SPÖ beschließt Light-Version ihrer Statutenreform
Mitbestimmung nur mit Extra-Erlaubnis Länder kippten Mandatsbeschränkung
Wien – Die lange geplante Statutenreform der SPÖ kommt nach heftigen parteiinternen Diskussionen nun in einer entschärften Fassung. Die ursprünglich vorgesehene Mitbestimmung der Mitglieder, die über Koalitionen und Regierungspakte entscheiden sollten, wird nun einer Kontrolle unterzogen: Eine solche Mitgliederabstimmung soll es jeweils nur geben, wenn sich der Parteivorstand ausdrücklich und mehrheitlich dafür ausspricht.
Die Beschränkung der Mandate auf zehn Jahre ist für die Landesorganisationen ebenfalls vom Tisch. Ursprünglich war vorgesehen, dass nach zehn Jahren eine Zweidrittelmehrheit in den Gremien für eine neuerliche Kandidatur notwendig wäre.
Die Parteireform war einer Mitgliederbefragung unterzogen und unterstützt worden. Nach Widerstand der Länder wurde sie erst abgesagt und nun entschärft. (red)
Die große Statutenreform der SPÖ, mit der die Parteiführung frischen Wind in die Funktionärsclique bringen wollte, wurde erst lange diskutiert, dann einer Befragung der Parteimitglieder unterzogen, schließlich im Parteivorstand beschlossen – und dann wieder abgesagt. Den betroffenen Funktionären ging die Reform offenbar doch zu weit. Nachdem Christian Kern, in dessen Auftrag die Statutenänderung ausgearbeitet worden war, die Parteiführung an Pamela Rendi-Wagner abgegeben hatte, nutzte der Wiener Landesparteichef Michael Ludwig eine Präsidiumsklausur vor knapp zwei Wochen, um das Vorhaben wieder abblasen zu lassen: Die Statutenreform sollte still und heimlich beerdigt werden. Nach einem Bericht des
Δtandard und empörten Reak- tionen aus der Parteibasis wurde die Statutenreform wieder auf die Agenda genommen. Sie soll jetzt doch umgesetzt werden, allerdings in einer entschärften Form.
Parteimitglieder sollen zwar mehr Mitsprache erhalten, allerdings in kontrollierter Form: Der Vorstand kann ein Veto gegen Abstimmungen der Basis einlegen und behält das letzte Wort.
Das ist insbesondere bei einer Regierungsbeteiligung der SPÖ von Bedeutung. Der alte Entwurf hatte vorgesehen, dass Parteimitglieder über die Koalition und den Regierungspakt abstimmen können. Eine Abstimmung wird grundsätzlich nur dann möglich sein, wenn eine Mehrheit im Parteivorstand das explizit so will. Sollte es eine Abstimmung geben, wird diese erst ab einer Beteiligung von 20 Prozent bindend.
Was die Notwendigkeit der Zweidrittelmehrheit für ein neuerliches Antreten bei einer Wahl nach zehn Jahren in einer Funktion angeht, wird die ursprünglich geplante Regelung deutlich abgeschwächt. Sie wird nur noch für Bundeslisten gelten. Landeslisten, aber auch Regionalwahlkreise sind davon ausgenommen.
Die bereits erprobten Gastmitgliedschaften sollen auch ins Statut aufgenommen werden, ebenso wie die sogenannten Themensektionen. Zudem soll es eine Solidarabgabe an die Partei geben, wenn es politische Mehrfachbezüge eines SPÖ-Repräsentanten gibt. Beschlossen werden soll die Statutenreform bei einem Parteitag Ende November.
Kaiser gegen Herr
Der SPÖ-Vorstand musste sich am Donnerstag auch mit Luca Kaiser, dem Sohn von Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser, beschäftigen. Die Kärntner SPÖ hätte Luca Kaiser gerne auf dem sechsten Listenplatz für die EUWahl gesehen, ein aussichtsreicher Platz. Hält die SPÖ das Er- gebnis vom letzten Mal, gehen sich sechs Mandate aus. Vater Peter Kaiser entgegnet etwaiger Kritik einer schiefen Optik sinngemäß, er animiere junge Menschen immer wieder, sich aktiv in die Politik einzuschalten, sich zu engagieren, „da kann ich nicht bei meinem Sohn jetzt anders argumentieren“.
Den sechsten Listenplatz beansprucht allerdings auch Julia Herr, die Vorsitzende der Sozialistischen Jugend (SJ), für sich.
