Der Standard

Ein Blick durch des Meisters Schlüssell­och

Die erste Veröffentl­ichung aus dem Nachlass von Prince überrascht durch ungewöhnli­che Song-Auswahl

- Karl Fluch

Wien – Prince setzt sich ans Gerät, sagt „turn the lights down“und legt los, aber hallo. 17 Days heißt der Song und eröffnet das erste Album, das nun nach dem tragisch frühen Tod von Prince 2016 veröffentl­icht wird. Es heißt wie seine finale Tour: Piano & A Microphone. Die Aufnahmen datieren aus dem Jahr 1983. Damals war Prince schon Prince, aber noch nicht der Weltregent, als der er im Jahr darauf in die Musikgesch­ichte eingehen sollte. Da erschien Purple Rain.

Das Titellied folgt auf dem jetzt erschienen­en Album als zweiter Song. Hier ist es noch ein Fragment, nicht der die Welt erobernde Schmachtfe­tzen. Des Princens Finger überlegen noch, betasten die Tasten, warten ab, was passiert: Noch muss er den Song nicht fertig haben. Nahtlos geht es weiter zu A Case Of You, es folgt das Spiritual Mary Don’t You Weep.

Das Album ist ein Fund aus dem Nachlass des mit 57 Jahren an einer Überdosis Schmerzmit­tel gestorbene­n Musikers. Es dauert eine knappe halbe Stunde, und man meint, stellenwei­se ein wenig Rauschen zu vernehmen, kleine Imperfekti­onen des Bandes, das 35 Jahre irgendwo lagerte. Doch das macht nichts. Der Reiz dieses Werks liegt in dem Blick durchs Schlüssell­och, den es gestattet.

Man hört Prince Sexy Rogers Motherfuck­er Nelson aus Minnesota in vollem Saft. Selbstverg­essen, ohne Publikum – bis auf die Personen, die im Studio waren, seinem zweiten Wohnzimmer. Es bestätigt die gängige Geniebehau­ptung, aber das überrascht nicht. Prince war ja ein musikalisc­hes Kraftwerk, der sich jedes Instrument mittels Blickkonta­kt aneignen konnte – so ungefähr halt.

Hier, in diesem so privat wirkenden Setting, lässt er sich gehen. Entfällt ihm ein Text oder ist der noch nicht fertig, improvisie­rt er. Prince scattet, hustet Beats zur rhythmisch­en Unterstütz­ung, zieht an einer Stelle seinen Rotz hoch – und versenkt sich wieder in einen Song. Seine Finger rollen über das Instrument, suchen und finden neuralgisc­he Punkte. In Zusammenha­ng mit der libidinöse­n Aura des Meisters erscheint das als durchaus sinnlicher Akt: ein Vorspiel, so wie er sich rollt und tollt. Das steigert sich in Cold Coffee and Cocaine ins Verbotene hinein. Hier wäre der Schlussstr­ich gut gesetzt gewesen. Doch es folgt noch Why The Butterflie­s – ein Song, der mit sechseinha­lb Minuten bei wenig Abwechslun­g etwas abfällt.

Das Überrasche­nde an dieser Veröffentl­ichung ist seine ungewöhnli­che Wahl. Nicht die üblichen Alternativ­e Takes wurden ausgegrabe­n, sondern ein fürs Gesamtwerk wenig repräsenta­tives Fundstück. Umso erstaunlic­her entfacht es seine Wirkung.

 ??  ?? Prince Sexy Rogers Motherfuck­er Nelson starb im April 2016 an einer Überdosis Schmerzmit­tel. Sein umfangreic­her Nachlass wird derzeit durchforst­et. Mit vielen weiteren Veröffentl­ichungen ist definitiv zu rechnen.
Prince Sexy Rogers Motherfuck­er Nelson starb im April 2016 an einer Überdosis Schmerzmit­tel. Sein umfangreic­her Nachlass wird derzeit durchforst­et. Mit vielen weiteren Veröffentl­ichungen ist definitiv zu rechnen.

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