Wöginger versus Hacker
ÖVP-Klubchef Wöginger beharrte im Gespräch auf Kürzungen bei der Mindestsicherung. SPÖ-Stadtrat Hacker sah das anders.
August Wöginger (ÖVP) und Peter Hacker (SPÖ) lieferten sich im Δtandard- Livegespräch einen harten Schlagabtausch darüber, welche Sozialpolitik Österreich braucht. Wöginger will mehr Anreize zur Jobaufnahme schaffen. Hacker sieht Wiens Sozialmodell in Gefahr.
Braucht es in Österreich stärkere Anreize, also weniger Sozialleistungen, damit mehr Menschen bereit sind, einen Job zu suchen? Diese Frage sorgt für heftige innenpolitische Kontroversen. Die türkis-blaue Regierung will den Druck erhöhen. Überlegt wird, das Arbeitslosengeld künftig degressiv auszubezahlen. Der Be- trag, der Betroffenen zur Verfügung steht, würde also mit der Zeit sinken. Die Notstandshilfe könnte abgeschafft werden.
der Δtandard hat den Klubchef der ÖVP im Nationalrat, August Wöginger, und den Wiener Sozialstadtrat Peter Hacker zu einem Streitgespräch über die künftige Sozialpolitik zusammengebracht. Während über das neue Arbeitslosengeld in der Koalition verhandelt wird, steht schon fest: Bei der Mindestsicherung wird es für Migranten und kinderreiche Familien Kürzungen geben. Wöginger argumentierte, dass aktuell die Differenz zwischen der Höhe der Mindestsicherung und dem, was jemand mit Arbeit verdienen kann, oft zu gering ist. Das sei nicht zu rechtfertigen.
Wöginger: Wir müssen die Menschen mit sozialen Leistungen versorgen. Aber wir müssen darauf achten, welche Höhe wir für welche Dauer zur Verfügung stellen. Die Kinder werden in der Mindestsicherung bewertet, was ich de facto in keinem einzigen Kollektivvertrag habe ...
Hacker: ... eh nicht. Die Mindestsicherung ist kein Kollektivvertrag.
Wöginger: Bei Kindern in Wien wird jedes einzelne mit rund 240 Euro in der Mindestsicherung mitberücksichtigt. Hinzu kommt die Familienbeihilfe. Das führt zu einer Schieflage zwischen Erwerbseinkommen und Sozialleistung.
Hacker: Die große Menge in der Mindestsicherung nützen das System nicht aus. Wir haben 45.000 Kinder, deren Eltern Mindestsicherungsempfänger sind. Was können die Kinder dafür? Es gibt 13.000 Menschen in der Mindestsicherung, die krank sind und deshalb arbeitsunfähig sind. Wir haben noch einmal so viele Pensionisten in der Mindestsicherung, weil ihre Mindestpensionen zu niedrig ist. Nur ein Teil der gesamten Mindestsicherungsbezieher gehört überhaupt zu jener Gruppe, bei der man darüber diskutieren kann, wie die Anreize sein sollen.
Wöginger kam in der Debatte auch mehrmals auf Flüchtlinge zu sprechen. „Wir haben einen eindeutigen Sozialtourismus in Richtung Wien, das sehen wir in den Regionen. Sobald jemand asylberechtigt ist, steigt er in den Zug nach Wien. Dort gibt es die höchste Mindestsicherung, und zwar nicht zwölf-, sondern 14-mal.“Tatsächlich lebten fast zwei Drittel der zuletzt 308.000 Mindestsicherungsbezieher in Wien.
Hacker widersprach: Wien zahle gar nicht die höchste Mindestsicherung aus. In mehreren Bundesländern gebe es mehr Geld, so der Sozialstadtrat. Aktuell liegt in Wien die Schwelle bei 863,04 Euro pro Person: Wer kein Einkommen hat oder weniger verdient, bekommt von der Stadt einen Zuschuss über die Mindestsicherung, um auf die 863,04 Euro zu kommen. Hinzu kommen Zuschläge für Partner und Kinder. Das Modell sei gut begründet, sagte Hacker. Hacker: Die soziale Sicherheit in der Bundeshauptstadt ist einer der Hauptgründe dafür, dass wir die niedrigste Kriminalitätsrate seit ewigen Zeiten haben. Das taugt Ihnen nicht. Dieser Regierung ist es wurscht, wie es den Armen geht. Deshalb wird am System gezerrt. Wöginger: Niemand zerrt am System. Man soll sich nicht von Haus aus immer dagegenstemmen und sagen, alles, was die Regierung vorlegt, ist schlecht. Es muss einen Anreiz geben, sich auch selbst zu engagieren, um einen Job zu finden.
Wöginger skizzierte auch, wie das neue Arbeitslosengeld aussehen soll. Er sagt, dass künftig klarer unterteilt werden soll in Personen, für die das Arbeitsmarktservice (AMS) einen Job zu finden versucht, und in solche, bei denen das chancenlos ist.
Wöginger: Je nachdem, wie lange jemand gearbeitet hat, soll das Arbeitslosengeld länger bezogen werden können. Die Notstandshilfe wird im Arbeitslosengeld aufgehen, sodass wir künftig ein Versicherungs- und ein Sozialsystem haben. Wenn Menschen länger in der Notstandshilfe sind, müssen wir dem nachgehen, warum das so ist. Wenn man am Arbeitsmarkt nicht mehr vermittelbar ist, dann ist man nicht mehr vermittelbar.
Hacker: Die Regierung arbeitet daran, ein Selektionsinstrument zu entwickeln: Die Arbeitslosen sollen in drei Kategorien eingeteilt werden. In die „C“-Gruppe kommen Menschen, bei denen man sagt, dass bei ihnen eine Vermittlung auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr möglich ist. Die werden künftig in die Mindestsicherung geschoben.
Wenn die Regierung es als Problem erkennt, dass die Differenz zwischen Sozialleistungen und Löhnen zu niedrig ist, warum senkt sie nicht aggressiver Sozialversicherungsbeiträge, vom Brutto bliebe mehr Netto? Wöginger verwies in der Antwort darauf, dass die Regierung die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung gesenkt habe. 30 Euro mehr im Monat blieben Menschen, die 1350 bis 1950 Euro brutto im Monat verdienten. Und warum nicht weiter entlasten, etwa aus den Mitteln durch eine Erbschaftssteuer? Auf die Erbschaftssteuer ging Wöginger nicht ein. Seine Replik: „Wir haben erst begonnen mit den Entlastungen. Wir sind für fünf Jahre gewählt.“