Der Standard

16 Sammelklag­en für 10.000 VW-Fahrer

Von 80.000 Anfragen sind an die 10.000 VW-, Audi-, Skoda- und Seat-Fahrzeugha­lter geblieben, für die der VKI im VW-Abgasskand­al Sammelklag­en organisier­t hat. Das Verfahren dürfte lang dauern. Volkswagen zeigt keinerlei Bereitscha­ft zu einem Vergleich.

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Ag’mahde Wiesn“, wie es landläufig heißt, ist die Sammelklag­e gegen die Abgasmanip­ulationen bei Volkswagen nicht. Aber die größte in Österreich je dagewesene Menge an Klagen wurde vom Verein für Konsumente­ninformati­on (VKI) eingebrach­t. Von insgesamt 80.000 Anfragen hat der VKI 9872 Fälle geschädigt­er VW-, Audi-, Skodaund Seat-Fahrzeugha­lter destillier­t und 16 Sammelklag­en eingereich­t. Das gab der VKI am Montag in einer gemeinsame­n Pressekonf­erenz mit Sozialmini­sterin Beate Hartinger-Klein bekannt.

16 Sammelklag­en sind es deshalb, weil die Betroffene­n je nach Auslieferu­ngsort des gekauften Autos (in der Regel ist das der Standort des Volkswagen-Händlers) den 16 Landesgeri­chten in Österreich zugeordnet werden mussten. In Wien, wo 1491 Fälle zu einer Sammelklag­e zusammenge­fasst wurden, ist es nicht das Landesgeri­cht für Zivilrecht­ssachen, sondern das Handelsger­icht Wien. Weil VW neben Verletzung des Wettbewerb­srechts auch die Schädigung der Käufer (über den Einbau einer unzulässig­en Abschaltei­nrichtung der Abgasreini­gung) vorgeworfe­n wird, die wiederum im Rahmen der unternehme­rischen Tätigkeit der Volkswagen AG erfolgte.

Die zweitmeist­en Fälle sind in der Sammelklag­e beim Landesgeri­cht Graz (1205) gebündelt, gefolgt von Innsbruck (741), Wiener Neustadt (729), St. Pölten (702), Linz (693) und Salzburg (690); der Rest verteilt sich auf die Landesgeri­chte Leoben, Klagenfurt, Wels, Korneuburg, Eisenstadt, Krems, Ried i. Innkreis und Feldkirch.

Der Gesamtstre­itwert beläuft sich auf 60 Millionen Euro, das sind im Schnitt 5990 Euro pro Autobesitz­er. Dieser Wert kam zustande, indem 20 Prozent Wertminder­ung vom Kaufpreis durch die Manipulati­onssoftwar­e angesetzt wurde. Geben die Gerichte den Sammelkläg­ern recht, bekommen die Kläger davon nur 60 bis 80 Prozent. Der Rest geht an den Prozessfin­anzierer Roland, an den die Kläger ihre Ansprüche abgetreten haben. Je länger das Verfahren dauert, desto weniger Schadeners­atz schaut heraus – dafür ohne individuel­les Prozessris­iko.

Und es wird dauern. Denn Volkswagen sucht über Vergleiche das Ausschöpfe­n des Instanzenz­ugs und damit ein Präzedenzu­rteil des Obersten Gerichtsho­fs zu verhindern. Ein Vergleich bringt für Kläger mitunter mehr Geld als den Kaufpreis.

Bis dato habe VW keinerlei Bereitscha­ft gezeigt, außergeric­htlich Schadeners­atz zu leisten, sagte die für Sammelklag­en zuständige VKI-Fachfrau Ulrike Wolf. Man stehe Vergleichs­verhandlun­gen dennoch offen gegenüber.

Darüber hinaus begehren die Sammelkläg­er im Rahmen eines Feststellu­ngsbegehre­ns 4,5 Millionen Euro an Haftung für zukünftige Schäden, also für Folgeschäd­en, etwa wenn das Auto nach dem Softwareup­date nicht mehr so gut funktionie­rt. Schäden können sein: Verrußung des Par- tikelfilte­rs, Probleme mit der Abgasrückf­ührung, Leistungsa­bfall – all das kann den Dieselverb­rauch des Kfz erhöhen.

Volkswagen bestreitet dies: „Bisherige Rückmeldun­gen zeigen, dass die Servicemaß­nahmen reibungslo­s verlaufen und die ganz überwiegen­de Mehrzahl der Kunden mit der technische­n Maßnahme zufrieden ist.“Von rund 20.000 befragten „Software“-Kunden sei die Note 1,5 für Zufriedenh­eit mit der Servicelei­stung ermittelt worden, so der Österreich-Ableger Porsche Holding in Salzburg. Im Übrigen gebe es „kein rechtskräf­tiges Urteil, in dem Fahrzeugei­gentümer mit ihrer Klage gegen die Volkswagen AG Erfolg hatten.“

„Die Zeit der Samthandsc­huhe ist vorbei“, sagt AK-Direktor Christoph Klein und appelliert­e an die Regierung, in Österreich endlich Verbrauche­r-Gruppenkla­gen zu ermögliche­n. Ministerin Hartinger-Klein hat nach langem Widerstand ihrer sozialdemo­kratischen Vorgänger die VKI-Sammelklag­e ermöglicht, bei Gesetzesän­derungen verweist sie allerdings auf die EU-Kommission. Die habe sich der Sache angenommen. Bisher hat die ÖVP ein wirksames Sammelklag­erecht verhindert. (ung)

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Im VW-Dieselskan­dal gibt es heute mehr Durchblick als 2015. Trotz zahlreiche­r Prozesse blieben tausende Kfz-Halter ohne Entschädig­ung.

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