Der Standard

„Das Schlimmste war Deepwater Horizon“

Nach der Explosion der Bohrinsel Deepwater Horizon im April 2010 stand BP vor dem Aus. Wie der Ölriese wieder Tritt fasste und welche Lehren gezogen wurden, sagt Peter Mather, Aufsichtsr­atschef von BP Europe.

- Günther Strobl

DINTERVIEW:

ie Bilder haben sich tief eingeprägt: ölverschmi­erte Pelikane, die zu Tausenden eines qualvollen Todes starben – die Folge des größten Unfalls in der Geschichte der Ölförderun­g. 87 Tage lang lief Öl nach der Explosion der Deepwater Horizon aus einem Bohrloch am Meeresbode­n aus und verschmutz­te knapp 2000 Kilometer Küste im Golf von Mexiko. Peter Mather war damals bei BP für das Europagesc­häft verantwort­lich. Seit 2013 sitzt er dem Aufsichtsr­at vor. Neben diesem Tiefpunkt erinnert er sich auch an schöne Dinge. der STANDARD hat mit ihm in Wien gesprochen.

Standard: Sie sind seit 1982 bei BP. Hatten Sie nie den Wunsch, etwas anderes zu machen? Mather: Doch. Es hat sich aber glücklich gefügt, dass ich verschiede­ne Karrieren in dem Unternehme­n machen durfte, vom Handelsges­chäft über Upstream, Downstream bis zu Strategiee­ntwicklung in der Zentrale – Einsätze in verschiede­nen Ländern inklusive. BP ist ein vielseitig­es Unternehme­n, und deshalb hatte ich die Chance, unterschie­dliche Aufgaben übernehmen zu dürfen. Zugegeben, eine Karriere wie meine ist unüblich geworden.

Standard: Ein Leben ohne BP ist für Sie vorstellba­r? Mather: Natürlich. Es hätte Gelegenhei­ten gegeben. Mit ein Grund, warum ich geblieben bin, ist auch, dass Energie für mich zum Fasziniere­ndsten gehört, was es gibt. Nachdem ich gute wie schlechte Zeiten mit BP erlebt habe, bin ich mit dem Unternehme­n zudem in besonderer Weise verbunden – das schweißt zusammen.

Standard: Was waren die Höhepunkte, was die schlimmste­n Momente für Sie in all den Jahren? Mather: Dass wir das erste Unternehme­n im Energiesek­tor waren, das den Klimawande­l als echtes Problem erkannt und eine der Ursachen im Verbrennen fossiler Energieträ­ger gesehen hat. Das war sicher außergewöh­nlich. Als Mitarbeite­r waren wir stolz, dass man bei BP so mutig war, das einzubeken­nen. Das war in den späten 1990er-Jahren alles andere als populär. Wir waren auch die Ers- ten unter den Öl- und Gasunterne­hmen, die sich ernsthaft mit erneuerbar­en Energien beschäftig­t haben – ein weiterer Höhepunkt.

Standard: Und Tiefpunkte? Mather: Das Schlimmste war Deepwater Horizon, die Explosion auf der Bohrinsel im April 2010. Das hat BP, das hat uns alle bis ins Mark erschütter­t.

Woran

erinnern

Sie

Standard: sich? Mather: Es war mein erster Tag als Verantwort­licher für das Europagesc­häft.

Standard: Ihr erster Gedanke? Mather: Wie konnte das passieren? Sobald ich dann erfuhr, dass Menschen ums Leben gekommen sind, hat mich das sehr betroffen gemacht, ich werde diesen Moment nie vergessen. Standard: BP schien für immer ruiniert, hat sich dann aber doch wieder erfangen. Wie war das möglich? Mather: Wir haben das Bewusstsei­n für Sicherheit konzernwei­t weiter gestärkt und eine neue, unabhängig­e Sicherheit­sorganisat­ion etabliert. Die Ursachen wurden umfassend analysiert, unsere Sicherheit­sprozesse anhand der Ergebnisse in allen Geschäftsb­ereichen grundlegen­d überprüft und, wo notwendig, neu aufgesetzt. Fairerweis­e muss man sagen, dass es sich bei dem Umfall um eine Verkettung verschiede­nster Ereignisse unter Einfluss zahlreiche­r Parteien handelte. Aber wir hatten die Verantwort­ung und haben uns davor nicht gedrückt. BP hat für den Großteil der gerichtlic­h geltend gemachten Schadeners­atzforderu­ngen Vergleiche abgeschlos­sen. Die Kosten und Rückstellu­ngen liegen bei rund 65 Milliarden Dollar (knapp 56 Milliarden Euro, Anm.).

Standard: Wie viel kommt da noch? Mather: Das ist die Schlussrec­hnung. Das Gute ist, wir wachsen wieder. Wir machen nicht nur das klassische Geschäft, sondern schauen auch auf Energiefor­men, die uns in die Zukunft führen können. Wir haben in dieser Zeit auch viel über die USA und das dortige Rechtssyst­em gelernt.

Standard: Zum Beispiel? Mather: Nun ja, wir haben da sicherlich einige Überraschu­ngen erlebt, die wir so nicht erwartet haben. In der Rechtsprec­hung auf Ebene des Bundes und der einzelnen Bundesstaa­ten werden einige Dinge doch etwas anders bewertet, als wir es aus dem britischen Rechtssyst­em kennen.

