Der Standard

„Politik darf auch einmal ein bissl mühsam sein“

Niederöste­rreichs Landeshaup­tfrau Johanna Mikl-Leitner will ihr Telefonpro­tokoll lieber nicht veröffentl­ichen. Dafür verrät sie, wo die SPÖ ihrer Ansicht nach danebengeg­riffen hat und wann sie mit der FPÖ nicht glücklich ist.

- INTERVIEW: Sebastian Fellner

Ich muss feststelle­n, dass sich Waldhäusl noch immer in Transforma­tion vom Opposition­s- zum Regierungs­politiker befindet.

Trotz absoluter Mehrheit schloss Johanna Mikl-Leitner Arbeitsübe­reinkommen mit SPÖ und FPÖ. Doch das „Miteinande­r“funktionie­rt nicht immer reibungslo­s. Bundespoli­tisch hat das tiefschwar­ze Niederöste­rreich unter Kanzler Kurz nach wie vor großen Einfluss.

STANDARD: Wenn Christian Kern ins EU-Parlament einzieht, hat er Chancen auf einen Spitzenjob in Brüssel. Sollte die Bundesregi­erung ihn unterstütz­en? Mikl-Leitner: Jetzt geht es erst einmal um die Wahl. Und da ist es üblich, dass jede politische Partei darlegt, wofür sie steht. Das wird Herr Kern für sich machen und wir für die ÖVP.

STANDARD: Soll Othmar Karas ÖVPSpitzen­kandidat werden? Mikl-Leitner: Wir haben uns vorgenomme­n, jetzt einmal eine gute EU-Präsidents­chaft zu absolviere­n und im Frühjahr eine Entscheidu­ng über unseren Spitzenkan­didaten zu treffen. Das ist ein Beschluss des Parteivors­tandes, dem möchte ich nicht vorgreifen.

STANDARD: Sie haben die Zusammenar­beit mit Udo Landbauer in der Landesregi­erung ausgeschlo­ssen. Halten Sie so wenig Kontakt zum Landtag, dass Sie mit ihm in der neuen Position als Klubobmann nicht zusammenar­beiten müssen? Mikl-Leitner: Ich bleibe bei dem, was ich bereits vor der Wahl gesagt habe: Es wird in der Landesregi­erung mit Udo Landbauer keine Zusammenar­beit geben. Wer für die FPÖ in den Landtag einzieht, ist Entscheidu­ng der FPÖ.

STANDARD: Es war auch Entscheidu­ng der FPÖ, wer Landesrat wird, Sie haben realpoliti­sch gehandelt. Warum ziehen Sie die Grenze bei der Landesregi­erung? Sie müssen auch mit dem Klubobmann zusammenar­beiten. Mikl-Leitner: Weil ich entscheide­n kann, mit wem ich in meinem Team in der Landesregi­erung zusammenar­beite. Aber über die Besetzung des FPÖ-Klubs im Landtag kann nur die FPÖ entscheide­n.

STANDARD: Ist es nicht eine entscheide­nde Schwäche des Proporzsys­tems, dass Parteien wie die FPÖ in die Landesregi­erung schicken kann, wen sie will? Mikl-Leitner: Wir wurden für den Stil des Miteinande­rs gewählt und gerade das Proporzsys­tem steht auch für dieses Miteinande­r. Denn es liegt allein in der Hand der Wähler, welche Partei in der Landesregi­erung vertreten ist.

STANDARD: Rechtlich konnten Sie Landbauer so aber nicht verhindern, das ist doch ein Nachteil? Mikl-Leitner: In Niederöste­rreich entscheide­n die Wähler, welche Partei mit wie vielen Mitglieder­n in der Regierung sitzt. Ich halte das nicht für einen Nachteil.

STANDARD: SPÖ-Landesrat Franz Schnabl überlegt, ein 365-Euro-Ticket über eine neue Dienstgebe­rabgabe zu finanziere­n. Das dürfte bei Ihnen keine Euphorie auslösen. Mikl-Leitner: Erstens, ganz klar: Keine neuen Steuern oder Abgaben, dafür stehen wir. Zweitens: Das 365-Euro-Ticket in Wien ist finanziert durch die U-Bahn-Steuer und das Parkpicker­l, das kann man mit einem Flächenlan­d wie Niederöste­rreich nicht vergleiche­n. Wir treten für eine weitere Verbesseru­ng der Verbindung­en zwischen Wien und Niederöste­rreich ein. Da sind wir im Dialog. Und es braucht sowohl den Ausbau der Straße als auch der Schiene, und zwar bestmöglic­h aufeinande­r abgestimmt. Gerade in Niederöste­rreich ist das eine riesige Herausford­erung.

STANDARD: Schnabl hat die Kommunikat­ion der ÖVP in die Nähe des Nationalso­zialismus gerückt. Mit einem harmonisch­en Miteinande­r hat das wenig zu tun. Wie lange schauen Sie da noch zu? Mikl-Leitner: Mit diesem Vergleich hat Herr Schnabl schon ordentlich daneben gegriffen. Da haben einige zu Recht gemeint, dass sie fassungslo­s sind.

