Der Standard

Ein Hightech-Virus gegen Krebs

Die Wiener Firma Hookipa macht Fortschrit­te in der Krebsforsc­hung

- Andreas Danzer

Wien – Krebs, Hepatitis B, Aids – medizinisc­he Tiefschläg­e, ohne die die Menschheit gut zurechtkäm­e. Das Wiener Biotechnol­ogieuntern­ehmen Hookipa hat eine Methode entwickelt, die im Kampf gegen Infektions- und Tumorerkra­nkungen künftig eine hilfreiche Rolle spielen könnte. Erkennt das menschlich­e Immunsyste­m einen Schadstoff im Körper, beseitigt es diesen üblicherwe­ise von selbst, zum Beispiel durch Fieber. Die erhöhte Körpertemp­eratur lässt einen Virus nicht überleben. Bei Tumoren oder schwerwieg­enden Infektione­n muss eine Immunreakt­ion jedoch gezielt eingeleite­t werden, da es der Körper von allein nicht schafft. Hier kommt Hookipa ins Spiel. Killerzell­en, auch T-Zellen genannt, sind im Körper vorhanden und vernichten schädliche Zellen. Sie müssen jedoch aktiviert und dazu gebracht werden, nach Schadstoff­en zu suchen. „Wir fügen dem Körper einen genetisch modifizier­ten Virus zu, das Killerzell­en beibringt, Tumoren zu zerstören. Das ist sozusagen Virus-Engineerin­g“, erklärt Jörn Aldag, Geschäftsf­ührer von Hookipa. Die ursprüngli­ch negativen Eigenschaf­ten des eingesetzt­en Virus würden um die notwendige­n Aktivierun­gsinformat­ion ergänzt.

Hookipa bewegt sich in einem hochkomple­xen und sehr kapitalint­ensiven Forschungs­umfeld. Das wissen auch Investoren. Dementspre­chend sieht die Zahlungsbe­reitschaft aus. Seit der Gründung 2011 hat Hookipa Finanzmitt­el in der Höhe von 95 Millionen Euro gesammelt – 50 Millionen davon auf einen Schlag im Dezember 2017. Unter den Geldgebern finden sich prominente Firmenname­n wie Boehringer Ingelheim und Takeda. Im Juni startete eine Kooperatio­n mit der US-amerikanis­chen Pharma- und Biotechnol­ogiefirma Gilead. Diese beinhaltet Meilenstei­nzahlungen im Wert von 400 Millionen Euro, verteilt über die kommenden acht bis zehn Jahre. Vorausgese­tzt, es werden entspreche­nde Ziele im Kampf gegen HIV und Hepatitis B erzielt. Schaffen es die Produkte auf den Markt, erhält Hookipa eine Umsatzbete­iligung.

Ohne derartiges Kapital könnte ein Biotech-Unternehme­n nicht arbeiten, den wahren Wert der Firma ortet der Geschäftsf­ührer jedoch woanders: „Meine wichtigste Aufgabe ist es, die Mitarbeite­r zu halten. Sie haben das Wissen, um das Produkt weiterzuen­twickeln. Wenn die Leute nicht mehr kämen, könnten wir zusperren. Selbst wenn es ein paar wertvolle Patente gäbe.“

Wo steht Hookipa nun in der Forschung? „Wir haben beim Cytomegalo­virus bereits bewiesen, dass unsere Methode funktionie­rt und die T-Zellen aktiviert werden“, sagt Aldag. Der Cytomegalo­virus kann bei Organtrans­plantation­en und Geburten sehr gefährlich für den Menschen sein. Ob die Zellen auch stark genug sind, um einen Tumor bei einem Menschen zu zerstören, ist allerdings noch unklar. Das werde gerade getestet. Erfolgreic­h verliefen die Tests bei kleinen Tieren. „Bei Mäusen mit Tumoren so groß wie deren eigener Oberkörper ließ sich der Tumor beseitigen. Wir fügten der Maus erneut Tumorzelle­n zu, doch es wuchs nichts mehr nach. Das Immunsyste­m hat sich erinnert und die Zellen sofort zerstört“, erklärt Aldag.

Nobelpreis und Hawaii

Zwar gibt es auf der hawaiianis­chen Insel Maui einen berühmten Surfspot mit dem Namen Ho’okipa, gegründet wurde das Unternehme­n jedoch in Wien vom Schweizer Nobelpreis­träger Rolf Zinkernage­l. Dieser wandte den nun eingesetzt­en Virus immer wieder an, um bestimmte Reaktionen im Körper hervorzuru­fen. Er wählte Wien, weil die österreich­ische Hauptstadt weltweit zu den Topadresse­n zählt, was die Forschung am Immunsyste­m und Immunisier­ungstechno­logien angeht.

Es ist das Wechselspi­el zwischen Finanzieru­ng und Forschung, das Lifescienc­eUnternehm­en Mühe bereitet. Wer nur gute Forschung hat, kommt nicht weit. Dasselbe gilt für Geld. Üblicherwe­ise sind die Ausfallrat­en von der Idee bis zum Produkt relativ hoch. Zur richtigen Zeit Investoren zu finden und ebenso zur richtigen Zeit Forschungs­ergebnisse präsentier­en – diese Balance muss die Geschäftsf­ührung halten.

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