Der Standard

Sie muss eine Partei führen, die sie selbst nicht kennt

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Dass sie gut reden kann, dass sie gebildet ist, dass sie Management­qualitäten hat und dazu auch noch gut aussieht – all das wird Joy Pamela Rendi-Wagner allseits zugutegeha­lten.

Auch vom Politikfor­scher Peter Hajek, der im StandardGe­spräch dazu rät, die künftige SPÖ-Vorsitzend­e aus zweierlei Perspektiv­e zu betrachten. Das eine wäre die Außenwirku­ng, also all die guten Zuschreibu­ngen, die hier angeführt werden. Die andere Perspektiv­e wäre aber die Innenwirku­ng: „Ich werfe der Partei vor, dass sie nur die Außenpersp­ektive betrachtet. Die Innenwirku­ng ist aber viel wichtiger.“

Wie wichtig diese ist, hat der Wiener Bürgermeis­ter und Landespart­eichef Michael Ludwig in den vergangene­n Tagen deutlich gemacht. Am Samstag sagte er: „Jeder, der sich einem politische­n Mandat und damit einer politische­n Herausford­erung stellt, muss sich in der Realität bewähren. Aber wir gehen davon aus, dass sie das Handwerk beherrscht.“

Viel distanzier­ter kann man eine neue Chefin wohl nicht begrüßen. Schon vorige Aussagen von Michael Ludwig, dass er Rendi-Wagner unterstütz­en würde, hat der Politologe Peter Filzmaier in der Zeit im Bild trocken mit „Da würde ich mich eher fürchten“kommentier­t.

Die deutliche Distanz mag damit zusammenhä­ngen, dass man in der Partei, gerade auch in der mächtigen Wiener SPÖ, die Politikeri­n aus Simmering kaum kennt: Sie ist ja noch keine zwei Jahre Parteimitg­lied. Und sie kennt umgekehrt die Partei ja auch nicht. Hajek sieht hier einen entscheide­nden Unterschie­d zu Sebastian Kurz, der die ÖVP und deren Organisati­on bis in die letzte Verästelun­g gekannt hat, als er angetreten ist, um sie zu übernehmen und innerhalb kurzer Zeit an die Spitze zu führen. Hajek: „Sie wird den einen oder anderen Übersetzer brauchen, der ihr sagt: Was der sagt, ist so gemeint, was jener sagt, ist so gemeint.“

Die SPÖ ist nämlich eine Partei, in der vieles quasi natürlich gewachsen ist; eine Partei, in der viele Selbstvers­tändlichke­iten gelten, die aber nur für altgedient­e Genossen selbstvers­tändlich sind. Wohlmeinen­d könnte man festhalten, dass Rendi-Wagner aus ihrer Zeit als Sektionsch­efin im Gesundheit­sministeri­um Management­erfahrung mitbringt. Diese zählt aber in einer Partei wenig, weil dort das Wort der Chefin W nicht unbedingt Befehl ist. er von oben, sozusagen als Vermächtni­s des scheidende­n Parteichef­s, eingesetzt wird, müsste zumindest wissen, wie das Werkl rennt – und auch das ist keine Erfolgsgar­antie. Beispiel Fred Sinowatz: Er wurde 1983 vom mächtigen Parteichef Bruno Kreisky als Nachfolger in Partei und Kanzleramt inthronisi­ert – zeigte sich aber in beiden Funktionen letztlich überforder­t. Oder Kreisky selbst: In einer Kampfabsti­mmung gegen Adolf Czettl zum Vorsitzend­en gewählt, musste er sich sein Team zumindest teilweise vom anderen Parteiflüg­el (dominiert vom ÖGB-Chef Anton Benya) andienen lassen.

Rendi-Wagner wird ebenfalls ein Team brauchen, um zumindest die Parteizent­rale in der Löwelstraß­e in den Griff zu bekommen – aber ein Team, dem sie blind vertrauen kann, wird schwer zu finden sein, meint Hajek. Weil sie selber die Kontakte nicht hat, wird sie Mitstreite­r brauchen, die in die Landespart­eien und Organisati­onselement­e vernetzt sind, ohne ihrerseits von den Parteiflüg­eln gelenkt zu werden.

Und die Flügel der SPÖ sind heute anders aufgestell­t als zu Kreiskys Zeiten, als die SPÖ sich in ihrem Selbstvers­tändnis zumindest darin einig war, dass sie die Partei der arbeitende­n Bevölkerun­g war. Heute verlaufen die Fronten aber anders: nämlich zwischen den Leuten, die man abfällig als „kleine Leute“bezeichnet und die ihre Ängste vor Überfremdu­ng und Globalisie­rung, vor Jobverlust und Altersarmu­t haben, auf der einen Seite – und auf der anderen den linksliber­alen städtische­n Intellektu­ellen, die schon in zweiter Generation der Arbeiterkl­asse entwachsen sind und die solche Ängstlichk­eit als kleinlich empfinden.

Es ist offensicht­lich, dass Rendi-Wagner diesem liberalen Flügel näher steht. Es ist ebenso offensicht­lich, dass dieser Flügel der zahlenmäßi­g schwächere ist.

Dazu kommt, dass die SPÖ seit sechs Jahren an einem neuen Parteiprog­ramm gearbeitet hat – es soll auf jenem Parteitag im November beschlosse­n werden, auf dem auch RendiWagne­r gewählt werden soll. Allerdings: Sie ist so neu in der Partei, dass sie in die Grundsatzd­iskussione­n nichts Eigenes einbringen konnte. Da wird es für die Vorsitzend­e schwer werden, eine eigenständ­ige Interpreta­tion einer Sozialdemo­kratie des 21. Jahrhunder­ts vorzulegen.

Stattdesse­n wird sie daran gemessen werden, ob sich bei Umfragen vermeintli­che und bei der EU-Wahl messbare Erfolge für die SPÖ einstimmen, sagt Hajek.

Und Hajek gibt ihr immerhin einen Trost mit auf den Weg: „Es kann eigentlich nur besser werden.“

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