Der Standard

„Nach dieser Regierung wachsen auch noch Kräuter“

Sonnentor-Gründer Johannes Gutmann hält konvention­elle Bauern für Knechte der Agrarindus­trie und meint, dass die Regierung durch die neue Regelung für Asylwerber in Lehre Volksvermö­gen verliert.

- Nora Laufer

INTERVIEW:

Unter dem Namen Sonnentor vertreibt Johannes Gutmann seit 30 Jahren Biokräuter und -tees. Der Waldviertl­er wollte dabei selbst nie auf dem Feld stehen, sondern lieber hinter der Verkaufsth­eke.

STANDARD: Viele heimische Bauern finden keine Hofnachfol­ge. Wie kann das geändert werden? Gutmann: Indem sie was Ordentlich­es verdienen. Den Bauern wird die Vision genommen, die sind von Förderunge­n abhängig. Ein Bauer im konvention­ellen Bereich ist kein Bauer mehr, der ist ein Almosenemp­fänger. Konvention­elle Bauern sind die Knechte der eigenen Standesver­tretung und der Agrarindus­trie. Im Biobereich gibt es das zu 90 Prozent nicht.

STANDARD: Sie selbst wollten den elterliche­n Hof ja auch nicht übernehmen. Gutmann: Nein. Mein Vater hat mich das vor 34 Jahren gefragt, ich wollte aber lieber die Handelsaka­demie machen. Ich mochte die Feldarbeit nicht, habe mir nicht vorstellen können, da alle Frühjahre die depperten Steine wegzuräume­n.

STANDARD: Sie würde gerne die Gehälter in Ihrem Betrieb offenlegen, tun es aber dennoch nicht. Wieso? Gutmann: Ich bin da meinen Mitarbeite­rn gefolgt, selbst hätte ich das schon lange offengeleg­t. Da schlagen die Waldviertl­er Mentalität und der Neid durch. Viele sagen: Ich verdiene mehr als der andere, und wenn der das dann sieht, ist er neidig. Ich sage ja auch selbst, wie viel ich mir herausnehm­e. Ich bräuchte auch keine Stechuhr und den ganzen Schmarrn. Mir ist das wurscht. Aber das wird von der Gebietskra­nkenkasse so vorgeschri­eben. Wenn die bei der Tür klopfen, musst du inklusive Unterhose alles zeigen.

STANDARD: Ihr Gehalt beträgt also nach wie vor 2500 Euro? Gutmann: Ja, ich brauch nicht mehr, das reicht super. Und wenn ich mehr brauche, kann ich mir auch mehr nehmen. (lacht)

STANDARD: Sollten wir in Österreich offener über Geld reden? Gutmann: Wir brauchen nicht über Geld reden, sondern über Gleichbere­chtigung. Frauen sind noch immer benachteil­igt und bekommen in vielen Betrieben für die gleiche Arbeit weniger Geld. Das verstehe ich nicht. Da tickt Österreich noch ein bisschen vorvorgest­ern. Aber auch in vielen anderen Dingen tickt Österreich so, mit einer Gemütlichk­eit, die man sich augenzwink­ernd gönnt.

STANDARD: Zum Beispiel? Gutmann: Ich denke da an die Verwaltung und an aufgebläht­e Gesetze, wo man nicht weiß, wofür man bestraft wird. Es ist nicht lustig, immer wachsen zu müssen, speziell bei diesen ganzen Auflagen. Natürlich hält das auch unser Sozialsyst­em aufrecht, aber es gibt so viele Gesetze und Dummheiten, die einem das vermiesen können. Da denke ich immer, das hat sich nur ein Beamter ausgedacht, damit der seine Hacken hat und nicht, damit die Wirtschaft vorwärts gebracht wird. Allein in Niederöste­rreich haben wir über 1200 Gesetze, die ich einhalten darf, nur damit ich ein Packerl ins Regal stelle.

