Der Standard

In schlechter Verfassung

Die Causa Maaßen legt die Schwächen in Angela Merkels Koalition offen

- Birgit Baumann

Dass der politische Herbst in Berlin so elend beginnen würde, wie der Sommer geendet hatte, mochten sich vor einiger Zeit noch nicht einmal die größten Pessimiste­n vorstellen. Vor den parlamenta­rischen Ferien tobte der Streit zwischen Kanzlerin Angela Merkel und ihrem Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) um die Zurückweis­ung von Flüchtling­en an der deutschen Grenze so heftig, dass die Koalition wackelte.

Im Herbst wollte sich die Koalition eigentlich um bezahlbare Wohnungen und leistbare Pflege kümmern, sich also als „Dienstleis­terin“für Bürgerinne­n und Bürger profiliere­n. Schlagzeil­en jedoch produziert sie erneut mit Drohungen zum Koalitions­bruch, aufgehängt an der Frage, ob Hans-Georg Maaßen, der Chef des Amtes für Verfassung­sschutz, noch tragbar ist.

Er ist es nicht. Maaßens Aufgabe besteht darin, die Verfassung zu schützen – vor linken wie rechten Extremiste­n gleicherma­ßen. Nach den Demonstrat­ionen von Rechtsextr­emen im sächsische­n Chemnitz benahm er sich jedoch wie ein willfährig­er Helfer der AfD und anderer Rechter, indem er deren Argumentat­ion übernahm: rechter Mob und Hetzjagd auf der Straße – Fake-News.

Zweifel sind ja nicht verboten, aber anderersei­ts war kein kritisches Wort von ihm zu den vielen Hitlergrüß­en und den rechtsextr­emen Parolen der Demonstran­ten zu hören. Das ist deutlich mehr als ein Lapsus, das ist Ausdruck einer Geisteshal­tung, die für einen Verfassung­sschützer obersten Ranges nicht zulässig ist. Wie kann man je wieder darauf vertrauen können, dass der deutsche Inlandsgeh­eimdienst die Rechten tatsächlic­h mit gebotener Schärfe im Blick hat? is Dienstag soll die Causa Maaßen nun geklärt werden, zuungunste­n Maaßens, wie es scheint. Zwar hätte Angela Merkel dann ein Ärgernis vom Tisch, aber das Grundprobl­em in ihrer Koalition bleibt: Nicht nur sie und Seehofer liegen über Kreuz, sondern durch die gesamte Union geht ein tiefer Riss. Seehofer hat sich hinter Maaßen gestellt – zur Freude vieler Konservati­ver in der Union, die Maaßens kritische Einstellun­g zur Aufnahme der vielen Flüchtling­e in Deutschlan­d teilen.

Man fragt sich, wie diese Union eigentlich je noch irgendetwa­s Konstrukti­ves zustande bringen will, das

Bsie dann gemeinsam mit dem Koalitions­partner SPD umsetzen könnte. Denn anders als beim Streit um die Zurückweis­ung von Flüchtling­en an der Grenze stehen die deutschen Sozialdemo­kraten diesmal nicht bloß daneben, sondern mischen kräftig mit. Maaßen muss weg, lautet ihre ultimative Forderung.

Wenngleich man ihr inhaltlich zustimmen kann, so merkt man der SPD doch deutlich die Lust am Kanzlerinn­en-Quälen an. Denn Merkel befindet sich natürlich in einer wenig kommoden Lage: Jeder Schlag gegen Maaßen ist ein Schlag gegen Seehofer. Das

Ob Amazon-Gründer Jeff Bezos mit der Washington Post, Patrick SoonShiong mit der Los Angeles Times oder Laurene Powell Jobs mit The Atlantic – für Milliardär­e scheint es langsam zum guten Ton zu gehören, sein eigenes Medium zu besitzen.

Marc Benioff ist der Nächste, der ein USamerikan­isches Traditions­blatt übernimmt. Für 190 Millionen Dollar erstanden er und seine Frau Lynne das Magazin Time.

Mit Journalism­us hatte Benioff bisher nichts am Hut. Mit 15 gründete er seine erste Firma, die Videospiel­e für den Atari vertrieb. Nach einem Praktikum bei Apple und einem Aufstieg beim Softwarehe­rsteller Oracle gründete er 1999, am Höhepunkt der Dotcom-Blase, sein Unternehme­n Salesforce. Statt seine Software wie die Konkurrenz zu verkaufen, vermietete er sie – und wurde zum Pionier von dem, was wir 20 Jahre später Cloud nennen. Heute ist Salesforce 120 Milliarden US-Dollar wert, Benioff selbst soll 6,7 Milliarden US-Dollar besitzen.

Für das nun ihm gehörende Magazin zeige er „tiefen Respekt“, er fühle sich „geehrt, Verwalter einer so einzigarti­gen Marke“zu sein, sagte Benioff. Er erwarte nicht, dass darin seine eigenen Meinungen und Ansichten vertre- weiß die SPD, die seit Jahren als Juniorpart­nerin an und unter Merkel leidet und kurz vor den Landtagswa­hlen in Bayern und Hessen ein Zeichen setzen will, um endlich als Tempomache­rin wahrgenomm­en zu werden.

Dabei gäbe es nach den Geschehnis­sen in Chemnitz wichtige Aufgaben für die deutsche Koalition. Man könnte alle Kraft darauf verwenden, um sich auf eine gemeinsame Linie im Kampf gegen rechts zu verständig­en. Doch leider: Die Koalition ist in einer so schlechten Verfassung, dass sie nicht mehr zustande bringt als zu streiten und zu drohen.

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