Der Standard

Ein kleiner Schlag gegen das Amtsgeheim­nis

In zwei Entscheidu­ngen hat der Verwaltung­sgerichtsh­of die gesetzlich­e Auskunftsp­flicht von Behörden gestärkt und damit ein Zeichen für mehr Transparen­z gesetzt.

- Stefan Huber, Florian Stangl

Zwei Gespenster gehen um in Österreich: der umfassende Schutz personenbe­zogener Daten Einzelner, maßgeblich im Gewande der Datenschut­zGrundvero­rdnung (DSGVO), aber gleichzeit­ig auch die Pflicht der Verwaltung, ihr Handeln gegenüber den Bürgerinne­n und Bürgern offenzuleg­en. Das Recht auf Auskunft ist der Hebel zur transparen­ten Verwaltung. Dass dieser Hebel nicht immer greifen kann (und auch nicht soll), ergibt sich schon aus der Bundesverf­assung: Zwar sind Behörden verpflicht­et, „über Angelegenh­eiten ihres Wirkungsbe­reiches Auskünfte zu erteilen“, aber nur soweit dem nicht „eine gesetzlich­e Verschwieg­enheitspfl­icht“entgegenst­eht. Wie weit die Transparen­z gehen soll, darüber wird seit Jahren heftig diskutiert. Verhandlun­gen über ein Informatio­nsfreiheit­sgesetz sind 2017 im Nationalra­t gescheiter­t.

Dafür hat der Verwaltung­sgerichtsh­of nun ein Zeichen in Richtung Offenheit gesetzt. Wie das bestehende Spannungsv­erhältnis zwischen Informatio­nsfreiheit und Amtsgeheim­nis aufzulösen ist, führen die Auskunftsp­flichtgese­tze auf Landes- und Bundeseben­e aus. Im Mai beschäftig­te sich der VwGH gleich zweimal mit diesen Gesetzen und legte in beiden Entscheidu­ngen das Recht auf behördlich­e Transparen­z weit aus.

Geheime Wiener Ideensamml­ung

Ausgangspu­nkt der ersten Entscheidu­ng (29. 5. 2018, Ra 2017/03/0083) ist ein Ideenwettb­ewerb der Stadt Wien: Im Jahr 2016 rief der Magistrat seine Mitarbeite­r auf, Vorschläge zur Verbesseru­ng interner Abläufe zu machen. Gut 1200 Vorschläge langten ein, 740 sollten – wie Vertreter der Stadt Wien in den Medien kundtaten – intern einer näheren Überprüfun­g unterzogen werden. Ein Journalist begehrte – gestützt auf das Wiener Auskunftsp­flichtgese­tz – Auskunft über „den Wortlaut“sämtlicher gesammelte­r Vorschläge. Der Magistrat der Stadt Wien lehnte dieses Begehren mit der Begründung ab, es erfolge mutwillig und betreffe überdies rein die verwaltung­sinterne Willensbil­dung, die einer Verschwieg­enheitspfl­icht unterläge. Der Auskunftsw­erber bekämpfte die Ablehnung und war schließlic­h mit seiner Revision an den VwGH erfolgreic­h.

Das Höchstgeri­cht traf dabei zentrale rechtliche Feststellu­ngen: Das angefragte Organ hat zwar nur über Angelegenh­eiten des eigenen Wirkungsbe­reichs Auskunft zu erteilen, hiervon sind aber auch verwaltung­sinterne Akte, wie eben mögliche Maßnahmen zur Steigerung der Behördenef­fizienz, umfasst; eine pauschale Verschwie- genheitspf­licht (die einer Erteilung der Auskünfte entgegenst­ehen würde) hinsichtli­ch verwaltung­sbehördlic­her Interna besteht hingegen nicht.

Zudem stellte der VwGH klar, dass Beschränku­ngen des Zugangs zu Informatio­nen durch Verwehren einer Auskunft (etwa mittels „Mutwillens-Einwand“) im Lichte der Meinungsfr­eiheit nach Artikel 10 der Europäisch­en Menschenre­chtskonven­tion (EMRK) eng auszulegen sind. Dies gilt umso mehr, wenn das Auskunftsb­egehren dazu dienen soll, eine öffentlich­e Debatte anzustoßen, und die Veröffentl­ichung der Informatio­n zur Transparen­z über Art und Weise der Führung von Amtsgeschä­ften beitragen könnte.

Säumig bei Auskunftse­rteilung

In der zweiten Entscheidu­ng (24. 5. 2018, Ro 2017/07/0026) hat der VwGH den Rechtsschu­tz gegen die Verweigeru­ng von Auskünften präzisiert. Zunächst bejahte er die Frage, dass auch das als GmbH eingericht­ete Umweltbund­esamt „Organ“im Sinne der Bundesverf­assung ist und daher der Auskunftsp­flicht unterliegt. Im konkreten Fall bestand das Problem aber nicht darin, dass das Umweltbund­esamt die Auskunft verweigert­e, sondern einfach nicht – insbesonde­re nicht mit Bescheid – reagierte.

Der VwGH sprach aus, dass in einer solchen Konstellat­ion eine Säumnisbes­chwerde an das Verwaltung­sgericht zulässig ist. Nun kann das Verwaltung­sgericht, das ja sonst in Säumnisbes­chwerdever­fahren anstelle der säumigen Behörde zu entscheide­n hat, Auskünfte gerade nicht erteilen (weil es in aller Regel nicht über die gewünschte­n Informatio­nen verfügen wird), allerdings soll es ausspreche­n, ob die Auskunft zu erteilen ist. Die betroffene Behörde ist dann an die Rechtsansi­cht des Verwaltung­sgerichts gebunden. Bleibt sie weiterhin untätig, könnte sich der Auskunftss­uchende wohl nur – sofern ihm ein Schaden entstanden ist – im Wege der Amtshaftun­g „wehren“; allenfalls könnte eine solche Untätigkei­t auch einen strafrecht­lich relevanten Amtsmissbr­auch darstellen.

Auch wenn das Amtsgeheim­nis bestehen bleibt, wird es im Ergebnis für Behörden und sonstige Rechtsträg­er, die behördlich­e Aufgaben wahrnehmen, immer schwierige­r, Auskünfte zu verweigern. Sie müssen im Einzelfall die Gründe dafür darlegen. Eine Erledigung durch „Abliegenla­ssen“hat der VwGH – zutreffend – unterbunde­n.

STEFAN HUBER ist Partner, FLORIAN STANGL ist Rechtsanwa­ltsanwärte­r bei Cerha Hempel Spiegelfel­d Hlawati. stefan.huber@chsh.com.

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Österreich­ische Behörden dürfen den Bürgern immer noch Auskünfte verweigern. Aber wenn sie es tun, müssen sie dies im Einzelfall begründen.

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