Der Standard

Perspektiv­lose Härte

- Irene Brickner

Die Abläufe sind immer die gleichen, und sie sind höchst grausam – im jetzt akuten Fall der dagestanis­chen Familie Magomedov ebenso wie in dutzenden anderen ähnlichen Situatione­n: Einer Asylablehn­ung mit Ausreiseau­fforderung folgt die Hoffnung auf Bleiberech­t. Sind die Abzuschieb­enden wie die Magomedovs besonders gut integriert, rufen die Unterstütz­er besonders laut nach einer Einsicht der Behörden.

Sie weisen auf Kinder hin, die aus ihrem endlich stabilen Umfeld gerissen werden sollen, auf psychische Erkrankung­en und Suizidvers­uche aus Angst vor Existenzve­rlust. Doch es ist sinnlos: Ein Bleiberech­tsantrag, der nach der Asylablehn­ung gestellt wird, stoppt eine Abschiebun­g nicht – und Innenminis­ter Herbert Kickl liegt offenbar viel daran, bei diesem Punkt auf dem Rechtsstaa­t zu beharren.

Tatsächlic­h haben seit der Übernahme des Innenminis­teriums durch die FPÖ bisher alle bekannt gewordenen Bleiberech­tshärtefäl­le mit kompromiss­loser Abschiebun­g geendet. Das ist ein Problem, weil es die Wahrnehmun­gsschwelle dessen, was eine breite Öffentlich­keit als inakzeptab­le Härte sieht, massiv nach unten verschoben hat.

Der deutsche Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble (CDU) sagte zuletzt in einem Interview, eine Gesellscha­ft müsse auch in Härtefälle­n mehr Kraft für Integratio­n aufbringen. Er hat recht – auch wenn ein solcher Gedanke im türkis-blau regierten Österreich fast als Sakrileg erscheint.

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