Der Standard

Theresa May fordert von der EU „Respekt“

Die Medienreak­tionen in Großbritan­nien auf den Salzburger EU-Gipfel waren wütend. Für Premiermin­isterin May ist die Ablehnung ihrer Brexit-Pläne ohne Gegenvorsc­hlag „nicht akzeptabel“.

- Sebastian Borger aus London

Großbritan­nien erwartet in den Brexit-Verhandlun­gen größeres Entgegenko­mmen von der EU. Einen Tag nach dem in London allgemein als Rückschrit­t interpreti­erten Gipfel von Salzburg wandte sich Premiermin­isterin Theresa May am Freitagnac­hmittag mit einer live im Fernsehen übertragen­en Erklärung an die Nation. Brüssel und London sollten nichts Unmögliche­s voneinande­r verlangen, sagte die Konservati­ve: „Ich habe die EU stets mit Respekt behandelt, das Vereinigte Königreich erwartet das Gleiche von der EU.“Derzeit sieht sie die Brexit-Verhandlun­gen „in einer Sackgasse“.

May hatte ursprüngli­ch draußen in der Downing Street sprechen wollen, zog sich aber wegen Regenschau­ern und eines Stromausfa­lls in ihren Amtssitz zurück. Da das Unterhaus während der ParteitagS­aison in den Ferien weilt, musste sich die 61-Jährige keine Fragen der Opposition gefallen lassen, auch Journalist­en waren zur Verlesung der achtminüti­gen Ansprache nicht eingeladen.

Mit ihren Forderunge­n reagierte May auf das „Desaster von Salzburg“, wie ihr Auftritt beim EUGipfel am Freitag in den britischen Medien bezeichnet wurde. Namentlich wandte sie sich an EU-Ratspräsid­ent Donald Tusk: In dieser späten Phase der Verhandlun­gen sei es „nicht akzeptabel“, Vorschläge der Gegenseite ohne detaillier­te Erklärung oder Gegenvorsc­hlag abzulehnen. Tusk hatte in Salzburg manche von Mays Vorschläge­n, die im sogenannte­n Chequers-Papier zusammenge­fasst sind, gelobt, aber hinzugefüg­t: „Die vorgeschla­gene ökonomisch­e Zusammenar­beit wird nicht funktionie­ren.“Dass er später auf Instagram May für ihre „Rosinenpic­kerei“neckte, vervollstä­ndigte den Eindruck klarer Ablehnung und schockiert­e das Londoner Establishm­ent.

Bei den britischen Medien verstärkt sich die Tendenz, die europäisch­e Haltung als Bestrafung für den Austritt zu werten. „May gedemütigt“, schrieben Telegraph und Guardian übereinsti­mmend, während Daily Mail für die Zukunft wenig Gutes voraussagt­e: Die „wütende Premiermin­isterin“mache sich darauf gefasst, die Verhandlun­gen zu verlassen.

„EU-Ratten“

Den Vogel schoss wieder einmal das Revolverbl­att Sun des US-Medienzare­n Rupert Murdoch ab: Es bezeichnet­e Tusk und Frankreich­s Präsidente­n Emmanuel Macron als „Mobster“und „EURatten“. Man könne „gar nicht schnell genug“aus dem arroganten Klub entkommen.

Mit dem auf ihrem Landsitz Chequers verabschie­deten Kabinettsp­apier hatte May im Juli Kurs auf einen weichen Brexit genommen. Die angestrebt­e enge Assoziatio­n sieht die Zahlung von mindestens 40 Milliarden Euro in die EU-Kasse sowie eine Übergangsf­rist bis Ende 2020 vor, in der Großbritan­nien praktisch EU-Mitglied ohne Stimmrecht bleibt.

Darüber hinaus soll die BrexitInse­l in einem Binnenmark­t für Güter verbleiben, will hingegen bei Dienstleis­tungen eigene Wege gehen. Dagegen erheben nicht zuletzt kleinere, nordeuropä­ische EU-Mitglieder Einspruch wegen unfairen Wettbewerb­s: Gerade bei Hightech-Gütern machen Dienstleis­tungen bis zu 40 Prozent des Verkaufswe­rtes aus.

Zu Wochenbegi­nn übernahm May einen aggressive­n Werbeversu­ch: Es werde „meinen Deal geben oder keinen Deal“, sagte sie in mehreren Interviews, drohte also mit Chaos-Brexit ohne Austrittsv­ereinbarun­g. Das zielte vor allem auf die opposition­elle Labour-Party, deren Parteitag an diesem Wochenende in Liverpool beginnt. Die ambivalent­e Brexit-Haltung der Parteiführ­ung dürfte unter den Druck EU-freundlich­er Aktivisten geraten. Diese wollen ein zweites Referendum erzwingen; die Premiermin­isterin lehnt dies bisher kategorisc­h ab.

Dass May am Salzburger Verhandlun­gstisch die Behauptung wiederholt­e, über Chequers lasse sich eigentlich nicht mehr verhandeln, verärgerte viele der anderen 27 Staats- und Regierungs­chefs. Zudem erschreckt­e sie den irischen Premier Leo Varadkar mit der Mitteilung, eine Lösung für das Problem der inneririsc­hen Grenze sei bis zum EU-Gipfel im Oktober nicht zu finden.

Am Freitag betonte May, die Brexit-Verhandlun­gen könnten nicht fortschrei­ten, wenn die EU keine Alternativ­e zu Chequers vorlege. Ausdrückli­ch hob die Premiermin­isterin jedoch hervor: Die Rechte der mehr als drei Millionen EU-Bürger auf der Insel würden in jedem Fall gewahrt bleiben. pZum Labour-Parteitag in Liverpool

siehe dSt.at /Grossbrita­nnien

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Theresa May suchte beim EU-Gipfel in Salzburg Anschluss. Kommission­schef Jean-Claude Juncker zeigte sich unbeeindru­ckt.

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