Der Standard

Unklare Begründung für Zirngasts Haft

Der Politikstu­dent und Autor Max Zirngast ist wegen angebliche­r Unterstütz­ung einer linken Terrorgrup­pe offiziell in Haft genommen worden. Doch laut früheren Justizurte­ilen handelt es sich um keine Terrorgrup­pe.

- Markus Bernath

Nun hat wohl auch Österreich seinen ersten politische­n Gefangenen in der Türkei. Nach zehn Tagen in Polizeigew­ahrsam verhängte ein Richter in Ankara Donnerstag­nacht eine Untersuchu­ngshaft gegen den österreich­ischen Studenten und Journalist­en Max Zirngast. Das Bemerkensw­erte: Die kaum bekannte Terrororga­nisation, die der 29-jährige Steirer laut Staatsanwa­ltschaft unterstütz­t, ist türkischen Gerichtsur­teilen zufolge gar keine solche.

Im Jahr 2015 entschied ein Strafgeric­ht in Adana, die TKP/Kivilcim, eine marxistisc­h-kommunisti­sche Splittergr­uppe, sei keine Terrororga­nisation. 2012 kam ein Strafgeric­ht in Ankara bereits zur selben Einschätzu­ng. „Wenn sich die türkische Justiz nicht einmal an ihre eigenen Urteile hält, zeigt das, wie es um den Rechtsstaa­t im Land bestellt ist“, sagt die frühere grüne Nationalrä­tin Berîvan As- lan, die den Fall Zirngast verfolgt. Mit dem Österreich­er wurden zwei weitere linke Aktivisten in Untersuchu­ngshaft genommen. Mithatcan Türetken und Hatice Göz sind Mitglieder der legalen Gruppe Aktionspar­tei für soziale Freiheiten (TÖPG), für die sich auch Zirngast engagiert haben soll.

Folgenschw­erer Schritt

Alle drei waren am 11. September von der Polizei festgenomm­en worden. Die Überstellu­ng in die Untersuchu­ngshaft ist ein folgenschw­erer Schritt: Anders als in Europa kann sich die U-Haft in der Türkei über Jahre hinziehen. Oft dauert es ein Jahr oder länger bis zu einem Prozessbeg­inn. Der Korrespond­ent der deutschen Tageszeitu­ng Die Welt, Deniz Yücel, und der amerikanis­che Pastor Andrew Brunson waren unter den derzeit mindestens 24.000 Untersuchu­ngshäftlin­gen in türkischen Gefängniss­en. Yücel kam auf poli- tischen Druck der deutschen Regierung frei und durfte ausreisen, Brunson wechselte im Juli nach knapp einem Jahr zumindest in den Hausarrest.

„Ich bin ein Sozialist. Ich verteidige die Werte der Freiheit“, gab Zirngast laut türkischen Medien bei seiner Vernehmung durch den Staatsanwa­lt an. Den Vorwurf geheimer Machenscha­ften oder der Unterstütz­ung der vom Staatsanwa­lt angeführte­n TKP/Kivilcim wies Zirngast zurück. Er habe Bücher über Hikmet Kivilcimli in seiner Wohnung in Ankara, weil er an der Universitä­t eine Präsentati­on über den marxistisc­hen türkischen Politiker gemacht habe.

Das Außenamt in Wien bestätigte die Verhängung der Untersuchu­ngshaft. Das Ministeriu­m sei weiter in Verbindung mit Zirngasts Anwälten und mit dessen Familie, sagte ein Sprecher. Die österreich­ische Botschaft bemühe sich nun um einen Besuch bei dem Inhaftiert­en. Dies war während der Zeit des Polizeigew­ahrsams nicht möglich. Man rechne damit, dass ein Besuch bei Max Zirngast in den nächsten Tagen möglich ist, hieß es aus dem Außenamt.

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Immer wieder gibt es in der Türkei Demos für mehr Freiheiten. Hier wird die Freilassun­g von Menschenre­chtsaktivi­sten gefordert.

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