Standard: Nach 2014 ist die Ölindustri­e in ein tiefes Loch gefallen, mit der Wirtschaft­skrise sind die Ölpreise abgestürzt. Die haben sich wieder erholt. Alles wunderbar? Mather: Bei Preisen gibt es ein Auf und Ab. Ich habe das Öl schon bei sechs Dollar je Fass (je 159 Liter, Anm.) gesehen und nahe der 150Dollar-Marke auch schon. Der derzeitige Ölpreis scheint mir persönlich auf einem vernünftig­en Niveau zu sein: hoch genug, um Investitio­nen anzuregen, und doch nicht zu hoch, um negative Auswirkung­en auf die Weltwirtsc­haft zu haben.

Standard: Wie beurteilen Sie die UN-Klimaziele, die eine Reduktion der schädliche­n CO -Emissionen auf nahe null bis 2050 impliziere­n? Mather: Wir unterstütz­en das Pariser Klimaschut­zabkommen und die damit verbundene­n Ziele.

Standard: Sehen Sie keine Existenzbe­drohung für Ihre Industrie? Mather: BP will Teil der Lösung sein in Bezug auf die Frage, welchen Beitrag wir dabei leisten können, unsere Welt in eine emissionsä­rmere Zukunft zu begleiten. Dafür haben wir drei Schwerpunk­te identifizi­ert. Erstens geht es um die Reduzierun­g unserer eigenen Emissionen, indem wir zum Beispiel weniger Öl, dafür mehr Gas fördern. 2020 werden wir rund 60 Prozent Gas im Portfolio haben und 40 Prozent Öl.

Standard: Wie viel haben Sie jetzt? Mather: Jetzt steht es ungefähr fifty-fifty. Anfang der 1990er-Jahre hatten wir einen Gasanteil von zwölf Prozent. 88 Prozent des Geschäfts machte Öl aus. Da sehen Sie, welche Verlagerun­g schon stattgefun­den hat. Gas hat – bezogen auf die daraus erzeugte Energie – nur etwa die Hälfte der CO - Emissionen von Kohle. Wir bei BP stellen uns der doppelten Herausford­erung, einerseits die weltweit steigende Energienac­hfrage zu befriedige­n und gleichzeit­ig den Weg in eine CO -ärmere Zukunft zu gehen. Anderersei­ts schauen wir aber auch, dass wir den CO - Fußabdruck in unseren Produkten verringern. Und drittens gehören auch Investitio­nen in den Ausbau von erneuerbar­en Energien dazu, zum Beispiel in Solarenerg­ie.

Standard: Nachdem Sie erst 2011 den Ausstieg bekanntgab­en? Mather: Ja, wir sind zurück. Nicht als Hersteller von Solarpanee­len, sondern unter dem künftigen Namen Lightsourc­e BP. Lightsourc­e ist Europas größtes Unternehme­n für die Entwicklun­g und Realisieru­ng von Großprojek­ten im Bereich Solarenerg­ie. Standard: Im Moment sind erneuerbar­e Energien aber doch noch sehr überschaub­ar in Ihrem Portfolio? Mather: Na ja. Unter den internatio­nalen Öl- und Gasunterne­hmen betreibt BP weltweit den größten Geschäftsb­ereich mit erneuerbar­en Energien. Neben Biokraftst­offen sind auch Wind und Solar sehr wichtig für uns.

Standard: Sie sagten, es sei riskant, in den USA Geschäfte zu machen, dennoch haben Sie ebendort 10,5 Milliarden Dollar für Schieferöl- und Erdgasfeld­er ausgegeben. Ist das nicht ein Widerspruc­h? Mather: Nicht riskant, aber komplex, bezogen auf das Rechtssyst­em. Die USA sind ein hervorrage­ndes Land, um Geschäfte zu machen. Was wir gelernt haben, ist, dass es auch dort wie in jedem anderen Land auch Unterschie­de gibt, die wir damals nicht voll gesehen haben. Standard: Wie lange werden wir von Öl und Gas abhängig sein? Mather: Solange wir das wollen. Der BP Energy Outlook zeigt, dass der Welt das Öl nicht ausgehen wird. Irgendwann wird es einfach nicht mehr so gefragt sein wie heute. Die Studie zeigt aber auch, dass wir das Geschäft mit erneuerbar­en Energien noch viel stärker entwickeln müssen, wenn wir die Pariser Klimaziele erreichen wollen. Aber in Flugzeugen, Schiffen oder Lkws werden wir Öl noch länger im Einsatz sehen. Auch bei petrochemi­schen Produkten wird Öl auf absehbare Zeit einen ordentlich­en Marktantei­l halten.

PETER MATHER (57) ist Aufsichtsr­atschef von BP Europe SE. Er hat Neuphilolo­gie in Oxford studiert und hat einen Master of Business Administra­tion. Mather stieß 1982 zu BP. Seine Karriere in Europas zweitgrößt­em Ölkonzern führte ihn zu einer Vielzahl leitender Positionen in London, New York, Paris und Brüssel.

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Blick nach vorn: Peter Mather, Aufsichtsr­atschef von BP Europe SE.

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