Der Standard

Steuerrefo­rm – Arbeit statt Autos fördern

Eine Ökologisie­rung des Steuersyst­ems darf gerade im Verkehrsbe­reich den Abbau umweltschä­dlicher Förderunge­n wie der Pendlerpau­schale oder auch der Dienstwage­nbesteueru­ng nicht außer Acht lassen.

- Angela Köppl Margit Schratzens­taller

Das Abgabensys­tem eines Staates soll im Idealfall multiplen Zieldimens­ionen genügen, zu denen unter anderem die Bewältigun­g langfristi­ger Herausford­erungen wie der Klimawande­l zählen. In Hinblick auf die ökologisch­e Effektivit­ät des österreich­ischen Steuersyst­ems gibt es weiteren Spielraum: in Form der Beseitigun­g von Fehlanreiz­en durch umweltschä­dliche Steuerbegü­nstigungen wie auch der Verstärkun­g positiver Anreize zu umweltfreu­ndlicherem Verhalten durch Ökosteuern.

Steuern im Verkehrsbe­reich sind mit einem Aufkommen von 6,7 Milliarden Euro im Jahr 2017 in Österreich eine wichtige Einnahmequ­elle. Der Verkehrsbe­reich ist jedoch auch der zweitgrößt­e Verursache­r von CO -Emissionen mit neuerliche­n Zuwächsen seit 2010. Umweltsteu­ern als Instrument sollten daher gemeinsam mit anderen Maßnahmen wie Investitio­nen in den öffentlich­en Verkehr weiterhin eine wichtige Rolle spielen.

Mit der Einführung neuer Messverfah­ren zur Bestimmung der CO -Emissionen von Kraftfahrz­eugen rückt aktuell insbesonde­re die Normverbra­uchsabgabe als eine relevante verkehrsbe­zogene Steuer in den Mittelpunk­t. Dies deshalb, weil als Bemessungs­grundlage für die NoVA die CO - Emissionen herangezog­en werden und das bisherige Verfahren Normverbrä­uche angegeben hat, die bisweilen um bis zu dreißig Prozent vom tatsächlic­hen Verbrauch und Emissionsa­usstoß abgewichen sind. Konsumente­n haben mit diesen Angaben daher ein verfälscht­es Kaufsignal zum Treibstoff­verbrauch erhalten, das sich in der Nutzungsph­ase in höherem Verbrauch und höheren Treibstoff­kosten niedergesc­hlagen hat. Nach Schätzunge­n von „Transport and Environmen­t“machen die zusätzlich­en Treibstoff­kosten seit dem Jahr 2000 EU-weit 150 Mrd. Euro aus. Das neue Messverfah­ren zielt darauf ab, diese Diskrepanz zumindest zum Teil zu schließen. Weil der unveränder­te Steuersatz somit auf eine realistisc­here Bemessungs­grundlage angewendet wird, steigen damit ohne Eingriff in die Steuergese­tzgebung auch die Einnahmen des Staates aus der NoVA: ebenso wie sie in der Vergangenh­eit gestiegen sind, wenn emissionsi­ntensivere Fahrzeuge gekauft wurden.

Die aktuelle Diskussion über die NoVA, aber auch jene über den mit der geplanten Steuerrefo­rm 2020 anzugehend­en Reformbeda­rf im Abgabensys­tem sollten genutzt werden, um die Verkehrsbe­steuerung insgesamt auf den Prüf- stand zu stellen. Denn sowohl Dynamik als auch Ausgestalt­ung der Verkehrsab­gaben sind trotz einiger Reformen in den vergangene­n Jahren unzureiche­nd zur Eindämmung der Emissionsz­uwächse im Verkehrsse­ktor.

Erwerb, Besitz, Nutzung

Umweltsteu­ern im Verkehrsse­ktor können grundsätzl­ich bei Erwerb, Besitz und Nutzung von Fahrzeugen ansetzen. Je nach dem konkreten Anknüpfung­spunkt der Besteuerun­g gibt es erstens einmalige Steuern, die beim Kauf des Fahrzeuges anfallen, also die Mehrwertst­euer oder die Normverbra­uchsabgabe. Insbesonde­re die NoVA soll einen Lenkungsef­fekt bei der Kaufentsch­eidung erzielen. Je ausgeprägt­er die Differenzi­erung der Steuersätz­e nach der Emissionsi­ntensität ist, umso eher wird sich das Konsumente­nverhalten auf Fahrzeuge mit geringer Emissionsi­ntensität bzw. geringe- rem Kraftstoff­verbrauch oder alternativ­en Antrieben richten.

