Kern geht ins EU-Parlament
Rücktritt als Parteichef nach der Europawahl angekündigt
Wien – SPÖ-Chef Christian Kern gab am Dienstagabend bekannt, dass er als Spitzenkandidat der SPÖ für die Europawahl im Mai 2019 antreten wird. Dann werde er auch als Parteichef zurücktreten, sagte Kern vor der Presse.
In den Stunden vor der Ankündigung wurde schon heftig über Kerns Zukunft spekuliert. Die meisten Beobachter gingen davon aus, dass er sich aus der Politik zurückziehen und in die Privatwirtschaft gehen werde.
Über mögliche Nachfolger für Kern war am Dienstag zunächst nichts bekannt. Unklar war auch, ob sich Kern als Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokraten bewerben wird – und damit auch für den Posten des EU-Kommissionspräsidenten. (red)
Sogar einige seiner allerengsten Mitarbeiter wurden von Christian Kern auf dem falschen Fuß erwischt. „Das ist ein totaler Blödsinn“, erklärte ein Vertrauter des Ex-Kanzlers noch, nachdem erste Meldungen über einen vorzeitigen Rücktritt des Parteichefs am Dienstagnachmittag die Runde gemacht hatten. In Parteikreisen wurden diese aber bald bestätigt. Nähere Hintergründe über die Motive wusste aber niemand, alle tappten im Dunkeln.
Die emotionale Verfasstheit in der Funktionärsschicht ließ sich mit einem Wort beschreiben: Schock. Da müsse etwas „über Nacht gereift sein“, so eine der geäußerten Vermutungen. Hektisches Treiben brach in der Partei aus. Doris Bures verließ den Untersuchungsausschuss zur Causa Verfassungsschutz, dessen Vorsitz sie eigentlich führt, und zog sich zu Krisenbesprechungen zurück.
Auch andere Spitzenvertreter gingen auf Tauchstation. Jene roten Landeschefs, die noch nichts von einer länger angesetzten Parteisitzung in Wien wussten, wurden durchtelefoniert und machten sich auf den Weg in die Hauptstadt. Dort wollte Kern persönlich seine Entscheidung erklären.
Kurz nach 18 Uhr trat er dann vor die Presse und sorgte für einen Paukenschlag. Ja, er wolle die Parteispitze abgeben. Aber nein, er will sich nicht gänzlich aus der Politik zurückziehen. Ganz im Gegenteil: Der 52-jährige frühere ÖBB-Manager möchte als Spitzenkandidat der Sozialdemokraten bei der EU-Wahl im kommenden Jahr antreten. Kern spielt offenbar auch damit, Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokraten zu werden. Darüber müssten aber erst die Gremien beraten, hieß es in der SPÖ.
Nachfolge offen
Völlig offen war zunächst, wie es an der Parteispitze nun weitergehen soll. Kern erklärte, er wolle den Vorsitz nach der EUWahl, die im Mai 2019 stattfinden wird, übergeben. Das hieße aber, dass er sich beim Parteitag, der am 6. und 7. Oktober über die Bühne gehen wird, noch einmal der Wahl stellen würde.
Als Nachfolger drängte sich vorerst niemand auf. Aus der burgenländischen SPÖ, die gerade auf Klausur war, wurde versichert, dass der neue Landesparteichef und designierte Landeshauptmann Hans Peter Doskozil nicht für die Führung der Bundespartei zur Verfügung stehe, da er im Burgenland bleiben wolle. Der 48-jährige Vertreter des rechten Parteiflügels wurde erst vor wenigen Tagen zum Nachfolger Hans Niessls gewählt.
Kaiser will nicht
Ebenfalls gehandelt wurden Nationalratspräsidentin Bures sowie die Nationalratsabgeordnete und frühere Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner. Für Bures spräche, dass sie eine der erfahrensten SPÖ-Politikerinnen ist und die Partei inund auswendig kennt.
Ein Zeichen der Erneuerung wäre aber eher Rendi-Wagner, die seinerzeit von Kern in die Regierung geholt wurde und sich mittlerweile innerparteilich ein gutes Standing erarbeitet hat.
Ein rotes Schwergewicht ist natürlich auch Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser, der aber zu Jahresbeginn gerade erst die Landtagswahl in seinem Bundesland gewonnen hat und noch am Nachmittag der Kleinen Zeitung sagte, definitiv nicht die Partei zu übernehmen. „Ich habe kein Mandat in Wien“, eine „Fernbeziehung“sei nicht sinnvoll, so der Landeshauptmann.
Klar ist jedenfalls: Der Zeitpunkt für einen Wechsel ist alles andere als optimal. Auf etwaige Rückzugsgelüste angesprochen, erklärte Kern zuletzt im ORF- Sommergespräch noch, diese seien „absoluter Mumpitz“.
Überraschend kommt die Entscheidung auch, weil das innerparteilich schwierige Thema Migration gerade erst im Konsens gelöst werden konnte. Doskozil und Kaiser legten ein gemeinsames Positionspapier vor, das beim Parteitag beschlossen werden soll. Auch ein neues Parteiprogramm wurde unter Kern auf Schiene gebracht.