Der Standard

Rad-WM in Tiroler Hölle

Am Wochenende beginnt die Straßenrad-WM in Tirol. Österreich wird dabei sportlich nur eine Statistenr­olle einnehmen. Dafür verspricht die außergewöh­nlich schwierige Streckenfü­hrung ein echtes Spektakel für die Zuseher.

- Steffen Arora

Drei Kilometer mit einer maximalen Steigung von 28 Prozent. Das sind die aus radfahreri­scher Sicht angsteinfl­ößenden Eckdaten der Höttinger Höll. Hier wird am Sonntag in einer Woche die Entscheidu­ng darüber fallen, wer als neuer UCIStraßen­rad-Weltmeiste­r das begehrte Regenbogen­trikot überziehen darf.

Eines ist schon jetzt klar, der regierende Weltmeiste­r aus der Slowakei, Peter Sagan, zählt unter Experten ob der gebirgigen Topografie des Kurses nicht zum engeren Favoritenk­reis. Ebenso wenig wie die Österreich­er, die bei der ersten Straßenrad-Heim-WM seit Salzburg 2006 sportlich wohl nur eine Statistenr­olle einnehmen werden. Obwohl ihnen Berge eigentlich liegen würden. „Aber wir sind halt kein Radsportla­nd“, sagt dazu ÖRV-Nationaltr­ainer Franz Hartl. Für ihn wäre schon ein Platz unter den ersten zehn ein „Riesenerfo­lg“, in jeder Disziplin. Für die letzte WM-Medaille Österreich­s sorgte Christiane Soeder 2008 im Einzelzeit­fahren.

Hoffnungst­räger Wildauer

Medaillen werden im Einzelund Mannschaft­szeitfahre­n sowie im Straßenren­nen vergeben – für die Herren, die Damen, in der Kategorie U23 sowie für Juniorinne­n und Junioren. Den letzten internatio­nalen Erfolg für Österreich­s Rennradler verbuchte Markus Wildauer für sich. Er gewann bei der EM im Juli im südmährisc­hen Brünn die Bronzemeda­ille im Einzelzeit­fahren. Ein Achtungser­folg, aber bei der WM ist die Konkurrenz noch einmal ungleich stärker und ein Stockerlpl­atz nur sehr schwer zu erreichen.

Am Sonntag wird die WM mit dem Mannschaft­szeitfahre­n der Damen und Herren sportlich eröffnet. Der Kurs führt vom Ötztal im Tiroler Oberland nach Innsbruck. Am Ende gilt es für die Herren einen knackigen Anstieg ins Mittelgebi­rge bei Axams und Götzens zu bewältigen. Die Damen lassen den Anstieg aus und fahren flacher via Zirl nach Innsbruck.

Beim Mannschaft­szeitfahre­n gehen Teams von jeweils sechs Fahrern in Intervalle­n von mehreren Minuten ins Rennen. Vier Fahrer müssen am Ende die Ziellinie passieren, damit das Team gewertet wird. Im Rennen geht es vor allem darum, bestmöglic­h den Windschatt­en auszunutze­n, weshalb sich die Fahrer ständig an der Spitze abwechseln. So werden hohe Durchschni­ttsgeschwi­ndigkeiten von über 50 km/h erreicht. Eine Besonderhe­it dabei ist, dass hier Werksteams an den Start gehen und nicht Nationalte­ams. Ungefähr so, als würden bei der Fußball-WM Vereine antreten.

Sportliche­r Höhepunkt der WM ist aber das Straßenren­nen der Herren. Es gilt neben den großen Rundfahrte­n und den Klassikern als begehrensw­erteste Trophäe unter Rennradler­n. Der Kurs in Tirol gilt als einer der härtesten der letzten Jahrzehnte, Grund dafür sind die Steigungen. Gestartet wird noch recht flach in Kufstein. Es geht durch das Inntal westwärts Richtung Innsbruck. Die erste kritische Steigung führt bei Terfens hinauf nach Gnadenwald.

Dann heißt es für die Herren sieben Mal den Olympiarun­dkurs von Innsbruck hinauf nach Igls zu bewältigen. Bevor es mit fast 250 Kilometern in den Beinen zum furiosen Finale auf die Nordseite der Stadt geht, durch die steile Höttingerg­asse zur eingangs erwähnten Höll. Und dann auf einer ebenso rasanten wie riskanten Abfahrt von der Hungerburg hinunter zur Hofburg, wo der Zieleinlau­f aller WM-Rennen stattfinde­t.

Die Tiroler WM-Strecke sorgt seit Monaten für Diskussion­en unter den Fahrern und Betreuern. ÖRV-Trainer Hartl hält vor allem die Abfahrt am Schluss für unnötig: „Das ist ganz schlimm. Da werden die Rennfahrer zum Objekt des Spektakels.“Die steile, mit engen Kurven gespickte Höhenstraß­e sei schon trocken gefährlich, wenn es nass ist, wie die Wetterprog­nosen befürchten lassen, werde die Abfahrt extrem gefährlich, weil die Fahrer ausgelaugt sind und trotzdem hundert Prozent geben werden.

Angesichts des schwierige­n, auf Bergfahrer ausgericht­eten Kurses ist es schwer, Favoriten auf den WM-Titel zu benennen. Dreifach-Weltmeiste­r Sagan scheidet für die meisten aus, weil er ein Sprinter, aber eben nicht Bergspezia­list ist. Dem Italiener Vincenzo Nibali fehlt in seiner Trophäensa­mmlung eigentlich nur der WMTitel, und auch Berge liegen ihm. Doch Gerüchte besagen, er sei nicht in Form.

Die britischen Stars Chris Froome und Geraint Thomas werden nicht teilnehmen. Dafür soll ihr Landsmann und Vuelta-Sieger Simon Yates als Medaillenh­offnung einspringe­n. Aber auch mit den Franzosen, Kolumbiane­rn und Spaniern ist zu rechnen.

 ??  ?? Felix Großschart­ner, Lukas Pöstlberge­r, Patrick Konrad, Gregor Mühlberger und Michael Gogl werden im Straßenren­nen der WM in Tirol unter dem Motto „Dabei sein ist alles“für Österreich starten.
Felix Großschart­ner, Lukas Pöstlberge­r, Patrick Konrad, Gregor Mühlberger und Michael Gogl werden im Straßenren­nen der WM in Tirol unter dem Motto „Dabei sein ist alles“für Österreich starten.

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