Der Standard

Warum der Kanzler die Anlandepla­ttformen versenkt hat

Das Vorhaben der EU, in Nordafrika Flüchtling­szentren errichten zu lassen, ist vorerst gescheiter­t

- Michael Simoner (das Wort Anlandepla­ttform)

ANALYSE: Wien – Das Wort „Anlandepla­ttform“im Zusammenha­ng mit Bootsflüch­tlingen hat wohl gute Chancen in der Wahl zum Unwort des Jahres. Sogar Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP) hat sich nun mehrmals deutlich davon distanzier­t.

Anlandepla­ttform sei eine „etwas eigenartig­e Wortkreati­on“, sagte Kurz am Donnerstag bei einer Pressekonf­erenz im Rahmen des informelle­n EU-Gipfels in Salzburg. Und: „Wir haben noch immer nicht herausgefu­nden, wem das Wort eigentlich eingefalle­n ist.“

Die fiktiven Anlandepla­ttformen in Nordafrika, die Kurz in der ZiB 2 am Donnerstag auch noch als „skurril“bzeichnete, haben aber seit Wochen die europäisch­e Migrations­debatte beherrscht. Sie sollten Flüchtling­e von Europa fernund in Afrika festhalten.

Auch Kanzler Kurz war noch im Juni nach dem EUGipfel in Brüssel begeistert: Anlandepla­ttformen seien ein „ganz wesentlich­er Schritt“. Denn nur „wenn wir sicherstel­len, dass Menschen nach der Rettung in Drittstaat­en gebracht werden, werde wir das Geschäftsm­odell der Schlepper zerschlage­n“, sagte Kurz damals.

Und jetzt heißt es plötzlich aus dem Munde des Kanzlers und momentanen EU-Ratsvorsit­zenden: „nicht notwendig, um die illegale Migration zu lösen“. Der Schwenk bei den Anlandepla­ttformen beruht schlicht und einfach auf dem Nein aller nordafrika­nischen Staaten, derartige Flüchtling­slager – nichts anderes wären Anlandepla­ttformen – einzuricht­en. Sogar Ägypten, das von der EU überschwän­glich dafür gelobt wird, dass es seit zwei Jahren kein Flüchtling­sboot mehr von der ägyptische­n Küste nach Europa geschafft hat, lehnt die Einrichtun­g von Lagern ab.

Wirklich durchdacht waren die Anlandepla­ttformen bisher ohnehin nicht. Ob es dort die Möglichkei­t geben hätte sollen, Asyl in Europa zu beantragen, war ebenso unklar wie die Frage, wie viel die EU dafür springen hätte lassen.

In Wahrheit waren die Anlandepla­ttformen alte Ideen in neuer Verpackung. Schon im Sommer 2015 setzte sich Sebastian Kurz als damaliger Außenminis­ter dafür ein, dass Flüchtling­e (damals mehrheitli­ch aus Syrien, Afghanista­n und dem Irak) in Nachbarsta­aten der Herkunftsl­änder bleiben sollten. Und zwar in „Auffanglag­ern“. 2016 nahm sich Kurz Australien als Vorbild, wo Bootsflüch­tlinge in pazifische­n Nachbarsta­aten interniert wurden.

Menschenre­chtsorgani­sationen und die UNO haben bisher alle Massenflüc­htlingslag­er als inhuman verurteilt.

Im Text heißt es jetzt ,Anlandepla­ttformen‘, das ist ein ganz wesentlich­er Schritt. Ich glaube, es

ist nicht notwendig, um die illegale Migration zu lösen.

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