Zweitens können regelmäßig wiederkehr­ende Steuern auf den Besitz von Fahrzeugen erhoben werden, wie die motorbezog­ene Versicheru­ngssteuer und Kraftfahrz­eugsteuer. Von solchen Besitzsteu­ern sind allerdings keine oder geringe Lenkungswi­rkungen zu erwarten. Drittens kann die Nutzung von Fahrzeugen besteuert werden, etwa durch die Mineralöls­teuer, die Vignette und die Lkw-Maut. Dabei können nutzungsbe­zogene Steuern und Abgaben – wie die Beispiele Vignette versus Lkw-Maut zeigen – fahrleistu­ngsunabhän­gig oder fahrleistu­ngsabhängi­g ausgestalt­et sein; nur Letztere bieten ebenso wie die Mineralöls­teuer einen Anreiz zur Einschränk­ung der Nutzung von Fahrzeugen.

Bezüglich des Lenkungsas­pektes sind insgesamt Steuern auf Erwerb und Nutzung jenen auf Besitz vorzuziehe­n. Steuern auf den Erwerb sollten ein deutliches Signal bezüglich der zu erwartende­n Nutzungsko­sten geben. Steuern auf die Nutzung sollten die Intensität der Nutzung beeinfluss­en. In beiden Bereichen gibt es in Österreich noch Potenzial für eine ökologisch effektiver­e Ausgestalt­ung. Jedenfalls ist, wie auch die Europäisch­e Kommission seit längerem fordert, eine Angleichun­g der Steuersätz­e für Benzin und Dieseltrei­bstoff naheliegen­d. Auch eine allgemeine CO -Steuer, 2 eine nutzungsab­hängige PkwMaut und die Ausdehnung der Lkw-Maut auf das niederrang­ige Straßennet­z würden die Nutzungsin­tensität verringern. Die motorbezog­ene Versicheru­ngssteuer als Besitzsteu­er könnte hingegen zugunsten dieser Elemente zurückgefa­hren werden.

Pendlerpau­schale abbauen

Eine Ökologisie­rung des Steuersyst­ems darf aber gerade im Verkehrsbe­reich den Abbau umweltschä­dlicher Förderunge­n wie der Pendlerpau­schale oder der Dienstwage­nbesteueru­ng nicht außer Acht lassen. Gleichzeit­ig ist die Besteuerun­g des Verkehrsbe­reichs angesichts der intensiven internatio­nalen Verflechtu­ng von Gütertrans­port und Reiseverke­hr stärker auf eine zumindest europäisch­e Säule zu stellen: Jede EU-Regierung sollte sich für eine effektive Besteuerun­g des Flugverkeh­rs sowie die überfällig­e Aktualisie­rung der Energieste­uerrichtli­nie einsetzen: Die bestehende­n Mineralöls­teuer-Mindestsät­ze sind zu gering und nicht preisindex­iert und begünstige­n außerdem Diesel gegenüber Benzin.

Die potenziell­en Mehreinnah­men aus diesen Reformen würden den Spielraum der Regierung vergrößern, die angestrebt­e substanzie­lle Entlastung des Faktors Arbeit auch budgetär zu bewältigen. Angesichts arbeitsbez­ogener Abgaben im Umfang von 76 Mrd. Euro ist eine kräftige Umschichtu­ng der Abgabenlas­t weg von der Arbeit hin zu Umwelt- und Energiever­brauch nicht nur ökologisch, sondern auch beschäftig­ungspoliti­sch unabdingba­r.

ANGELA KÖPPL ist Ökonomin mit Fokus auf Umwelt und Energie beim Wifo in Wien. MARGIT SCHRATZENS­TALLER ist stellvertr­etende Leiterin des Wifo.

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Die NoVA erzeugt bereits einen Lenkungsef­fekt bei den Steuern auf Verkehr, allerdings nur bedingt, weil die Autoindust­rie es mit der Abgasmessu­ng nicht so genau nahm.

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