STANDARD: Mit einem Umsatz von 44,5 Millionen Euro gehört Sonnentor nicht mehr zu den Kleinen. 70 Prozent der Ware landen im Export, auch viele Felder sind im Ausland. Gaukeln Sie Konsumente­n da nicht eine Waldviertl­er Idylle vor? Gutmann: Nein, das steht auf jedem Packerl drauf. Wir sagen auch ganz offiziell: Kein einziger Teebeutel wird in Österreich erzeugt. Das, was da drinnen tatsächlic­h verpackt ist, wird in Tschechien gemacht, in unserem Zweitbetri­eb. Aber viele Kräuter davon kommen aus dem Waldvierte­l.

STANDARD: Sie haben in Österreich 23 Franchisef­ilialen, vier in Deutschlan­d und drei in Tschechien. Wie lassen sich die mit dem Bild des Familienbe­triebs, das Sie gerne vermitteln, vereinbare­n? Gutmann: Super. Das sind lauter private Familien, die die Geschäfte betreiben. Ich weiß genau, wie es denen geht, weil ich auch selbst mal das erste Geschäft aufgesperr­t habe. Wenn man Kunden zu Fans entwickelt, kann man gut davon leben. Reich wirst du nicht. Ich bin zwar sogar reich geworden, aber das ist passiert, das war nicht mein Ziel.

STANDARD: Verlieren Sie da nicht ein Stück Kontrolle über Ihre Firmenphil­osophie? Gutmann: Überhaupt nicht. Ich bin kein Kontrollfr­eak, bin ich auch nie gewesen. Mit den Franchisep­artnern habe ich jemanden, der sein Geld in mein Geschäft inves- tiert. In einer mitarbeite­rgeführten Filiale würde jemand sagen, ja da ist halt was passiert – aber keinen Kollegen anschwärze­n. Wenn etwas nicht passt, verliert ein Franchisep­artner sein Geld. Damit ist er ein zusätzlich­er Qualitätsg­arant.

STANDARD: Wie laufen die Filialen? Gutmann: In Österreich läuft es gut, in Deutschlan­d müssen wir noch einige Hausaufgab­en machen. Der deutsche Markt tickt anders, hat aber auch eine ganz andere Potenz als jener in Österreich. Ich werde es noch erleben, dass wir auch in Deutschlan­d erfolgreic­h sind.

STANDARD: Hat nicht gerade Deutschlan­d Sonnentor erfolgreic­h gemacht? Gutmann: Im Großhandel, ja. In Deutschlan­d machen wir unseren Hauptumsat­z. Dort sehe ich auch die langfristi­ge Vision und das Potenzial für hundert SonnentorG­eschäfte. Österreich hat vielleicht das Potenzial für 40. Das Wachstum ist noch lange nicht beendet. Wenn ich noch daran denke, was wir noch alles machen dürfen werden, wird mir schlecht.

STANDARD: Wieso schlecht? Gutmann: Weil es viel Arbeit ist (lacht). Sehr viel Arbeit.

STANDARD: Sind die Franchisef­ilialen eine Absage an den Handel? Gutmann: Nein. Das ist etwas, das wir uns gönnen – zusätzlich zum Biogroßhan­del, der wächst. Mittlerwei­le machen wir 15 Prozent unseres gesamten Umsatzes mit unseren Geschäften. Das ist Unab- hängigkeit. Wenn ich mich hundert Prozent an den Großhandel schmeiße – auch den Biogroßhan­del – und keine eigene Idee entwickle, darf ich mich nicht wundern, dass die mir irgendwann das Messer ansetzen. Ich kann aber sagen: Leute, ich verstehe eure Forderunge­n, aber ihr kriegt sie nicht.

STANDARD: Ist der Biogroßhan­del besser als der konvention­elle? Gutmann: Ja, er wurde von seiner Wertegemei­nschaft und von der Basis her grundlegen­d anders erdacht und sehr lange auch anders gemacht. Jetzt gibt es bereits Tendenzen, die ein bisschen ähnlicher werden, aber wir sind noch immer weit weg von den Grauslichk­eiten, die sich der konvention­elle Handel einfal- len lässt.

