Der Standard

Wie Europas Waffenbaue­r den US-Markt erobert haben

Jede fünfte verkaufte Pistole stammte zuletzt von Glock

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Zu den Ritualen nach jeder Massenschi­eßerei in den USA gehört, dass eine Debatte darüber ausbricht, ob das Land sich nicht doch strengere Waffengese­tze geben sollte. In der Regel enden die Diskussion­en ergebnislo­s. Seltener, wie nach dem Amoklauf in einer Schule in Parkland, Florida, mit 17 Toten im Februar, werden die Regeln zumindest auf Ebene der betroffene­n Bundesstaa­ten etwas verschärft.

In Europa verfolgt die Öffentlich­keit die Diskussion­en mit einer Mischung aus Verwunderu­ng und Unverständ­nis: Einen Waffenwahn, wie er in Teilen der US-Gesellscha­ft verankert ist, gibt es in Europa schließlic­h nicht. Dabei wird ein Detail auf dieser Sei- te des Atlantiks oft übersehen: Europäisch­e Produzente­n haben einen großen Teil des US-Waffenmark­tes fest im Griff. Etwas mehr als jede dritte legal verkaufte Handfeuerw­affe stammt aus europäisch­er Produktion. Besonders das Exportland Österreich ist groß im Geschäft.

Laut einer Auswertung von Small Arms Analytics, einem USamerikan­ischen Beratungsu­nternehmen, für den STANDARD, haben die US-Amerikaner im vergangene­n Jahr 3,2 Millionen Pistolen und Revolver aus dem Ausland importiert. Die Einfuhren kommen fast nur aus Europa. 1,2 Millionen davon stammten aus Österreich. Die Zahl der in Österreich produziert­en Waffen, die in den USA verkauft werden, hat sich in wenigen Jahren verdoppelt.

Diese Einfuhrsta­tistiken verraten zwar nicht, welches Unternehme­n die Waffen baut. In Österreich gibt es aber nur einen Konzern, der in industriel­ler Dimension Pistolen erzeugt: Glock. Das Unternehme­n verfügt über drei Produktion­sstandorte in Europa. Neben Deutsch-Wagram in Niederröst­ereich gibt es eine GlockFabri­k in Ferlach, Kärnten, und eine in Bratislava.

Glock produziert auch direkt im US-Bundesstaa­t Georgia, zuletzt rund 370.000 Pistolen. Laut Firearms Analytics wird aus Georgia die Nachfrage der Behörden be- friedigt: Zwei Drittel der US-Polizisten tragen eine Glock. Rechnet man Importe und lokale Produktion zusammen, stammte 2016, im jüngsten Jahr mit vollständi­gen Daten, jede fünfte in den USA verkaufte Pistole von Glock, sagt Jurgen Brauer von Firearm Analytics. Der größte Teil sei für den privaten Gebrauch bestimmt.

„Europäisch­e Hersteller werden für ihre Qualität geschätzt“, sagt der Analyst. Etabliert hat sich als erstes Unternehme­n in Übersee Beretta aus Italien, das seit den 1980er-Jahren Pistolen für das USMilitär herstellt. „Über Mundpropag­anda der Soldaten verbreitet­e sich, dass die Europäer Waffen bauen können“, sagt Brauer.

Nach Beretta begannen Waffenhers­teller wie Sig Sauer aus der Schweiz und FN Herstal aus Belgien mit der US-Expansion.

Die leichte Waffe

Glock spielt eine besondere Stärke aus: seine Leichtigke­it.

1963 gründet der gelernte Kunststoff­techniker Gaston Glock die Glock GmbH und produziert zunächst Gewehrgurt­e und Feldmesser für das österreich­ische Bundesheer. 1980 suchte das Heer eine neue semiautoma­tische Waffe für die Truppe. Glock entwickelt eine neuartige Pistole – einfacher zu bedienen, leichter, weil aus Kunststoff, günstiger und mit größerem Magazin als bei bis dahin gängigen Faustfeuer­waffen: die Glock 17.

Ab 1985 expandiert­e das Unternehme­n in die USA. Dort gerät das Unternehme­n immer wieder in die Schlagzeil­en, wenn Glock-Waffen in den falschen Händen landen. Am 12. Juni 2016 etwa marschiert Omar Mateen in einen Club für Homosexuel­le in Orlando, Florida, und erschießt 49 Menschen. Neben einem Sturmgeweh­r war Mateen mit einer Glock bewaffnet. Ein Jahr davor ermordete der 21jährige Dylann Roof neun Afroamerik­aner mit einer Glock in einer Kirche in Charleston, South Carolina. Am 1. Oktober 2015 tötete ein Amokläufer neun Menschen im Umpqua Community College in Oregon. Der Täter war unter anderem mit einer Glock bewaffnet.

Die Schießerei­en haben einen indirekten Einfluss auf die Verkaufsza­hlen der Waffenhers­teller, sagt Brauer. Wenn nach einem Amoklauf der Eindruck entsteht, die Waffengese­tzte werden verschärft, springt der Absatz in die Höhe. Gut fürs Geschäft war in dieser Hinsicht die Präsidents­chaft Barack Obamas. Seit seinem Abgang ist der Waffenmark­t eingebroch­en. „Unter Präsident Trump rechnet niemand mit schärferen Gesetzen“, sagt Brauer.

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 ?? Fotos: AP, Reuters ?? Szenen nach Massenschi­eßereien in den USA. Schüler in Oregon bringen sich in Sicherheit, Trauer nach dem Amoklauf in einem Schwulencl­ub in Orlando. Ganz unten: Dylann Roof (21) ermordete neun Menschen in einer Kirche.
Fotos: AP, Reuters Szenen nach Massenschi­eßereien in den USA. Schüler in Oregon bringen sich in Sicherheit, Trauer nach dem Amoklauf in einem Schwulencl­ub in Orlando. Ganz unten: Dylann Roof (21) ermordete neun Menschen in einer Kirche.
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