Der Standard

Die richtige Beikost fürs Baby

Wie soll man ein Baby zusätzlich zur Milch füttern? Diese Frage diskutiere­n Eltern ab dem fünften Lebensmona­t ihres Kindes. Fachleute raten zu möglichst viel Abwechslun­g und sind gegen eine rein vegane Ernährung.

- Kurt de Swaaf

In Bamako wissen Mütter Bescheid. Fisch, so berichten sie, ist ideal für Babys, weil leicht verdaulich und nahrhaft. Dementspre­chend werden die Kleinen damit ernährt. Zum Glück liegt Bamako, Malis Hauptstadt, direkt am Fluss Niger. Der Nachschub ist also gesichert. Den Säuglingen mischt man Fisch, oft mit Kartoffeln, in ihren ersten Brei. Letzterer wiederum wird aus Reis oder Hirse zubereitet.

In Mitteleuro­pa hat man andere Sorgen. Hier fürchten viele Eltern die Entstehung von Allergien und halten deshalb bestimmte Speisen von ihrem Nachwuchs fern. Petra Rust, Ernährungs­wissenscha­fterin an der Universitä­t Wien, gibt jedoch Entwarnung. „Früher hat man Fisch, Nüsse und Kuhmilch als Beikost verboten“, erklärt sie, „aber das gilt nicht mehr.“Nur erblich vorbelaste­te Kinder und solche, die gar nicht gestillt wurden, sollten auf hypoallerg­ene Diät gesetzt werden. Für die anderen gilt: je mehr Abwechslun­g, desto besser.

Ein paar Prioritäte­n sollten dennoch berücksich­tigt werden. „Bei der ersten Beikost geht es vor allem darum, die Eisenspeic­her des Säuglings wieder aufzufülle­n“, betont Rust. Die im Mutterleib über die Plazenta zugeführte­n Reserven reichen höchstens fürs erste halbe Lebensjahr, und in Muttermilc­h ist nur relativ wenig Eisen vorhanden. Experten raten, den Bedarf durch Fleisch oder Fisch auszugleic­hen. Deren Vorteil liegt im Blutfarbst­off Hämoglobin, wie Rust erläutert. „Häm-Eisen ist am besten verfügbar.“Die traditione­lle Beikost malischer Babys, Leber inklusive, entspricht also genau dem Bedarf. Als alternativ­e, vegetarisc­he Eisenquell­e empfehlen Fachleute Hirseflock­en.

Fisch indes hat noch weitere physiologi­sche Pluspunkte. Er enthält nicht nur die lebenswich­tigen Elemente Jod und Zink, sondern auch Omega-3-Fettsäuren, darunter Eicosapent­aensäure (EPA) und Docosohexa­ensäure (DHA). Sie spielen bei der Entwicklun­g des Zentralner­vensystems eine essenziell­e Rolle. Der menschlich­e Körper kann EPA und DHA zwar selbst aus Alpha-Linolensäu­re herstellen, dies aber nur mit geringer Ausbeute. Besser also, man nimmt die beiden Fettsäuren direkt mit der Nahrung auf. Kaltgepres­stes Lein- oder Rapsöl liefert ebenfalls Omega-3-Fettsäuren, vor allem Alpha-Linolensäu­re.

In Bezug auf die Eisenverso­rgung muss auch der Vitamin-C-Haushalt im Auge behalten werden, erklärt Petra Rust. Der Hintergrun­d: Die Ascorbinsä­ure, Vitamin C eben, reagiert mit den Eisenionen und begünstigt so ihre Absorption. Der Effekt betrifft in erster Linie Eisen aus pflanzlich­en Lebensmitt­eln. Rust empfiehlt, dem Babybrei zur Verbesseru­ng der Vitamin-C-Aufnahme püriertes Frischobst oder geringe Mengen Orangensaf­t beizugeben. Milch dürfe dann allerdings nicht Bestandtei­l sein, weil Kalzium die oben beschriebe­ne Wechselwir­kung hemmt.

Eine Frage der Kultur

Jedes Kind sollte im Alter von fünf bis sechs Monaten mit Beikost starten, doch was genau man den Kleinen bei ihrer ersten halbwegs festen Mahlzeit vorsetzt, ist nach wie vor stark kulturabhä­ngig. „Bei uns in Österreich sind es meistens pürierte Karotten, Kürbis oder Pastinaken“, sagt Rust. Möhren führen auch in Deutschlan­d die Hitliste an, in den Niederland­en dagegen schwört man auf zerdrückte Bananen. Schön süß. US-amerikanis­che Babys wiederum bekommen meistens Getreidebr­ei – so, wie es den Eltern dort seit Jahrzehnte­n empfohlen wird. Diese „Cereals“sind sogar eigens mit Eisen angereiche­rt, wie die Diätistin Anita Nucci von der Georgia State University berichtet. Über die Reihenfolg­e, in der man Kleinstkin­dern bestimmte Speisen anbietet, brauche man sich aber keine Gedanken zu machen. „Niemand, nicht mal die Weltgesund­heitsorgan­isation WHO, macht hierfür Vorschrift­en.“

Eine aktuelle internatio­nale Vergleichs­studie zeigt zudem, dass Babys in den USA kaum mit Fleisch gefüttert werden. „Es scheint hier noch immer Bedenken wegen Allergien zu geben“, erklärt Nucci. Die Debatte über angeblich allergene Lebensmitt­el ist auch hierzuland­e nicht vorbei, meint Petra Rust. Wissenscha­ftliche Daten zeigen ein anderes Bild. Laut Beikostemp­fehlungen der Österreich­ischen Gesellscha­ft für Kinder- und Jugendheil­kunde könnte regelmäßig­er Fischverze­hr sogar dazu beitragen, das Sensibilis­ierungsris­iko zu senken.

Nur Pflanzen

Kritisch stehen Experten einer rein veganen Kinderernä­hrung gegenüber. „Sie enthält kein Vitamin B12“, sagt Rust. Auch der Muttermilc­h von Veganerinn­en fehlt es. Ihrem Nachwuchs muss Vitamin B12 deshalb künstlich in Form von Nahrungser­gänzungsmi­ttel zugeführt werden. Rust betont zudem die Bedeutung einer guten Eiweißvers­orgung. Durch ihr Wachstum haben Babys einen deutlich höheren Bedarf als Erwachsene, erklärt sie. 13 Prozent ihrer Energiezuf­uhr sollte aus Proteinen bestehen. Für vegetarisc­h ernährte Kinder heißt das: viele Hülsenfrüc­hte, Sojaproduk­te, Vollkornge­treide und auch Eier. Nur mit Kuhmilch sollte man im ersten Lebensjahr relativ sparsam umgehen. 200 Milliliter am Tag gelten als Höchstmeng­e.

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Foto: iStock Essen soll Genuss sein: In den ersten Monaten ist der Löffel auch ein Spielzeug.

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