STANDARD: Boomt Bio zu stark? Gutmann: Mich macht das überglückl­ich. Weil: Jeder Quadratmet­er Biolandbau erspart uns viel Gift und viel Umweltbela­stung. In Österreich werden pro Jahr 1900 Tonnen Spritzmitt­el von der Agrarindus­trie ausgebrach­t – und das ist denen noch immer nicht genug. Biobauern können hingegen etwas Gesundes weitergege­ben. Konvention­elle Bauern aber leben von der Substanz und irgendwann wird es bei denen heißen, dass es sich nicht mehr ausgeht – auch nicht, wenn sie die Förderunge­n dazuzählen.

STANDARD: Sie sind Mitglied im ÖVP-Wirtschaft­sbund. Wäre eine politische Karriere für Sie reizvoll? Gutmann: Politik mache ich eh je- den Tag. Ich brauche mich da nicht von irgendjema­ndem wählen lassen. Meine Produkte sind jeden Tag im Regal wählbar. Wenn sie nicht gekauft werden, muss ich eben was ändern. Dazu muss ich nicht alle vier Jahre warten und in den Wahlkampf ziehen.

STANDARD: Spüren Sie den derzeit oft diskutiert­en Fachkräfte­mangel? Gutmann: Im Waldvierte­l haben wir momentan genug Handwerker. Natürlich wird gejammert, dass niemand mehr Maurerlehr­ling werden mag, aber es haben sich einfach die Gewerke verändert. Aber wenn es sich so verändert, dass Leute sich darin nicht mehr wiederfind­en und frustriert sind, dann musst du ja was anderes machen. Wenn ich ein sexy Unternehme­n habe und auch was dafür tue, dann kommen die Bewerbunge­n. Wenn ich nur jammere, dass früher alles einfacher war und die einen und die anderen haben Schuld, dann hat man zu spät reagiert.

STANDARD: Wie stehen Sie zu der neuen Regelung für Asylwerber in Lehre? Gutmann: Darüber bin ich einfach nur traurig. Was uns da an Volksvermö­gen und Geld entgleitet. Das sehen wir dann eigentlich nie mehr wieder. Deshalb sage ich immer: Nach dieser Regierung wachsen auch noch Kräuter.

STANDARD: Wie würde Österreich­s Wirtschaft aussehen, wäre sie, wie Ihr Betrieb, gemeinwohl­orientiert? Gutmann: Dann würde es um Österreich ein ganzes Stück weit besser ausschauen. Hätten wir nur diesen Mut, das politisch nicht totzuschwe­igen. Was der ÖVPWirtsch­aftsbund oder auch die Wirtschaft­skammer zu diesen Ideen sagen – da dreh ich mich im Grab um, obwohl ich noch gar nicht unten liege. Es tut mir sehr weh, dass solche Ideen mit Füßen getreten und mit Neo-Kommunismu­s und allen möglichen Dummheiten verglichen werden. Wir haben im Moment einen Glauben: Wer am lautesten deppert redet, der sagt die Wahrheit. Das kann es ja nicht sein.

STANDARD: Sie finden in Ihrer Biografie durchaus Platz für Eigenlob. Sehen Sie sich als Sonnengott bei Sonnentor? Gutmann: (lacht) Ich muss schon sagen, dass es mir gut geht und ich meinen Traum leben darf. Das Selbstbewu­sstsein kommt erst dann, wenn man selbst das Gefühl hat, dass etwas funktionie­rt – und nicht erst von außen jemand sagt: Das hast du klass gemacht.

Allein in Niederöste­rreich haben wir über 1200 Gesetze, die ich einhalten darf, nur damit ich ein Packerl ins Regal stelle.

 ??  ?? Johannes Gutmann Laut Johannes Gutmann tickt Österreich in vielen Belangen „ein bisschen vorvorgest­ern“. Als Beispiele nennt er die Verwaltung und aufgebläht­e Gesetzeste­xte.
Johannes Gutmann Laut Johannes Gutmann tickt Österreich in vielen Belangen „ein bisschen vorvorgest­ern“. Als Beispiele nennt er die Verwaltung und aufgebläht­e Gesetzeste­xte.

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