Die FPÖ machte noch am Donnerstag gegen Luca Kaiser mobil. Sie grub eine Twitter-Nachricht aus dem Jänner aus, in der Kaiser junior Österreich als „Nazion“bezeichnete. Für die FPÖ eine „inakzeptable Grenzüberschreitung“, sie fordert Kaisers Rücktritt.
„Österreich ist eine Nazion mit einem scheiß Innenminister. #kickl“, lautete die Nachricht. Kaiser teilte am Donnerstag mit, dass er die Wortwahl zurücknehme. Sie sei aus einem emotionalen Moment heraus überspitzt gewesen und sei zu weit gegangen.
Zwei bis drei Österreicher sterben pro Tag durch Passivrauchen. Vizekanzler Heinz-Christian Strache sagt trotz knapp 900.000 Unterschriften für das Volksbegehren: Wir führen derzeit kein Rauchverbot ein.
Im Mittelmeer ertranken heuer bereits 1500 Menschen. Bundeskanzler Sebastian Kurz zieht Parallelen zwischen Seenotrettern und Schleppern und greift Ärzte ohne Grenzen an.
Arbeitslose sollen sich nicht „länger durchschummeln“(Zitat Regierung zu Jahresbeginn). Ein Algorithmus bestimmt künftig, wer bei der Jobsuche welche Förderungen erhält und wer nicht. Klingt nach Auslese – auch wenn man im AMS das Gegenteil beteuert.
Was ist da los? Fehlt der Politik jegliche Empathie? Und ist das den Menschen mittlerweile egal? Leben wir in ganz und gar unempathischen Zeiten? Das wäre ein naheliegender Schluss. Ein noch näher liegender: Schuld daran sind nicht wir, die Menschen – sondern „das Internet“. Lehnen wir uns also zurück und einigen uns darauf, dass die Welt schlecht ist.
Tatsächlich haben sich die Menschen stark verändert. In Bus, Bim und U-Bahn starren sie nicht länger missmutig vor sich hin – sie starren lieber in ihre Handys. Sie kommunizieren ständig mit Daumen und Zeigefinger, und seit der Erfindung von Social Media scheint es, als hätten alle zu allem immer eine Meinung. Eine sehr pointierte zumeist, die mit Nachdruck – und oft mit einem ganzen Schwall an negativen M Gefühlen – vertreten wird. acht das etwas mit Menschen? Wahrscheinlich schon. Wenn man mehr textet als redet, fördert das Knappheit, Einsilbigkeit – und damit auch Unhöflichkeit und Respektlosigkeit. Empathie wäre hier von Vorteil, im Sinne von empfinden, wie der Empfänger der WhatsappNachricht, der SMS oder des Postings das Geschriebene auffassen könnte. Höflichkeit und Respekt kann man freilich trainieren, auch auf Facebook und Twitter. Empathie funktioniert hier gut, wenn man will, man bewegt sich in ein- und derselben Filterblase.
Mangelnde Empathie ist auch nicht das Problem dieser Regierung. ÖVP und FPÖ agieren sehr empathisch – immer im Sinne ihrer eigenen Unterstützer und Wähler. Allerdings fehlt es immer wieder an Mitgefühl mit Menschen, die schlechter gestellt sind – außerhalb der eigenen Schicht.
Das wird damit begründet, dass „Gutmenschentum“die Faulen begünstige und die Fleißigen bestrafe – und jegliche Reform verunmögliche. Daher müsse man jetzt eben ein wenig streng sein. Nicht wenige Menschen unterstützen das, nicht wenige Regierungen weltweit gehen anscheinend herz- und mitleidlos mit Schwächeren um.
Politik, die mitfühlt, muss jedoch keineswegs reformresistent sein. Es muss nur genau überlegt werden, wie Reformen angepackt werden, wie jene, die dabei auf der Strecke bleiben, aufgefangen werden können. Das Kümmern um jene, die sich nicht selbst hel- fen können, ist auch eine Frage des Verstandes – nicht nur in der Politik. Nirgendwo auf der Welt geht es auf Dauer gut, wenn die Gesellschaft auseinanderdriftet, wenn es Reichere nicht kümmert, dass Ärmere auf der Strecke bleiben. Sozialer Ausgleich ist wichtig. Nur so können alle ruhig schlafen – weil jeder weiß, auch ihm wird geholfen, wenn er es braucht.
Politik ist ein Spiegel der Gesellschaft, gewählte Politiker sind repräsentativ dafür, wie Menschen in einem Land denken. Es gibt eine globale Tendenz zu sozialer Kälte. Und es liegt an allen, dass die Temperaturen steigen.