Ein kleiner Schlag gegen das Amtsgeheimnis
In zwei Entscheidungen hat der Verwaltungsgerichtshof die gesetzliche Auskunftspflicht von Behörden gestärkt und damit ein Zeichen für mehr Transparenz gesetzt.
Zwei Gespenster gehen um in Österreich: der umfassende Schutz personenbezogener Daten Einzelner, maßgeblich im Gewande der DatenschutzGrundverordnung (DSGVO), aber gleichzeitig auch die Pflicht der Verwaltung, ihr Handeln gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern offenzulegen. Das Recht auf Auskunft ist der Hebel zur transparenten Verwaltung. Dass dieser Hebel nicht immer greifen kann (und auch nicht soll), ergibt sich schon aus der Bundesverfassung: Zwar sind Behörden verpflichtet, „über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen“, aber nur soweit dem nicht „eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht“entgegensteht. Wie weit die Transparenz gehen soll, darüber wird seit Jahren heftig diskutiert. Verhandlungen über ein Informationsfreiheitsgesetz sind 2017 im Nationalrat gescheitert.
Dafür hat der Verwaltungsgerichtshof nun ein Zeichen in Richtung Offenheit gesetzt. Wie das bestehende Spannungsverhältnis zwischen Informationsfreiheit und Amtsgeheimnis aufzulösen ist, führen die Auskunftspflichtgesetze auf Landes- und Bundesebene aus. Im Mai beschäftigte sich der VwGH gleich zweimal mit diesen Gesetzen und legte in beiden Entscheidungen das Recht auf behördliche Transparenz weit aus.
Geheime Wiener Ideensammlung
Ausgangspunkt der ersten Entscheidung (29. 5. 2018, Ra 2017/03/0083) ist ein Ideenwettbewerb der Stadt Wien: Im Jahr 2016 rief der Magistrat seine Mitarbeiter auf, Vorschläge zur Verbesserung interner Abläufe zu machen. Gut 1200 Vorschläge langten ein, 740 sollten – wie Vertreter der Stadt Wien in den Medien kundtaten – intern einer näheren Überprüfung unterzogen werden. Ein Journalist begehrte – gestützt auf das Wiener Auskunftspflichtgesetz – Auskunft über „den Wortlaut“sämtlicher gesammelter Vorschläge. Der Magistrat der Stadt Wien lehnte dieses Begehren mit der Begründung ab, es erfolge mutwillig und betreffe überdies rein die verwaltungsinterne Willensbildung, die einer Verschwiegenheitspflicht unterläge. Der Auskunftswerber bekämpfte die Ablehnung und war schließlich mit seiner Revision an den VwGH erfolgreich.
Das Höchstgericht traf dabei zentrale rechtliche Feststellungen: Das angefragte Organ hat zwar nur über Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs Auskunft zu erteilen, hiervon sind aber auch verwaltungsinterne Akte, wie eben mögliche Maßnahmen zur Steigerung der Behördeneffizienz, umfasst; eine pauschale Verschwie- genheitspflicht (die einer Erteilung der Auskünfte entgegenstehen würde) hinsichtlich verwaltungsbehördlicher Interna besteht hingegen nicht.
Zudem stellte der VwGH klar, dass Beschränkungen des Zugangs zu Informationen durch Verwehren einer Auskunft (etwa mittels „Mutwillens-Einwand“) im Lichte der Meinungsfreiheit nach Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) eng auszulegen sind. Dies gilt umso mehr, wenn das Auskunftsbegehren dazu dienen soll, eine öffentliche Debatte anzustoßen, und die Veröffentlichung der Information zur Transparenz über Art und Weise der Führung von Amtsgeschäften beitragen könnte.
Säumig bei Auskunftserteilung
In der zweiten Entscheidung (24. 5. 2018, Ro 2017/07/0026) hat der VwGH den Rechtsschutz gegen die Verweigerung von Auskünften präzisiert. Zunächst bejahte er die Frage, dass auch das als GmbH eingerichtete Umweltbundesamt „Organ“im Sinne der Bundesverfassung ist und daher der Auskunftspflicht unterliegt. Im konkreten Fall bestand das Problem aber nicht darin, dass das Umweltbundesamt die Auskunft verweigerte, sondern einfach nicht – insbesondere nicht mit Bescheid – reagierte.
Der VwGH sprach aus, dass in einer solchen Konstellation eine Säumnisbeschwerde an das Verwaltungsgericht zulässig ist. Nun kann das Verwaltungsgericht, das ja sonst in Säumnisbeschwerdeverfahren anstelle der säumigen Behörde zu entscheiden hat, Auskünfte gerade nicht erteilen (weil es in aller Regel nicht über die gewünschten Informationen verfügen wird), allerdings soll es aussprechen, ob die Auskunft zu erteilen ist. Die betroffene Behörde ist dann an die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts gebunden. Bleibt sie weiterhin untätig, könnte sich der Auskunftssuchende wohl nur – sofern ihm ein Schaden entstanden ist – im Wege der Amtshaftung „wehren“; allenfalls könnte eine solche Untätigkeit auch einen strafrechtlich relevanten Amtsmissbrauch darstellen.
Auch wenn das Amtsgeheimnis bestehen bleibt, wird es im Ergebnis für Behörden und sonstige Rechtsträger, die behördliche Aufgaben wahrnehmen, immer schwieriger, Auskünfte zu verweigern. Sie müssen im Einzelfall die Gründe dafür darlegen. Eine Erledigung durch „Abliegenlassen“hat der VwGH – zutreffend – unterbunden.
STEFAN HUBER ist Partner, FLORIAN STANGL ist Rechtsanwaltsanwärter bei Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati. stefan.huber@chsh.com.