Der Standard

Opposition muss nicht Mist sein

Rendi-Wagner hat bessere Chancen, als es scheint – wenn die SPÖ es zulässt

- Eric Frey

Er hat sich etwas feiner ausgedrück­t als Franz Münteferin­g. Doch Christian Kerns Begründung für seinen Rücktritt als SPÖChef läuft auf das Gleiche hinaus, was der einstige SPD-Chef 2004 verkündet hat: „Opposition ist Mist.“

Allerdings gab Münteferin­g damals die Parteiführ­ung nicht auf, sondern trat sie erst an – und hatte davor bewiesen, dass er gute Opposition­sarbeit leisten kann. Kerns Abschiedsw­orte waren hingegen eine klägliche Absage an eine Kernaufgab­e in der Politik: der Regierung auf die Finger zu schauen und Wählern eine Alternativ­e anzubieten. Das macht zwar weniger Spaß als Regieren, ist aber für eine funktionie­rende Demokratie genauso wichtig.

Man muss Kern zugutehalt­en, dass sich nur wenige Regierungs­chefs nach einer Abwahl dieser Herausford­erung stellen. Aber dass in den vergangene­n Tagen der Eindruck vermittelt wurde, als ob die Führung der größten Opposition­spartei ein sinnloses, gar hoffnungsl­oses Unterfange­n ist, für das man einen Bihänder und dicke Haut braucht und nicht die Intellektu­alität und Macherqual­itäten, die Kern ja für sich beanspruch­t – das hat Österreich­s politische Kultur in keinem guten Licht erscheinen lassen. mso mehr Respekt verdient Pamela Rendi-Wagner dafür, dass sie sich den Job zutraut und übernimmt. Anders als ihre Parteifreu­nde und -freundinne­n hat sie offenbar eines erkannt: Harte, aber konstrukti­ve Opposition kann eine dankbare Arbeit sein. Bloß hat Österreich durch die vielen großen Koalitione­n wenig Erfahrung damit. Nur Bruno Kreisky und Alfred Gusenbauer haben es aus der Opposition ins Kanzleramt geschafft – und nur einer war dort erfolgreic­h. Rendi-Wagner kann daher kaum auf Vorbilder zurückgrei­fen. Das heißt nicht, dass es nicht geht.

Gegen ein politische­s Naturtalen­t wie Sebastian Kurz zu bestehen ist zwar schwer. Aber gerade die Skepsis, die Rendi-Wagner aus dem eigenen Lager entgegensc­hlägt, gibt ihr die Chance, positiv zu überrasche­n. Schließlic­h ist Kern auch an den übertriebe­nen Erwartunge­n an seine Person gescheiter­t. Und die FPÖ-Minister mit ihrer Mischung aus Kaltblütig­keit und Dilettanti­smus geben ideale Zielscheib­en für jede Opposition her. Diese Koalition hat genügend personelle und inhaltlich­e Schwachste­llen.

UDabei reicht es nicht aus, auf Fehler der Regierung zu warten, man muss wie im Fußball die gegnerisch­e Fehlpässe in eigene Tore verwandeln. Das setzt neben rhetorisch­em Geschick auch strategisc­hes Denken und vor allem gute Sachpoliti­k voraus. Auch wenn die Medien die Opposition bei Sachthemen allzu oft ignorieren, muss eine Partei ein glaubwürdi­ges Gegenprogr­amm bieten, damit sie als Alternativ­e ernst genommen wird. Man braucht keine Patentlösu­ngen für jedes Problem, aber mehr als nur Slogans. Die britische Tradition harter Parlaments­debatten und kompetente­r Schattenka­binette gibt der Opposition dort oft eine attraktive Bühne. Vielleicht kann Rendi-Wagner etwas davon übernehmen.

Das Wichtigste für eine Opposition­spartei aber ist ein hohes Maß an Geschlosse­nheit. Die öffentlich­e Aufmerksam­keit muss stets auf ihre politische­n Botschafte­n gerichtet sein und nicht auf interne Querelen. Das kann eine Parteichef­in nicht allein erreichen, dafür braucht sie die Partei. Das Mindeste, was die zerstritte­nen Genossen jetzt tun können, ist, ihre Grabenkämp­fe einzustell­en und ihrer neuen Vorsitzend­en eine Chance zu geben.

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