Kern geht, Rendi-Wagner kommt
3. April 2018 Christian Kern erklärt auf Nachfrage, ob er die SPÖ in die nächste Nationalratswahl führen wolle, im STANDARD- Interview: „Das ist mein erklärtes Ziel. Deshalb werden wir in den nächsten Jahren alles dafür tun, das Kanzleramt zurückzuerobern.“
Sommer 2018 Kern bespricht mit engsten Vertrauten mögliche Szenarien für die Europawahl im Mai 2019. Die Analyse ergibt: Egal, wer Spitzenkandidat sein wird, die Öffentlichkeit wird den Parteichef für das Ergebnis verantwortlich machen. Daher wird erwogen, Kern selbst ins Rennen zu schicken.
3. September 2018 Im ORF- Sommergespräch wird Kern auf Gerüchte angesprochen, wonach er selbst in den EU-Wahlkampf ziehen könnte. Seine Antwort: „Totaler Mumpitz!“
16. und 17. September 2018 Kern führt informelle Gespräche mit einer Handvoll ausgewählter Spitzenfunktionäre. Dazu zählen dem Vernehmen nach Doris Bures, Wolfgang Katzian und einige Landesparteichefs. Er macht klar, dass er den Vorsitz wegen der EU-Wahl zurücklegen wolle und eine Nachfolgerin gut fände, die nicht dem klassischen Funktionärstyp entspricht. Ausführlich besprechen will er das am 18. September am Abend.
18. September 2018 Bereits am Dienstagnachmittag gehen Kronen Zeitung und Presse mit ersten Meldungen online, wonach Kern zurücktreten werde. Auch dem STANDARD wird die Nachricht wenig später von hochrangigen SPÖlern bestätigt, allerdings ohne den Zusatz, dass er nach Brüssel wechseln möchte. Kern bestätigt das erst kurz nach 18 Uhr. Ob er in den Stunden dazwischen überlegt hat, angesichts der Indiskretion seiner Parteifreunde, die geplaudert hatten, ganz hinzuschmeißen, wird in SPÖ-Kreisen kolportiert, ist aber nicht bestätigt. Am Abend bespricht Kern mit den Landesparteichefs und anderen Spitzenfunktionären die weitere Vorgangsweise. Vereinbart wird schnell: Der Parteitag wird von Anfang Oktober auf den 24. und 25. November verschoben. Die SPÖ will nicht, dass Kern bis zur EU-Wahl Parteichef bleibt.
19. September 2018 Am Vormittag tagen die SPÖ-Gremien. Schon davor hagelt es Absagen: Die logischsten Nachfolgekandidaten Doris Bures, Peter Kaiser und Hans Peter Doskozil erklären, für den Parteivorsitz nicht zur Verfügung zu stehen. Nur Ex-Gesundheitsminister Pamela Rendi-Wagner hält sich bedeckt. Sie soll Kerns Favoritin für den Job sein. Die rote Parteispitze beschließt offiziell, dass Kern die SPÖ in die EU-Wahl führen soll. Am Abend verkündet er, auch als Spitzenkandidat für die Europäischen Sozialdemokraten antreten zu wollen – der gemeinsame Kandidat wird im Dezember gekürt werden.
21. September Bures, die von zahlreichen ihrer Genossen bekniet wurde, doch Obfrau zu werden, winkt noch einmal ab. SPÖ-intern deutet jetzt alles auf Rendi-Wagner als neue Parteichefin hin. Die Burgenländer, die zu den Befürwortern von Bures zählten, beschließen am Nachmittag als erste Landesgruppe offiziell, sich hinter RendiWagner zu stellen. (go, mika)