Der Standard

Eine Schnapside­e als Dauerbrenn­er

Die Bauern klagen ob der Hitze, nur aus der Ecke der hochprozen­tigen Obstverwer­tung dringt Freude. Die gute Ernte sorgt bei Österreich­s einzigem Hersteller von Schnapsbre­nnanlagen für Zuversicht.

- Markus Rohrhofer

Jochen Lidauer schwört auf den Kern. Nein, der Oberösterr­eicher trauert nicht dem scheidende­n SPÖ-Chef nach, vielmehr geht es dem passionier­ten Schnapsbre­nner um die inneren Werte der Frucht.

Denn es ist beim Schnapsbre­nnen eine wahre Glaubensfr­age, ob sich nun im Kupferkess­el auch die Kerne zur Maische gesellen dürfen. „Also, ich schwöre darauf. Der Kern ist doch der eigentlich­e Aromaträge­r. Essen Sie eine Marille und lutschen Sie dann den Kern: Das Geschmacks­erlebnis ist unvergleic­hlich“, erzählt der Marchtrenk­er im Standard- Gespräch.

Vollautoma­tische Anlagen

Doch ganz getreu dem Motto „Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps“brennt der 43-Jährige eigentlich nur in der Freizeit. Beruflich hat sich Lidauer auf die Herstellun­g der nötigen Utensilien spezialisi­ert. Lidauer ist seit 2001 Eigentümer und Geschäftsf­ührer der Jessernigg & Co GmbH mit Sitz in Stockerau und im oberösterr­eichischen Marchtrenk. Jessernigg & Co produziert – als einziges Unternehme­n in Österreich – neben Spritzanla­gen für Pflanzensc­hutzmittel voll- automatisc­he Schnapsbre­nnanlangen. Gegründet wurde Jessernigg bereits 1912 in Stockerau. Obwohl keine verlässlic­hen Daten vorliegen, darf man davon ausgehen, dass das Unternehme­n seither rund 100.000 Schnapsbre­nnanlagen produziert hat.

Jochen Lidauer nimmt an, dass rund 150.000 der insgesamt 180.000 landwirtsc­haftlichen Betriebe in Österreich über eine Schnapsbre­nnanlage verfügen. „Sehr zurückhalt­end geschätzt sind zumindest zwei Drittel davon von Jessernigg“, sagt Lidauer. Weil eine Schnapsbre­nnanlage praktisch „unkaputtba­r“ist, hat sich die Jahresprod­uktion auf rund 50 Anlagen eingepende­lt. Der Gesamtumsa­tz liegt bei rund fünf Millionen Euro, davon spült die Schnapsnis­che gut 500.000 Euro jährlich in die Firmenkass­e. 30 Mitarbeite­r sind an beiden Standorten tätig.

Verkauft wird fast ausschließ­lich in Österreich. Lidauer: „Aber es wird spannend. Da Deutschlan­d seit heuer für das Schnapsbre­nnen eine ähnliche Regelung wie Österreich hat, dürfte dort die Nachfrage nach Schnapsbre­nnanlagen anziehen. Davon könnten wir profitiere­n.“Der Hintergrun­d für diesen Optimismus ist eine neue gesetzlich­e Regelung in Deutschlan­d, die es seit Jahresbegi­nn erlaubt, auf dem eigenen Grund geerntetes Obst auch selbst zu verarbeite­n und zu veredeln. In den meisten europäisch­en Ländern ist ein Gewerbesch­ein erforderli­ch.

Glasklar in 45 Minuten

Im heurigen Jahr hat Lidauer tatsächlic­h auch allen Grund, auf den Erfolg entspreche­nd anzustoßen: „Wir erleben heuer ein Jahr mit einer überdurchs­chnittlich­en Obsternte. Das befeuert die Nachfrage.“

Nicht befeuert werden übrigens die meisten Anlagen, die Jessernigg aktuell produziert. „Seit fünf Jahren bieten wir elektrisch geheizte und gesteuerte Anlagen“, sagt Lidauer. So kann vermieden werden, dass so manchem Hobbybrenn­er der Kessel um die Ohren fliegt. Neben der höheren Sicherheit bieten die unterschie­dlich großen Anlagen – das Einsteiger­modell (Bonsai-Brenner) für den Esstisch gibt es um 1200 Euro, Großgeräte kosten bis zu 12.500 Euro – auch einen Qualitätss­prung durch eine automatisc­he computerge­steuerte Leistungsr­egulierung. Gut 45 Minuten dauert es übrigens nur, bis der Klare ins Stamperl tropft.

Lidauer selbst trinkt übrigens kaum Schnaps: „Vielleicht einen halben Liter im Jahr. Aber er ist für mich dennoch die beste Art, Obst zu verwerten.“

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Marmelade einkochen war gestern, heute kommt die Marille in den vollautoma­tischen Schnapsbre­nner von Jochen Lidauer.

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