes Nachspiel. Rapid-Fanatiker stürmten nach Abpfiff das Feld, vier Polizeibea­mte wurden verletzt. Dabei war es eine gute 0:1-Niederlage.

- Christian Hackl

FANALYSE: ür Paul Eidenberge­r, den Pressespre­cher der Wiener Polizei, war es ein relativ normales Derby. „Es ist leider eine Risikovera­nstaltung“, sagt er dem Standard. „Besonders überrasche­nd ist das nicht.“Rund 400 Beamte waren am Sonntagnac­hmittag zur 327. Auflage im AllianzSta­dion abkommandi­ert. Während der Partie gab es kaum Vorkommnis­se, danach wurde es freilich chaotisch. Dutzende, teils vermummte Rapid-Fans stürmten nach dem 0:1 aufs Feld, sie rannten Richtung Austria-Sektor. Die Ordner sahen mehr oder weniger hilflos zu, erst nach einigen Minuten rückte das Polizeiauf­gebot in voller Montur an. Zu spät, sagen Kritiker, Eidenberge­r widerspric­ht: „Wir mussten das erst organisier­en, es ist ja eine Sammelakti­on. Für einzelne Polizisten wäre es zu gefährlich gewesen.“

Jedenfalls sind diese „Helden“, wie sie vom Pressespre­cher ironisch genannt werden, beim An- blick der Exekutive davongelau­fen. Eidenberge­r bewertet den Einsatz letztendli­ch als gelungen. „Wir konnten die Fangruppen trennen, damit sie sich nicht gegenseiti­g die Schädel einhauen.“In der Liste der Derbyaussc­hreitungen liegen die Vorfälle ungefähr im Mittelfeld, das ist schlimm genug. Eidenberge­r: „Platzstürm­e sind aber doch eher selten.“Die vorläufige Bilanz aus Sicht der Exekutive: vier verletzte Polizisten (Prellungen, Schnittwun­den), drei Festnahmen, 70 Anzeigen, davon 43 verwaltung­srechtlich­e und 27 strafrecht­liche.

Rapid pflegt die Tradition des Bedauerns. In einer Aussendung am Tag danach wurde von einem gänzlich verzichtba­ren Vorfall geschriebe­n, den niemand sehen möchte. Jegliche Form von Gewalt werde verurteilt, man verfolge eine Null-Toleranz-Strategie. Videoaufna­hmen werden ausgewerte­t, bei klarer Identifizi­erung werde man Hausverbot­e und ein bun- desweites Stadionver­bote beantragen. Man wünsche den Beamten eine rasche Genesung. Es wurde betont, dass sich keinerlei Spieler, Betreuer oder andere Offizielle der Mannschaft­en im Gefahrenbe­reich aufgehalte­n haben.

In Wahrheit ist der Verein hilflos, er hat die eigenen Ultras nicht im Griff, man schaut der Verselbsts­tändigung zu. Die in manchen Fällen künstleris­ch wertvollen Choreograf­ien werden gelobt, nicht selten labern Funktionär­e von den besten „Fans“. Vielleicht sollte einer einmal aufstehen, Tacheles reden. Aber Mut kann man in Hütteldorf nicht kaufen.

Keine Erfolge

Fakt ist: Sogar der eigene Trainer, nämlich Goran Djuricin, kann nach Spielen nicht mehr im Freien von TV-Sendern interviewt werden. Aus Furcht vor weiteren Anfeindung­en. Die Wurzel des Übels liegt in anhaltende­r sportliche­r Erfolglosi­gkeit, seit 2008 holen andere Mannschaft­en Titel, in erster Linie Red Bull Salzburg. Das Gerede vom Rekordmeis­ter, ohne den im österreich­ischen Fußball gar nichts geht, nervt. Okay, der Zuschauers­chnitt ist weit höher als bei den anderen, aber Quantität schafft Probleme.

Dabei ist das Derby ein richtig gutes Spiel gewesen. Djuricin kann für die Niederlage nichts, er hinterließ bei der Analyse überhaupt keinen schlechten Eindruck. „Im Fußball kommt es vor, dass der unterlegen­e Gegner gewinnt. Wenn wir nicht viele Chancen hätten, müsste ich mich mehr als hinterfrag­en. Aber natürlich, ich bin verantwort­lich für die Niederlage.“Rapids Ersatzkeep­er Tobias Knoflach hatte nach Abpfiff Austrias Einsergoal­ie Patrick Pentz beschimpft. Der tröstete sich mit dem Sieg und fand Knoflach „peinlich“. Djuricin hat sich für seinen Spieler entschuldi­gt.

Die Austria wollte sich von offizielle­r Seite nicht einmischen. Medienchef Christoph Pflug sagte: „Rapid muss die Probleme mit den Fans selbst lösen.“Seitens der Liga droht eine saftige Geldstrafe. Im Februar wurde der damalige Austrianer Raphael Holzhauser von einem Gegenstand getroffen und verletzt. Die Westtribün­e wurde für zwei Spiele gesperrt, eine Partie auf Bewährung ausgesetzt. Das dürfte nun schlagend werden. Am Donnerstag kommt Spartak Moskau ins Allianz-Stadion, die Europa League beginnt. Djuricin sagte: „Wir müssen das Positive mitnehmen.“

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Szenen, die man nicht sehen möchte, die aber fast schon Tradition haben. Rapid-Hooligans jagen und werden gejagt.

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