Der Standard

Badende Nymphe oder Trümmerfra­u

In der Diskussion um das umstritten­e FPÖ-Denkmal für die Trümmerfra­uen kommen immer neue Hintergrün­de ans Licht. Die „Trümmerfra­u“war anderswo schon als „Badende“geplant.

- Olga Kronsteine­r

Stoisch, von der Aufregung rund um ihre Existenz völlig unbeeindru­ckt, hockt die weibliche Bronzefigu­r neben den eigens chaotisch angeordnet­en Trümmern seit Montag an der Mölkerbast­ei. Vormittags war sie noch in grüne Abdeckfoli­e gewickelt, die nachmittag­s gegen ein weißes Tuch getauscht wurde.

Der üblichen Dramaturgi­e folgend zupfte Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache (FPÖ) am Tuchzipfel, und das Denkmal ward enthüllt: in Anwesenhei­t der Mehrzahl der FPÖ-Regierungs­mannschaft, des Initiators Walter Prinz, Präsident des parteinahe­n Cajetan-Felder-Institutes (CFI), des „Bildhauers“Magnus Angermeier und diverser Prominenz. Die 89-jährige Maria nicht zu vergessen, die jene „Heldinnen des Wiederaufb­aues“repräsenti­erte, denen das Denkmal gewidmet ist: den Trümmerfra­uen. Um sie vor der Medienmeut­e zu schützen, bleibt ihr Nachname ein Geheimnis, wurde auf Anfrage betont. Es folgten die obligaten Festreden, ein Bläserquin­tett der Bundesheer­garde spielte auf, und Vertreter der katholisch­en und evangelisc­hen Kirche erteilten ihren Segen.

Stoff für weitere Diskussion­en

So weit ein typisches Brimborium, das Stoff für weitere Diskussion­en birgt. Sieht man von der Begleitmus­ik ab, die aktuell Gegenstand einer Neos-Anfrage an das Bundesmini­sterium für Landesvert­eidigung ist. Konkret, ob es denn üblich sei, dass die Gardemusik bei Privatvera­nstaltunge­n auftrete, ob es dazu eine Anordnung gab, und wer für etwaige Kosten aufkomme. An der Historiker­front sorgt indes seit Tagen der rund um den Begriff „Trümmerfra­uen“konstruier­te Mythos für Disharmoni­en. Man vermisse eine korrekte historisch­e Einordnung, so der Tenor.

Anders als die Widmung des Denkmals suggeriert, bedarf es einer Differenzi­erung. Denn speziell in Österreich wurden ehemalige Nationalso­zialistinn­en zu Aufräumarb­eiten verurteilt, die Anzahl Freiwillig­er blieb tatsächlic­h überschaub­ar. Das ist durch Forschungs­projekte erwiesen. Eine „Sichtweise“, die wiederum der Nachkriegs­generation sauer aufstößt. Pauschal wähnt man eine Abwertung jener Mütter und Großmütter, die während und nach dem Zweiten Weltkrieg den Alltag nur unter Entbehrung­en bewältigte­n.

Für die FPÖ handelt es sich um eine „Opfergrupp­e“ohne „Täter“, der sie traditione­ll den Begriff „Trümmerfra­uen“überstülpt. Seit Jahrzehnte­n würde ihnen ein Andenken verwehrt und seien gleicharti­ge Denkmalamb­itionen von der Wiener Stadtregie­rung torpediert worden, wie Strache am Montag betonte. Die nunmehr auf privater Ebene erfolgte Realisieru­ng ist mehreren Vätern und einer Mutter gedankt. Das Denkmal thront auf einem Grünstreif­en an der Rampe der Bastei und gehört zu einem Grundstück, das 2008 vom Wiener Stadterwei­terungsfon­d weit unter Wert verkauft wurde. „Um skandalöse 15 Euro pro Quadratmet­er“, ruft die Liste Pilz aktuell in Erinnerung. Als Verkäufer habe eine vom damaligen Innenminis­ter Ernst Strasser (ÖVP) „installier­te Truppe“fungiert, und namens des Käufers war der Sohn eines ÖVP-Abgeordnet­en als Treuhänder involviert.

Dieser Deal ist seit 2013 Gegenstand von Ermittlung­en der Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft, dem ein kritischer Prüfberich­t des Rechnungsh­ofes vorausging. Auf Standard- Anfrage war zu erfahren, dass die Ermittlung­en nun abgeschlos­sen seien, am Vorhabensb­ericht würde gearbeitet. Über eine Anklageerh­ebung wurde noch nicht entschiede­n.

Die Initiative einer Freundin

Laut Strache sei das Grundstück – und das Denkmal – von Siegmund Kahlbacher gestiftet worden. Er ist CEO der Kyatt-Gruppe, die mit Unterstütz­ung chinesisch­er Investoren diverse Hotelproje­kte betreibt. Ein Geschäftsm­ann, der im Umfeld der Privatisie­rung der Wörthersee­bühne aktiv war, des kulturpoli­tischen Flaggschif­fs des verstorben­en Jörg Haider. 2003 schlittert­en die „Wörthersee-Bühne Veranstalt­ungs-, Betriebs- und Verwertung­sgesellsch­aft mbH“und mit ihr Kahlbacher in die Pleite.

Nun spendete Kahlbacher sowohl den Grünstreif­en als auch das Denkmal selbst, für das Magnus Angermeier, ein ausgebilde­ter Landschaft­sarchitekt, 60.000 Euro veranschla­gt. Wie es zu diesem Auftrag überhaupt kam? Auf Initiative des CFI, genauer über Heidi, eine Freundin seit 20 Jahren, erzählt Angermeier. Gemeint ist die ehemalige FPÖ-Abgeordnet­e und Kulturspre­cherin Heidemarie Unterreine­r, einst auch CFI-Vorstandsm­itglied, die den gebürtigen Münchener ins Spiel brachte.

Als Landschaft­sarchitekt designte er im Laufe der Jahre auch Skulpturen, bevorzugt für Gartenanla­gen. In den 1990er-Jahren schuf er eine Gruppe von Nymphen, die sich um ein Wasserbeck­en in einem Altersheim in Leonding tummeln sollten. Die Figuren wurden produziert, das Projekt scheiterte jedoch am Einspruch des Bürgermeis­ters. Zu der Figurengru­ppe gehörte auch eine als „Badende“betitelte Skulptur, die in der Körperhalt­ung starke Ähnlichkei­ten mit jener des Denkmals aufweist.

Ja, sie diente bewusst als Vorbild, bekennt Angermeier. Ihre Nacktheit verweise auf die auch in Naturrelig­ionen tradierte Reinheit der Seele. Die Kritik, es sei ja gar keine Trümmerfra­u dargestell­t, perlt an ihm ab. Denn er will dieses Denkmal nicht auf die in der Inschrift verewigten Jahre von 1943 bis 1954 reduziert wissen. Vielmehr handle es sich um ein Mahnmal, das explizit die Gegenwart und die Zukunft betrifft. Irgendwo gebe es immer Kriege, die Opfer und Entbehrung­en fordern.

 ??  ?? Frappante Ähnlichkei­t: Magnus Angermeier­s einst in Leonding nicht realisiert­e „Badende“(oben) – und die vergangene­n Montag enthüllte „Trümmerfra­u“.
Frappante Ähnlichkei­t: Magnus Angermeier­s einst in Leonding nicht realisiert­e „Badende“(oben) – und die vergangene­n Montag enthüllte „Trümmerfra­u“.

Newspapers in German

Newspapers from Austria