Untreueverdacht an Schule: Ministerium zeigt Lehrer an
An der Versuchsanstalt einer berufsbildenden Schule in Wien sollen Lehrer zu viel Geld kassiert und allein in den vergangenen drei Jahren 1,8 Millionen Euro Schaden verursacht haben. Die Justiz prüft den Fall.
Wien – An der Versuchsanstalt der Schule TGM in Wien sollen mindestens 1,8 Millionen Euro veruntreut worden sein: Das gab Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) am Freitag bekannt. Das Ministerium hat Strafanzeige gegen 41 Verdächtige erstattet. Die Bediensteten sollen fürs Erstellen von Gutachten Taxen kassiert haben, obwohl diese Leistungen schon durch das Lehrergehalt abgegolten sind. Der Schulleiter wurde suspendiert. Es gilt die Unschuldsvermutung. (red)
Lehrkräfte sollen jahrelang für dieselbe Leistung doppelt kassiert und damit der Republik einen Schaden von mindestens 1,8 Millionen Euro verursacht haben: Das ist der Vorwurf an Bedienstete der Versuchsanstalt an der Schule TGM in WienBrigittenau, um den sich nun die Staatsanwaltschaft kümmern muss.
41 Verdächtige sollen in die rechtswidrige Verwendung von Geldern an der Versuchsanstalt verwickelt gewesen sein. Das Bildungsministerium hat eine Sachverhaltsdarstellung wegen des Verdachts auf Untreue an die Staatsanwaltschaft Wien übermit- telt. Der Leiter der Versuchsanstalt, der zugleich auch Direktor des TGM ist, wurde vorübergehend suspendiert, gegen ihn und zwei Fachbereichsleiter wurden Disziplinaranzeigen erstattet.
Testat gegen Geld
Zu den Vorwürfen im Detail: Die Versuchsanstalt des TGM ist nicht nur für die Schüler da, Lehrende in den Bereichen Kunststofftechnik oder Bauphysik erbringen auch Leistungen für die Privatwirtschaft. Betriebe können hier prüfen lassen, ob ihre Erzeugnisse den gesetzlichen Normen entsprechen, und können sich das per Gutachten und Testat beschei- nigen lassen. Für die Testate verlangt die Versuchsanstalt Geld. Dieses Geld fließt in die Kassen der Versuchsanstalt. Gehälter, Betriebskosten und Investitionsaufwendungen werden daraus bezahlt. Bleibt dann noch etwas übrig, wird es unter den Bediensteten aufgeteilt. So weit, so rechtens.
Laut Ministerium haben die Bediensteten aber fixe Taxen einbehalten – noch dazu für Leistungen, die zum Teil schon durch das Lehrergehalt abgegolten waren. Die Betreffenden haben laut den Vorwürfen also doppelt kassiert.
107 der 110 Bediensteten des TGM konnten sich laut Angaben des Ministeriums über dieses Zubrot freuen – dass trotzdem nur 41 Personen bei der Staatsanwaltschaft angezeigt wurden, erklärt Andreas Berger, Leiter der Internen Revision im Bildungsministerium, damit, dass nur bei ihnen der Verdacht auf Doppelbezah- lung bestehe. Bei zehn Bediensteten bestehe der Verdacht, „in besonderem Ausmaß in die Missstände involviert zu sein“. Lehrkräfte der Versuchsanstalt waren für den STANDARD am Freitag zu keiner Stellungnahme bereit: Man sei vom Ministerium angewiesen worden, nicht mit Medien zu sprechen, hieß es. Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.
Schaden womöglich größer
Der Schaden wird derzeit mit mindestens 1,8 Millionen Euro beziffert, er könnte laut Ministerium aber um einiges größer sein: Die Finanzprüfung des Bildungsministeriums hat nämlich nur die vergangenen drei Jahre untersucht. Dass das Geldabzweigen am TGM schon länger als drei Jahre Usus sein dürfte, bestätigte indirekt auch Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) in einer eilig einberufenen Pressekonferenz am Freitag: Die Wahrscheinlich- keit, dass die rechtswidrige Praxis erst vor drei Jahren begonnen habe, sei gering, so Faßmann, der jedoch betont, dass das TGM „ein ausgesprochen starker Schultyp“sei. Die Vorwürfe würden sich nur auf die der Schule angegliederte Versuchsanstalt beziehen, nicht auf die Schule selbst. Nun wird geprüft, ob die 18 weiteren Versuchsanstalten ähnliche Praktiken etabliert haben.
Dienstrechtliche Konsequenzen müssen übrigens auch zwei Beamte des Bildungsministeriums befürchten. Ihnen wird mangelnde Kontrolle vorgeworfen. Sie könnten sich jedoch auf einen Erlass berufen, der aus dem Jahr 2014 stammt: In ihm, so Revisionsleiter Berger sinngemäß, wird die grundsätzlich eindeutige gesetzliche Regelung bezüglich Zusatzeinnahmen von Lehrkräften verwässert, die Formulierung sei unpräzise. Dieser Erlass soll nun nachgeschärft werden.