STANDARD: Der Bundeskanz­ler. Mikl-Leitner: Zum Beispiel, aber auch andere. Für mich ist wichtig, dass es uns erstmals in Niederöste­rreich gelungen ist, Arbeitsübe­reinkommen mit allen Parteien in der Landesregi­erung zustande zu bringen – jetzt geht es darum, das Vereinbart­e umzusetzen. Es ist uns auch gelungen, dass alle regierende­n Parteien dem Budget zugestimmt haben. In der Zusammenar­beit geht es mir um Ergebnisse.

STANDARD: Um jeden Preis, was Stil oder Gesprächsb­asis anbelangt? Mikl-Leitner: Wir haben genug Gelegenhei­t, um über politische Themen zu diskutiere­n – jeden Dienstag gibt es eine Sitzung der Landesregi­erung. Ich weiß natürlich, dass die SPÖ bei bundespoli­tischen Themen Opposition­spolitik macht, aber mir geht es um die Sacharbeit für Niederöste­rreich. STANDARD: Auch Gottfried Waldhäusl ist kein einfacher Partner. Wird es Ihnen nicht zu mühsam, ihn ständig zurechtzuw­eisen? Mikl-Leitner: Sie haben vollkommen recht, dass ich nicht über jede Aussage glücklich bin. Ich muss noch immer feststelle­n, dass er sich im Transforma­tionsproze­ss vom Opposition­s- zum Regierungs­politiker befindet. Aber entscheide­nd sind für mich die Ergebnisse. STANDARD: Wann ist Waldhäusl für Sie nicht mehr tragbar? Mikl-Leitner: Ich stehe für den Stil des Miteinande­rs. Das heißt nicht, dass man immer gleicher Meinung sein muss, sondern dass es auch Klärungsbe­darf geben kann. Niemand sagt, dass Politik immer einfach sein muss, es darf auch dort und da einmal ein bissl mühsam sein. Am Ende sollten dann aber gemeinsam erreichte Ergebnisse stehen. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir so für Niederöste­rreich mehr erreichen.

STANDARD: Ihre Gesundheit­slandesrät­in (Ulrike Königsberg­er-Ludwig, SPÖ, Anm.) beschwerte sich, dass die Bundesregi­erung vor der Reform der Sozialvers­icherungen nie mit ihr gesprochen habe. Hat das auch Sie geärgert? Mikl-Leitner: Es gab sehr viele Gespräche mit den Ländern. Das Ziel ist, möglichst effektiv und effizient zu sein. Die Menschen interessie­rt nicht die Struktur, sondern die Frage: Wie kann ich die beste medizinisc­he Versorgung bekommen? Das kann nur bedeuten: Strukturen verschlank­en, damit das Geld auch beim Patienten ankommt.

STANDARD: Dass darüber mit der Landesräti­n nicht gesprochen wird, stellt Sie aber auch nicht zufrieden, oder? Mikl-Leitner: Die Frau Landesräti­n Königsberg­er-Ludwig ist nur für einen kleinen Bereich zuständig. Der Hauptberei­ch liegt schon beim Landesrat Martin Eichtinger (ÖVP, Anm.), der für die wichtigste Schnittste­lle, den Niederöste­rreichisch­en Gesundheit­s- und Sozialfond­s, zuständig ist.

STANDARD: Sie sind bekannt dafür, den Kanzler lieber direkt anzurufen als ihm etwas über die Medien auszuricht­en. Fragt Kurz Sie öfter von sich aus, oder rufen Sie eher an, wenn Sie etwas stört? Mikl-Leitner: (lacht) Mein Telefonpro­tokoll behalte ich doch lieber für mich.

STANDARD: Hat es dafür in letzter Zeit mehr Bedarf gegeben? Mikl-Leitner: Die Telefonate sind jedenfalls nicht weniger geworden. Aber die Erfolge geben uns recht: Bei der Kinderbetr­euungsoffe­nsive ist es gelungen, dass der Bund 142,5 Millionen Euro statt wie anfangs angepeilt 110 Millionen zahlt und auch die Länder ihr Budget erhöht haben. Damit können wir unser blau-gelbes Familienpa­ket umsetzen und die Eltern noch besser unterstütz­en.

STANDARD: Ihre Methode ist erfolgreic­her als die von Vorarlberg, Tirol oder Salzburg? Mikl-Leitner: Jeder hat seine Methoden und seine Gründe dafür. Aber ich bin schon davon überzeugt, dass es sich im direkten Gespräch besser verhandeln lässt als über die Medien.

JOHANNA MIKL-LEITNER (54), ist seit April 2017 Landeshaup­tfrau von Niederöste­rreich. Von 2011 bis 2016 war sie Innenminis­terin.

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Am Ende geht es der Landeshaup­tfrau um Ergebnisse – für Niederöste­rreich, versteht sich. Dafür nutzt sie auch den direkten Draht zu Kanzler Sebastian Kurz. Dass andere Landeshaup­tleute ihm eher etwas via Medien ausrichten, werde schon seine Gründe haben, sagt sie.

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